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Journal für Kulturpflanzen, 74 (01-02). S. 11–18, 2022 | DOI: 10.5073/JfK.2022.01-02.02 | Nachrichten

Nachrichten
Astrid Eben1, Annette Herz2

Online – Fachgespräch zum Thema „Biodiversität im Obstbau“

Julius Kühn – Institut, Dossenheim, 04.05.2021

Affiliationen
1Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau, Dossenheim
2Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Biologischen Pflanzenschutz, Darmstadt
Kontaktanschrift
Dr. Astrid Eben, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau, Schwabenheimer Straße 101, 69221 Dossenheim, E-Mail: astrid.eben@julius-kuehn.de

Eine hohe Biodiversität ist Voraussetzung für die Funktionalität und Stabilität von Ökosystemen. Stabile Produktionssysteme, z. B. Obstanlagen, sichern unsere Ernährung, da bestäubende Insekten und natürliche Gegenspieler von Schädlingen unabdingbar für die Entwicklung von Früchten an Obstgehölzen und somit für die Ernteerträge sind. In den vergangenen Jahrzehnten sind Artendiversität und Biomasse von Insekten und Vögeln in unserer Landschaft auffallend stark zurückgegangen. Aus diesem Grund steht das Thema Biodiversität und vor allem der dokumentierte Rückgang von Vorkommen, Häufigkeit und Vielfalt vieler Insektenarten in der Kulturlandschaft, seit einigen Jahren nicht nur im Fokus der wissenschaftlichen, sondern auch der politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit. Die möglichen Ursachen für den Rückgang von Biodiversität sind komplex und daher nicht leicht zu bewerten, es ist jedoch aus diversen Untersuchungen klar erkennbar, dass der Verlust und die qualitative Verschlechterung von Lebensräumen für Insekten aufgrund von mangelnder Diversität und Vorhandensein blühender Pflanzen, die generell abnehmende Strukturvielfalt in der Kulturlandschaft durch intensive Landnutzung sowie das Fehlen ungestörter, potentieller Rückzugsflächen großen Einfluss hat. Der Erhalt und die Wiederherstellung dieser Lebensräume sowie deren Vernetzung sind von großer Wichtigkeit.

Entsprechend der aktuellen Bedeutung dieses Themas wurde auf Veranlassung des BMEL (Referate 713 und 716) am Julius Kühn-Institut, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau ein Online-Fachgespräch veranstaltet. In acht Fachvorträgen ist das Thema „Biodiversität im Obstbau“ umfassend dargestellt worden. Der aktuelle Kenntnisstand zu Biodiversität im IP- und Öko-Obstbau wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Ansätze, die zeigen, dass im Obstbau erfolgreich die Ökosystemdienstleistungen von Nützlingen in Pflanzenschutzmaßnahmen mit einbezogen werden, wurden präsentiert, weiterer Forschungs- und Handlungsbedarf wurde aufgezeigt und Ergebnisse von diversen Forschungsprojekten wurden diskutiert.

Die Vorträge hoben den Einfluss der Umgebungsvegetation auf das Vorkommen von Nutzarthropoden hervor. Eine vielfältige, kleinräumige Landschaft, Heckenstrukturen, Gehölzsäume, Bewirtschaftungsmaßnahmen wie Staffelmahd, alternierendes Mulchen und das Vorhandensein von extensiv genutzten Randstreifen, mehrjährigen Blühstreifen mit heimischen Pflanzenarten oder Brachen wirken sich fördernd auf die Biodiversität in den Obstanlagen aus. Dies ist unabhängig von integrierter oder ökologischer Bewirtschaftung, auch lassen sich IP-Richtlinien im Obstanbau sehr gut mit dem Schutz von Biodiversität in Einklang bringen, da Erhalt und Förderung von Artenvielfalt bereits ein Schwerpunkt bei der Erstellung dieser Richtlinien im Jahr 1990 war. Priorität für den Erfolg aller durchgeführten Biodiversitätsmaßnahmen ist es, eine hohe Strukturvielfalt in und um die Obstanlagen zu schaffen und zu erhalten. Besonders wichtig ist das ganzjährige Angebot an Nahrungspflanzen und Nistplätzen für Bestäuber und andere Nützlinge.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass bereits erprobte, erfolgreiche Handlungsoptionen zur Förderung und zum Erhalt von Biodiversität in und um die Obstanlagen bekannt sind, jedoch ist es unabdingbar, die Umsetzung in den Betrieben an die jeweiligen internen Betriebsstrukturen und die lokal unterschiedliche Umgebungsvegetation anzupassen. Aus den aktuellen Erfahrungsberichten und Projektergebnissen wurde erkennbar, dass Biodiversitätsmaßnahmen derzeit den chemischen Pflanzenschutz nicht vollständig ersetzen können. Notwendige Pflanzenschutzmaßnahmen sollten jedoch an die jeweiligen biodiversitätsfördernden Maßnahmen angepasst werden. Hier besteht noch akuter Forschungsbedarf, z. B. zur adäquaten Gestaltung von Schadschwellen oder Aktionsfenstern. Dazu ist die Zusammenarbeit mit örtlichen Pflanzenschutzberatern äußerst wichtig. Die verstärkte Schulung von Beratern für die Umsetzung der Biodiversitätsmaßnahmen in Kombination mit Pflanzenschutz sind neben intensiver Öffentlichkeitsarbeit von großer Bedeutung.

Zur kontinuierlichen Bewertung von Fortschritt und Erfolg der implementierten Maßnahmen ist ein langfristiges Biodiversitäts-Monitoring in ausgewählten Obstanlagen und auf naturnahen Vergleichsflächen sowie die wissenschaftliche Begleitung der Umsetzung dieser Maßnahmen unerlässlich.

Zusammenfassungen der Vorträge

Biodiversität im Integrierten Pflanzenschutz – eine Herausforderung, den vielfältigen Ansprüchen zu genügen

Martin Trautmann

Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee (KOB), Schuhmacherhof 6, 88213 Ravensburg-Bavendorf

Die Region Bodensee ist neben dem Anbaugebiet „Altes Land“ mit 8.500 ha das zweitgrößte Obstanbaugebiet Deutschlands. Etwa 70 % der Flächen sind mit Hagelnetzen überdacht; zunehmend ist die Tropfbewässerung. Die durchschnittliche Betriebsgröße der ca. 800 Betriebe im Vollerwerb hat sich in den letzten dreißig Jahren auf etwa 15 ha nahezu verdreifacht.

Unabhängig von der Produktionsrichtung kommt in den langlebigen Monokulturen dem Pflanzenschutz die Aufgabe der Erntesicherung zu. Spezifische Schaderreger werden den einzelnen Obstkulturen treu bleiben – neue Schaderreger wie die Kirschessigfliege und die Marmorierte Baumwanze erzwingen Anpassungen im chemisch-synthetischen und biologischen Pflanzenschutz. Der Geschützte Anbau von Erdbeeren und Süßkirschen nimmt deutlich zu. Este Versuchsflächen im Apfelanbau stehen unter Vollschutz.

Der Erhalt und die Förderung der Biodiversität ist eine Herausforderung, den vielfältigen Anforderungen zu genügen. Die Produktion wird insgesamt anspruchsvoller. Herausforderungen ergeben sich z. B. durch:

Diesen Ansprüchen kann m. E. genügt werden, der Aufwand und die Kosten steigen hierdurch erheblich, die Aussicht auf Mehrerlös bleibt eine Erwartung und Hoffnung der Obstproduzenten.

Betrachtete Aspekte des Vortrages sind:

Das System Raubmilbe und Schadmilben im Kernobstanbau steht. Hier ist der Schutzräuber Typhlodromus pyri zumeist ausreichend vertreten, um Spinnmilben zu regulieren. In beiden Produktionsrichtungen sind ähnliche Artenspektren vorhanden. Regulierungsmaßnahmen können zumeist mit Paraffinölbehandlungen durchgeführt werden.

Bezüglich der Säuberungsräuber wie Marienkäfer, Ohrwurm und Blutlauszehrwespe besteht Optimierungsbedarf. Insbesondere bei Schaderregern mit geringer oder nicht vorhandener Schadenschwelle ist die Förderung der Gegenspieler durch ein verbessertes Angebot an Blütenpflanzen zu untersuchen und zu belegen. Für den Produzenten sind nachhaltige Regulierungsmechanismen und die Erarbeitung neuer Schadschwellen von großer Bedeutung. Zugleich sind sie Anreiz, Änderungen herbeizuführen.

Nisthilfen für höhlenbrütende Singvögel werden bereits seit den 1990-er Jahren gefördert und in die Anlagen eingebracht. In den letzten 20 Jahren setzte sich dieser Trend fort und wurde durch Nisthilfen für Insekten und Fledermäuse ergänzt. Allein in den letzten acht Jahren wurden über 4700 Nisthilfen für Singvögel und fast 800 Insektennisthilfen abgegeben. Eine langjährige Untersuchung am Bodensee, durchgeführt in zehnjährigen Abständen, ergab z. T. dramatische Rückgänge bei vielen Brutvogelarten. Als Beispiel sei der Haussperling genannt (- 46 %). Arten wie der Feldsperling und die Kohlmeise zeigten hingegen konstante Zahlen. Bei der Blaumeise wurden signifikante Zunahmen verzeichnet. Dies wurde von den Verfassern der Studie u. a. der reichlichen Zahl an Nisthilfen zugeschrieben. Eine Teilauswertung eigener Studien zeigte für eine durchschnittliche, intensive Apfelanlage eine Belegungsrate von 42 % Nisthilfen mit erfolgreichen Bruten. Erfreulicher Einzelfund waren zwei Wochenstuben des Braunen Langohres!

Insektennisthilfen dienen, je nach Bauart, der Ansiedlung von zwei Wildbienenarten als Bestäuber oder der Ansiedelung von in Hohlräumen nistenden Insekten allgemein. In der Folge dort anzutreffenden Artenvielfalt sind auch Parasiten und Parasitoide in großer Zahl anzutreffen. Detailliert Ergebnisse hierzu wurden bereits von der Bodenseestiftung veröffentlicht. Ein Beispiel ist die Echte Schlupfwespe Ephialtes manifestor, ein Parasitoid gleich mehrerer Wildbienenarten.

Blühende Baumstreifen, Fahrgassen, Wege und Plätze bieten kurzzeitige Nahrungs- und Nistplatzangebote für eine Vielzahl von Insekten. Intensive Kern- und Steinobstanlagen mit reduziertem Herbizideinsatz weisen vor und während der Blüte ein reiches Nahrungsangebot für z. B. Hummeln auf. Baumstreifen ohne Bewuchs oder mit mechanischer Bearbeitung sind hier ärmer ausgestattet. Problematisch werden diese Streifen, wenn zur Regulierung von bedeutenden Schaderregern, wie z. B. der Kleinen Pflaumenlaus und der Mehligen Apfellaus, keine bienenungefährlichen Produkte mehr zur Verfügung stehen. Das Ausweichen auf biologische Produkte wie NeemAzal T/S ist möglich. Die Wirkungsgrade sind jedoch zumeist geringer, die Kosten insbesondere bei zweimaliger Anwendung höher.

Fahrgassen werden gemulcht. Insbesondere vor dem Einsatz bienengefährlicher Produkte (Movento SC 100, Milbeknock Top, Vertimec Pro und Tankmischungen div. Pflanzenschutzmittel) ist dies erforderlich. Die Auflagen zum Schutz von Bestäuberinsekten und Wildbienen (NN410) bei Pflanzenschutzmitteln wie z. B. Mospilan SG, Coragen, Neudosan Neu, Karate Zeon oder Promanal HP sind zu beachten. Eine gezielte Ansaat mit „Bunten Blütenmischungen“ ist in der IP vorerst kritisch zu beurteilen. Vielversprechender sind hier Ansaaten in Junganlagen mit standorttypischen Kräutern wie Schafgarbe, Kleinköpfiger Pippau, Brunelle, Günsel, Wiesenschaumkraut, Orangerotes Habichtskraut, Kleearten u. v. mehr. Ein geändertes Mulchregime kann das Blütenangebot in der Anlage zusätzlich fördern. Hier liegt Beratungsbedarf vor.

Wege und Plätze bieten Nistplätze für Insekten, sofern sie nicht verschottert werden. Die modernen Obstbauschlepper sind solchen Situationen in aller Regel gewachsen. Hochstehende Beikrautbestände auf Plätze u. ä. sollten erst kurz vor der Samenbildung oder in Teilflächen gemulcht werden.

Rückgebaute Anlagen in Gewässernähe bieten Chancen für die Etablierung von Hochstaudenfluren. Auflagen des Bienenschutzes und dem Schutz von Bestäuberinsekten und Wildbienen (NN410) sind auch hier zu beachten. Moderne Sprühgeräte mit hoher Abdriftreduzierung in Kombination mit Vertikalnetzen könnten dies ermöglichen.

Randstrukturen wie bewachsene Böschungen, Streuobstbäume, Totholzstrukturen und Hecken bieten u. a. Refugialplätze für Nützlinge und Lebensraum für weitere Insekten, Vögel und Säugetiere. Hier sollte der Grundsatz gelten: Erhalt geht vor Erneuerung. Ohne diese Strukturen wird z. B. die Etablierung von Trissolcus japonicus, der sog. Samurai-Schlupfwespe zur Regulierung der Marmorierten Baumwanze kaum möglich sein.

Blühende Ansaaten, ob einjährig oder mehrjährig, sollten, wo immer möglich, erfolgen. Hier liegt Beratungsbedarf vor.

Viele Obstbäuerinnen und Obstbauern sind hoch motiviert und begeistert für den Erhalt und die Förderung der Biodiversität in ihren Betrieben. Gerade von diesen sind Innovationen und Kreativität zu erwarten. Forschung und Beratung können und sollten Unterstützung und zusätzliche Impulse geben.

Ökologische Vielfalt im Integrierten Obstbau: Genauer hinschauen lohnt sich

Hannah Jaenicke

Kompetenzzentrum Gartenbau (KoGa), Universität Bonn, Campus Klein-Altendorf 2, 53359 Rheinbach

Einleitung

Biodiversität und Landwirtschaft haben essenzielle Wechselwirkungen. So sind über 70 % der weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen auf tierische Bestäubung angewiesen; der Wert der Bestäubungsleistungen in Deutschland betrug 2016 ca. 1.13 Milliarden Euro, etwa 2 % des Gesamtwerts der landwirtschaftlichen Produktion (Leonhardt et al., 2013; BfN, 2017). Andererseits ist insbesondere kleinteilige Landwirtschaft einer der wichtigsten Lebensräume für einen Großteil der hier vorkommenden Biodiversität. Etwa ein Drittel der Farn- und Blütenpflanzen gedeihen schwerpunktmäßig im Grünland und von 270 typischen Ackerwildkräutern sind 32 % gefährdet (BfN, 2015). Daher ist eine Verbesserung der Biodiversität in der Kulturlandschaft von überragender Bedeutung und die Integration von Naturschutzzielen in den Produktionsablauf auf der Nutzfläche geboten.

Vor diesem Hintergrund hat das vom Bundesamt für Naturschutz geförderte Projekt „Potenziale und Praxisprogramm zur Erhöhung der ökologischen Vielfalt in Erwerbsobstanlagen und Streuobstwiesen“ das Ziel, die Artenvielfalt und somit die Ökosystemleistungen von Obstanlagen zu erhöhen. Dabei sollen mit einem partizipativen und interdisziplinären Ansatz flächenneutral umsetzbare Biodiversitätsziele gemeinsam mit Praxisbetrieben, Pflanzenschutz-, Obstbau- und Naturschutzfachleuten ermittelt und angepasst werden. Am Ende des Projekts steht die Entwicklung eines Leitfadens für die Praxis. Das Projekt ist aufgeteilt in einen Teil Ökoanbau, einen Teil Streuobstanbau und einen Teil integrierte Produktion, der hier im Weiteren behandelt wird.

In den vier Projektregionen des IP-Teils (Altes Land, Sachsen, Bodenseeregion und Rheinland) wird seit 2017 in 20 Obstbetrieben eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Biodiversität durchgeführt sowie biodiversitätsfördernde Maßnahmen umgesetzt und analysiert. Zusätzlich werden in derzeit 91 Ringbetrieben erfolgreiche Maßnahmen umgesetzt und verbreitet. Naturschutzfachliche und obstbaufachliche Beratung begleiten das Projekt.

Die eingesetzten Maßnahmen umfassten zunächst Blühstreifen bzw. -flächen, Ankerpflanzen an den Hagelnetzabspannungen, Vogelnistkästen und Wildbienennisthilfen. Weitere Maßnahmen werden an Einzelstandorten zusätzlich erprobt. Seit 2017 wird die Arthropodenvielfalt in den Anlagen in allen Regionen einheitlich mit Hilfe von Klopfproben, Malaisefalle (24 Stunden geöffnet), gezieltes Keschern auf Blütenbesucher sowie Barberfallen für Bodenbewohner (7 Tage geöffnet) erfasst. Die Erfassungen finden einheitlich an drei phänologisch festgelegten Terminen statt: Vollblüte, Walnussgröße, Elstar-Ernte. Je nach regionalem Schwerpunkt werden weitere zusätzliche Erfassungen durchgeführt.

Erste Ergebnisse

Spinnen sind wichtige Nützlinge im Ökosystem. In der Bodenseeregion konnten auf drei Betrieben im Jahr 2017 29 Arten von Webspinnen nachgewiesen werden (Krisch, 2019). Die Arten haben unterschiedliche Habitatpräferenzen (Acker, Wald, Heckenstrukturen…), was auf die Vielfalt des Ökosystems Obstanlage hindeutet. Die dominierenden Familien: Lycosidae (Wolfspinnen) und Linyphiidae (Baldachinspinnen) weisen darauf hin, dass Obstanlagen relativ störungsfreie Habitate darstellen.

Laufkäfer spielen in Ökosystemen eine wichtige Rolle sowohl als Nahrung für insektenfressende Kleinsäuger, Amphibien und Vögel als auch als karnivore Nützlinge. In vier Kernbetrieben im Rheinland wurden über 60 Arten nachgewiesen (Zizka, 2019, Mertsch, 2019). Zwischen den Maßnahmen (Blühstreifen) und den Kontrollen (Fahrgasse) wurden für die Laufkäfer – im Gegensatz zu den Blütenbesuchern, wie z. B. Schwebfliegen und Wildbienen – keine signifikanten Unterschiede festgestellt.

Mit Hilfe des Metabarcoding-Verfahrens (Morinière et al., 2016) wurden Teile der Malaisefallenfänge 2017-2019 ausgewertet. Hier wurde eine Gesamtbiodiversität von über 700 Arthropodenarten (97 % Sicherheit) nachgewiesen, darunter 42 Coleoptera-Arten, 246 Diptera-Arten, 97 Hymenoptera-Arten sowie 57 Lepidoptera-Arten.

Im Rheinland wurden zusätzlich Moose und Flechten in den Anlagen kartiert. Hierbei wurden in vier Betrieben im Rheinland insgesamt 46 Arten erfasst, wobei pro Betrieb zwischen 21 und 24 Moosarten auf Baumstreifen und Fahrgassen nachgewiesen wurden (Stapper, 2020).

Im Alten Land wird seit Projektbeginn ein umfangreiches Vogelmonitoring durchgeführt (W. Klein pers. Mittlg.). Dort wurden in fünf Betrieben über 100 Vogelarten nachgewiesen, wobei je Betrieb zwischen 50 und 76 Arten dokumentiert wurden. Die in die Obstanlagen integrierten Entwässerungsgräben bzw. Beregnungsteiche wurden dabei als wichtige Habitate identifiziert.

Die Wasserbecken in Obstanlagen sind ebenfalls ein wichtiges Jagdhabitat für Fledermäuse wie Over (2020) dokumentierte. Sie konnte in einer Anlage im Rheinland im Sommer 2019 mindesten fünf Arten aus vier Gattungen akustisch nachweisen.

Zusammenfassung

Die angeführten Beispiele zeigen, dass integriert bewirtschaftete Obstanlagen eine große Artenvielfalt beherbergen, die oft unbemerkt bleibt und somit nicht dokumentiert ist. Die bestehende und durch die eingesetzten Maßnahmen geförderte Strukturvielfalt sowie eine temporäre und räumliche Mosaiknutzung in und zwischen den Anlagen sind wichtige Elemente der ökologischen Vielfalt, da sie vielfältige Brut- und Nahrungshabitate für unterschiedliche Arten bieten. Dabei kann Biodiversität mit relativ einfachen Mitteln in inte­griert bewirtschafteten Obstanlagen weiter gefördert werden.

Es ist dennoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass erfolgversprechende Maßnahmen oft nicht umsetzbar sind, da rechtliche Rahmenbedingungen ihnen entgegenstehen oder ihre Umsetzung zu innerbetrieblichen Konflikten führt, wie z. B. beim Einsatz von bienengefährlichen Pflanzenschutzmitteln und der Anlage von Blühstreifen zwischen den Obstbaumreihen. Hier besteht sowohl weiterer Forschungs- als auch politischer Handlungsbedarf.

Referenzen

BfN, 2015: Artenschutz-Report 2015. Tiere und Pflanzen in Deutschland. Bundesamt für Naturschutz. Bonn. 63 S.

BfN, 2017: Agrar-Report 2017. Biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft. Bundesamt für Naturschutz. Bonn. 62 S.

Krisch, 2019: Die Zusammensetzung von Spinnenzönosen auf Flächen des integrierten Obstanbaus und ihre ökosystemare Bedeutung. Masterarbeit Universität Bonn.

Leonhardt, S.D., N. Gallai, L.A. Garibaldi, M. Kuhlmann, A.-M. Klein, 2013: Economic Gain, Stability of Pollination and Bee Diversity Decrease from Southern to Northern Europe. Basic and Applied Ecology 14 (6), 461-471, DOI: 10.1016/j.baae.2013.06.003.

Mertsch, K., 2019: Laufkäferzönosen im integrierten Obstanbau – Evaluierung von Strukturmaßnahmen zur Förderung der Diversität. Masterarbeit. Universität Bonn.

Morinière, J., B. Cancian de Araujo, A.W. Lam, A. Hausmann, M. Balke, S. Schmidt, …, 2016: Species Identification in Malaise Trap Samples by DNA Barcoding Based on NGS Technologies and a Scoring Matrix. PLoS ONE 11 (5), e0155497, DOI: 10.1371/journal.pone.0155497.

Over, J. 2020: Bedeutung einer integrierten Erwerbsobstanlage als Jagdhabitat für Fledermäuse. Masterarbeit Universität Bonn.

Stapper, N., 2020: Moose im integrierten Obstbau. Interner Bericht Universität Bonn. 25 S.

Zizka, C.M., 2019: Die Bedeutung des Integrierten Obstanbaus für Laufkäferzönosen. Masterarbeit Universität Bonn.

Ergebnisse aus dem BfN-Projekt "Ökologische Vielfalt in Obstanlagen" zu produktionsintegrierten Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung von Bio-Apfelanlagen

Jutta Kienzle, Alfons Krismann, Gulmira Esenova, Heinrich Maisel, Martina Zimmer, Tim Boenigk, Falk Eisenreich, Anna Lena Rau, C.P.W. Zebitz, Frank Schurr, Fg. Angewandte Entomologie, Fruwirthstraße 14-16 und Fg. Landschaftsökologie und Vegetationskunde, August-von-Hartmann Straße 3, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart-Hohenheim

Bastian Benduhn, Christina Adolphi, Öko-Obstbau Norddeutschland Versuchs- und beratungsring e. V. (ÖON), Moorende 53, 21635 Jork

Ziel des Projektes ist es, Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung von Öko-Erwerbsobstanlagen naturschutzfachlich und obstbaufachlich zu evaluieren, zu optimieren und nach dem Schneeballsystem in die Praxis einzuführen. Das Projekt wird in fünf Obstbauregionen auf 16 Pilotbetrieben durchgeführt und umfasst 21 Paare von aufgewerteten und nicht aufgewerteten Parzellen à rund 1 ha Fläche. Auf den aufgewerteten Parzellen wurde ein Standardset von Maßnahmen implementiert: Blühstreifen in der Fahrgasse, Hochstaudensaum am Anlagenrand, Landschaftsgehölze am Reihenende. So kann einerseits der status quo in den Anlagen erhoben, andererseits aber das Potenzial der Aufwertungen validiert und optimiert werden. Auf derzeit 118 Ringbetrieben mit einer Gesamtbetriebsfläche von 2.830 ha werden zusätzlich Erfahrungen mit den Maßnahmen gesammelt und diese so auch schrittweise in die Praxis eingeführt. Auf den Pilotbetrieben wurde viermal jährlich die Vegetation kartiert, Kescher- und Klopfproben gezogen und Transsektbegehungen für Heuschrecken, Tagfalter und Wildbienen durchgeführt. Außerdem wurden Malaisefallen (3 Tage Standzeit) in der Fahrgasse aufgestellt und der Blattlaus- und Nützlingsbesatz sowie Fruchtschäden und Befallsspuren durch Nager erfasst. Der Pflanzenschutz erfolgt praxisüblich ohne bienengefährliche Mittel.

Erste Auswertungen zeigen eine deutliche Förderung verschiedener Aspekte der biologischen Vielfalt durch die produktionsintegrierten Maßnahmen: In den aufgewerteten Parzellen war die Anzahl blühender Kräuterarten etwa dreifach höher als in den Kontrollparzellen und die Individuenzahl der Tagfalter und Wildbienen in den Sichtbeobachtungen mehr als doppelt so hoch. Die Fänge der Malaisefallen zeigen eine hohe Anzahl von Blütenbesuchern in den Öko-Anlagen. Die Anzahl der Individuen der Wildbienen in der Anlage konnte durch die Blühstreifen allerdings mehr als verdoppelt werden wobei auch eine etwas höhere Anzahl Gattungen festzustellen war. Bei den Schwebfliegen war sowohl die Anzahl der Individuen als auch der Arten in der Blühstreifenvariante mehr als doppelt so hoch wie in der Kontrollparzelle. Wanzenarten pflanzenartenreicher Wiesen finden in den aufgewerteten Flächen Bedingungen vor, die eine Reproduktion ermöglichen: Die Arten- und Individuenzahl von Larven dieser Arten in den Kescherproben hat sich durch die Aufwertung mehr als verdoppelt.

Auch Nützlinge werden durch die Aufwertung gefördert. So wurde der Befall durch die Grüne Apfellaus in den Blühstreifenanlagen früher reduziert, räuberische Antagonisten der Apfellaus traten früher auf und das Räuber-Beute-Verhältnis war höher. Bei den Blumenwanzen wurden fast alle Orius-Arten sowohl in der Krautschicht als auch in der Baumkrone gefunden, wobei sie in den Blühstreifen wesentlich häufiger waren als in der Krautschicht der Kontrolle. In den Blühstreifen fanden sich auch wesentlich mehr meist indifferente Pentatomiden-Arten, die ggf. Alternativwirte von Antagonisten der schädlichen Arten sein können. Außerdem war die Parasitierung der Pfennigminiermotte in den wenigen aufgewerteten Anlagen mit Befall höher als in den Kontrollen (Ergebnis aus BÖLN-Projekt INSEKTOEKOOBST).

Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass die Aufwertung der Anlagen ein sehr hohes Potenzial für die Nützlingsförderung bietet. Um dieses Potenzial im Rahmen von Bausteinstrategien voll auszuschöpfen, muss die Populationsdynamik von Nützlingen und Schädlingen in solchen Anlagen aber noch wesentlich intensiver untersucht werden.

Zu Projektende wird ein leitartenbasierter Maßnahmenkatalog für den Öko-Obstbau mit über vierzig Einzelmaßnahmen veröffentlicht. Empfehlungen für eine Kräutermischung in der Fahrgasse und einen Hochstaudensaum am Rand sind bereits unter https://biodivobst.uni-hohenheim.de/download.html verfügbar.

Danksagung

Das Projekt wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie durch sechs Bundesländer (BW, SA, NW, RP, NS, HH) gefördert.

Blühstreifen, Hecken und Spontanvegetation: Wie können wir Wildbienen im Obstanbau gezielt fördern?

Alexandra-Maria Klein, Vivien von Königslöw, Anne Mupepele, Felix Fornoff, Dimitry Wintermantel

Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie, Universität Freiburg, Tennenbacher Straße 4, 79106 Freiburg

In Europa wird Obst hauptsächlich im integriertem, aber auch im biologischen, Anbau bewirtschaftet. In einem EU Forschungsprojekt, mit Untersuchungsflächen in Deutschland, Spanien und Schweden, haben wir auf biologische Anbau­flächen im Mittel eine höhere Individuendichte und Artenzahl von nützlichen Insekten, inklusive Wildbienen, gefunden. Die erhöhte Biodiversität steigerte die Bestäubungsleistung und reduzierte Schadinsekten. Trotz dieser positiven Effekte im biologischen Anbau, war der mittlere Ertrag im biologischen Anbau um ca. die Hälfte im Vergleich zum integrierten Anbau reduziert. Einzelne biologische und integrierte Anlagen zeigten jedoch hohe Artenvielfalt von Wildbienen und räuberischen Insekten und hohe Erträge. Dies spricht dafür, dass beide Anbauformen Optionen für eine erhöhte Artenvielfalt von Wildbienen und anderen nützlichen Insekten im Obstanbau bieten können.

Weitere Forschungsarbeiten aus integrierten Apfelanlagen am Bodensee, die an unserer Professur durchgeführt wurden, zeigen, dass mehrjährige Blühstreifen („Blühende Landschaft“) über das Jahr gesehen die Vielfalt von Bienen und Schwebfliegen stärker erhöhen als das Vorkommen von Hecken oder das Aufwerten von Hecken mit einem Blühsaum („Schmetterlings- und Wildbienensaum“). Der kleinere positive Effekt der Heckenaufwertung ist jedoch auf den meist geringen Platz entlang der Hecken zurückzuführen, der die Etablierung eines Blühsaumes durch Beschattung, Wasserkonkurrenz und Konkurrenz durch Beikräuter erschwert. Auch zeigen unsere Daten, dass Spontanvegetation an Böschungen, Gräben oder alten Zäunen zusätzliche, darunter auch spezialisierte, Wildbienenarten fördert, die durch das Anlegen von Blühlebensraum an den Anlagen oder in den Fahrgassen nicht gefördert werden. Wir würden es deshalb begrüßen, wenn Obstbäuerinnen und -bauern zukünftig für die gezielte Unterhaltung von Spontanvegetation Anreize, durch beispielsweise die Vergütung für Landschafts- und Strukturelemente, bekommen würden.

Pflanzenschutzmittel, darunter das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat, stehen zunehmend unter Verdacht schädlich für die Gesundheit von Bienen zu sein. Eine im Frühjahr 2021 publizierte Synthesestudie zeigt beeinträchtigende Effekte durch unterschiedliche Glyphosatprodukte auf Honigbienen aber auch andere soziale Bienen, die in Deutschland nicht vorkommen. Eine andere Studie zeigt für Erdhummeln, dass nicht der Wirkstoff Glyphosat, sondern weitere beigemischte Chemikalien sich negativ auf das Wachstum von Hummelvölkern auswirkt. Im Obst- und Weinbau wird der Einsatz von Glyphosat in kleinen Streifen in den Baumreihen häufig als die schonendste Methode für die Umwelt angesehen, um die Kultur vom Beikrautdruck zu befreien. Allerdings fehlen Studien, die unter realen Feldbedingungen die Anwendung von Glyphosat, im Vergleich zur mechanischen Beikrautkontrolle auf das Vorkommen und die Gesundheit von bodennistenden Bienenarten untersuchen.

Zusammenfassend halten wir fest, dass sowohl integrierter als auch biologischer Anbau Biodiversität von Wildbienen fördern kann, wenn Lebensräume wie mehrjährige Blühstreifen, blühende und nicht zu dicht wachsende Hecken an oder in kleinen bis mittelgroßen Apfelanlagen integriert werden. Verschiedene Methoden zur Kontrolle von Beikräutern (reduziertes Mulchregime, Hacken versus Herbizide) sollten vergleichend untersucht werden, um Empfehlungen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf den Biodiversitätsschutz in Apfelanlagen, zu geben.

Insekten und Spinnentiere im Erwerbsobstbau: Potential und Möglichkeiten – Erkenntnisse aus Projekten 2016-2020

Doris Dannenmann

Technische Hochschule Bingen, Hermann-Hoepke-Technikum, Berlinstraße 109, 55411 Bingen am Rhein

Die Technische Hochschule Bingen untersucht seit 2016 in mehreren Projekten die Arthropodenfauna in Erwerbsobstanlagen mit unterschiedlichen Methoden (Klopfproben, je 100 Äste; fünf Boden- und eine Fensterfalle je Fläche). Es zeigten sich große Unterschiede der Fauna in Abhängigkeit von der Intensität der Bewirtschaftung, den Anlagenstrukturen (Baumgröße, -dichte, -alter und -zustand) und den Sonderstrukturen in und am Rand der Flächen. In den vier intensiv untersuchten Anlagen in Zornheim wurden zwischen 11.750 und 16.750 Arthropoden (junge, lichte Kirschanlage) aus 16 Großgruppen nachgewiesen, auf der parallel untersuchten Streuobstwiese (Referenzfläche) waren es 25.887 Tiere.

Obwohl die Gesamtindividuenzahl der intensiv bearbeiteten Apfelanlage ähnlich der Birnen- und Mirabellenanlage war, unterschied sich ihre Zusammensetzung stark. In der Apfelanlage sind die Ameisen mit 26,2 % und Ohrwürmer 13,7 %, in den anderen Anlagen mit maximal acht Prozent (Ameisen) bzw. zwei Prozent (Ohrwürmer) vertreten. Die Spinnen hingegen stellen nur drei Prozent der Tiere in der Apfelanlage, aber knapp 17 % der Individuen in der Kirschanlage. Nur fünf Prozent der Tiere der Apfelanlage sind Käfer, in der Kirschanlage sind es fast 10 % der Individuen. Dennoch wurden auf allen Flächen Käferarten der Roten Liste nachgewiesen.

Zur Einschätzung der Biodiversität wurde eine Bewertungsmethode erarbeitet. Hierin werden die für die Arthropodenfauna relevanten Parameter nach einem festgelegten System gemessen und bewertet (Dannenmann et al., 2020). Es zeigte sich eine hohe Korrelation zwischen den über die Bewertungsmethode vergebenen Punkten und den nachgewiesenen Arthropoden. Diese Methode ermöglicht neben der Bewertung auch eine Erkenntnis über vorhandene Einschränkungen und Aufwertungsmöglichkeiten. Die Methode wird 2020-2021 auf weiteren Flächen in drei Regionen in Rheinland-Pfalz überprüft.

Auch die 2018-2020 durchgeführten Untersuchungen zu Wildbienenpopulationen in Tafelobstanlagen ergaben ein hohes Potential, welches durch mangelnde Nist- und Nahrungsstrukturen beeinträchtigt wird. Die Wildbienen wurden mit Farbschalen und Sichtfang auf verschiedenen Flächen erfasst. Bisher wurden über 80 Arten bestimmt. Es traten vermehrt bodennistende Arten auf, da für überirdisch nistendende Arten die Strukturen häufig fehlen. Nisthilfen können hier eine Verbesserung darstellen, reichen aber nicht aus. Ebenso deutlich ist eine Verschiebung zu polylektischen Arten zu erkennen. Da sich das Nahrungsangebot häufig auf Fabaceaen (Trifolium) und Asteraceaen (Taraxacum) beschränkt, fehlt spezialisierten Wildbienen der Pollen anderer Pflanzenfamilien als Brutproviant. Für alle Bestäuber kommt erschwerend die Vernichtung jeglicher Nahrung in der Anlage durch Mahd vor Einsatz bienengefährlicher Mittel hinzu. Blütenbereiche am Rand sind ebenso wie überjährige Strukturen (Halme, Stängel) besonders wichtig.

Zur Förderung der Biodiversität von Arthropoden in Tafelobstanlagen sind passive (z. B. Belassen von Totholz in und am Rand der Anlage, Zulassen natürlicher Höhlenbildung, Verlängerung der Umtriebszeiten) und aktive Maßnahmen (Blühzonen in und am Rand der Anlage, Extensivierung des Mahdregimes, möglichst geringer PSM-Einsatz, Teilerneuerung abgängiger Anlagen, geeignete Nisthilfen) sinnvoll. Außerhalb der Anlagen ist der Erhalt und die Förderung unbefestigter Wege, großer Einzelbäume und das Verhindern weiteren Verbrachens von Obstanlagen zu empfehlen.

Veröffentlichungen zu den Projekten:

Dannenmann, D., E. Hietel, E., T. Wagner (im Druck): Maßnahmenvorschläge zur Erhöhung der Biodiversität von Arthropoden in Erwerbsobstanlagen. Erwerbs-Obstbau, Springer-Verlag.

Dannenmann, D., T. Wagner, 2020: Zur Käferfauna (Insecta: Coleoptera) integriert bewirtschafteter Erwerbsobstanlagen im Vergleich zu einer Streuobstwiese in Zornheim, Rheinhessen. Mainzer naturwissen. Archiv 57, 215-242. Mainz.

Dannenmann, D., E. Hietel, T. Wagner, 2020: Insekten in der Kulturlandschaft. Naturschutz und Landschaftsplanung. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.

Dannenmann, D., H. Günther, T. Wagner, 2019: Zur Wanzenfauna (Insecta: Heteroptera) konventionell genutzter Obstkulturen im Vergleich zu einer Streuobstwiese in Zornheim, Rheinhessen. Mainzer Naturwissenschaftliches Archiv 56, 249-258. Mainz.

Mehrjährige Blühstreifen zur natürlichen Schädlingskontrolle im Obstbau

Fabian Cahenzli

Pflanzenschutz – Entomologie & Agrarökologie, Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse 113, CH-5070 Frick

Obstanlagen haben, abgesehen von der Obstbaumblüte, oft ein tiefes Blütenangebot, was die Förderung natürlicher Gegenspieler von Schädlingen limitiert. Wir entwickelten mehrjährige, multifunktionale Blühstreifen mit einheimischen Pflanzenarten (Ökotypen und Wildformen) für die Einsaat in den Fahrgassen von Apfelanlagen. Die Mischung enthält 25 Kräuterarten zur Nützlingsförderung und sechs Grasarten zur Steigerung der Befahrbarkeit und zur Handhabung der Konkurrenz ausgehend von der angestammten Flora in Obstanlagen. Vor der Aussaat ist eine gute Saatbettbereitung (Unkrautkur, Bodenstruktur, Boden absetzen lassen) im Winter entscheidend. Die im April/Mai ausgesäten Lichtkeimer werden mit einer Walze angedrückt. Je nach Wüchsigkeit sind im Jahr der Aussaat vier (inkl. Säuberungsschnitt im Frühjahr), in den Folgejahren zwei bis drei alternierende Schnitte nötig (nach der Versamung der Pflanzen, nach der Sommertrockenheit/vor der Ernte, vor der Überwinterung). Dabei ist wichtig, dass die Schnitthöhe mit speziellen Mähmaschinen nicht 8-10 cm unterschreitet.

In einer internationalen Studie in biologisch bewirtschafteten Apfelanlagen in sieben europäischen Ländern, etablierten sich 74 % der angesäten Arten und die Diversität der Blühstreifen war durchschnittlich um 43 % höher im Vergleich zur angestammten Obstanlagenvegetation. Visuelle Kontrollen zeigten signifikant mehr blattlausfressende Schwebfliegen, Florfliegen und generalistische Räuber wie Blumen- und Weichwanzen und Spinnen auf den Apfelbäumen mit Blühstreifen in den Fahrgassen im Vergleich zu Kontrollbäumen. Die Anzahl der Nützlinge in den Kolonien der mehligen Apfelblattlaus Dysaphis plantaginea (Passerini) wurde durch die Blühstreifen ebenfalls gefördert. Entsprechend wurde das Wachstum der Blattlauskolonien im Frühjahr gebremst und der Blattlausschaden am Blattwerk und den Äpfeln zum Juni­fruchtfall um 24 % reduziert. Im vierten Jahr der Blühstreifen zeigte sich, dass je mehr generalistische Räuber im Frühjahr auf den Apfelbäumen vorkamen, desto schwächer war der Einfluss der Blattläuse auf den Schaden bei der Ernte.

Die Blühmischung und die Pflege der Blühstreifen werden laufend optimiert, die Wirkung auf die Kontrolle anderer Schädlinge untersucht und synergistische Effekte mit anderen Kontrollmethoden, wie beispielsweise die zusätzliche Freisetzung von Nützlingen, erforscht. Ein zusätzlicher Service der Steigerung der Bestäubungsleistung und eine erhöhte Schädlingskontrolle durch einen besser angepassten Pflanzenschutz könnten die noch nicht optimale Integration in der Praxis fördern. Mehrjährige Blühstreifen in den Fahrgassen von Obstanlagen bieten eine interessante Möglichkeit, die Biodiversität zu fördern und das System robuster gegen Obstschädlinge zu machen.

Vorkommen und Vielfalt spezifischer Gegenspieler im Apfelanbau in Abhängigkeit von Bewirtschaftung und Anbauregion

Annette Herz, Regina G. Kleespies, Dietrich Stephan

Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Biologischen Pflanzenschutz, Heinrichstr. 243, 64287 Darmstadt

Dauerkulturen wie der Kernobstanbau können auf Grund ihrer Mehrjährigkeit und ihrer oftmals landschaftsprägenden Ausdehnung die Ausbildung von stabilen Lebensgemeinschaften ermöglichen und je nach Nutzungsintensität die biologische Vielfalt beeinflussen. Vorkommen und Vielfalt spezifischer Gegenspieler im Apfelanbau wurden über vier Jahre (2015-2018) im Rahmen des BÖLN1-geförderten Projektes: “Demoapfel – Biologischer Pflanzenschutz als Ökosystemleistung im Apfelanbau“ ermittelt. Die Untersuchungen erfolgten auf Flächen unterschiedlich bewirtschafteter Praxisbetriebe (integriert, ökologisch, Most- und Streuobstwiesen) in drei Hauptanbauregionen Deutschlands (Bodensee, Kraichgau, Altes Land). Arthropoden in der Baumkrone sowie Parasitoide in der Krautschicht unterschieden sich in ihrer Häufigkeit von Region zu Region, wobei im Kraichgau die geringsten Bestände festgestellt wurden. Die Parasitica waren auf ökologisch und integriert bewirtschafteten Tafelobstanlagen ähnlich häufig, doch ihre Vielfalt war auf ökologischen Flächen signifikant höher. Auch bei den insektenpathogenen Pilzen war die Biodiversität in den untersuchten Böden bei den biologisch bewirtschafteten Flächen am höchsten, gefolgt von Streu/Most-Flächen und am geringsten bei den IP-Erwerbsobstflächen. Das Vorkommen und das Artenspektrum dieser Pilze variierte nicht zwischen den Jahreszeiten bzw. den Untersuchungsjahren. Allerdings zeigten sich deutliche regionale Unterschiede bezüglich des Artenspektrums, was eventuell durch Temperatureffekte erklärt werden kann. Die wichtigsten Parasitoide des Apfelwicklers (Cydia pomonella L.) traten dauerhaft in Biobetrieben auf und leisteten dort einen zwar niedrigen, doch regelmäßigen Beitrag zur Reduktion dieses Schädlings im Kernobstanbau. Auf ökologischen Flächen war die Parasitierungsrate mit durchschnittlich 12 % über die Untersuchungsjahre hinweg am stabilsten. Auf Extensivflächen war die Brackwespe Ascogaster quadridentata am häufigsten. Populationen dieser Art sind durch den Mangel ihrer Wirtsressource in Folge des Einsatzes hocheffizienter Insektizide oder auch inundativ ausgebrachter Antagonisten gegen den Zielschädling Apfelwickler in ihrer Bestandesentwicklung limitiert. In den Tafelobstanlagen dominierte die Ichneumonide Trichomma enecator. Vorhandene Parasitoide könnten durch Verbesserungen der Habitatbedingungen wie nektarführende Blühpflanzen sehr gut unterstützt werden, da diese Maßnahmen zur Lebensverlängerung und höherer Parasitierungsleistung führen. Das Mikrosporidium Nosema carpocapsae trat beim Apfelwickler in allen drei Untersuchungsgebieten und – jahren auf, im „Alten Land“ jedoch nur selten. Im „Kraichgau“ und der Region „Bodensee“ wurden die mit diesem Pathogen infizierten Apfelwicklerindividuen etwa gleich häufig diagnostiziert. Auffallend war dabei das regelmäßige Vorkommen in Streuobstgebieten, wobei im Durchschnitt 10 % der Apfelwickler infiziert waren. Dies zeigt, dass auch Mikroorganismen ständig zur Reduktion von Schädlingspopulationen beitragen. Bioobstanlagen und extensive Streu- und Mostobstflächen können höhere Dichten an Primärkonsumenten wie blattsaugende Arten und andere Herbivore aufweisen, die als Nahrungsquelle höherer trophischer Ebenen dienen. Insofern kann dazu angeregt werden, in intensiv bewirtschaftete Regionen auch andere Formen der Obstproduktion einzuführen, z. B. auch in Zusammenarbeit mit dem Naturschutz die Anlage von Streuobstwiesen voranzutreiben. Es gilt zu prüfen, inwieweit Parasitoide aus Extensivflächen in intensiver bewirtschaftete Obstanlagen in der Nähe einwandern, und ob ein diverses Mosaik aus Obstanlagen mit unterschiedlich intensiver Bewirtschaftung in den wichtigsten Obstbauregionen Deutschlands die Häufigkeit und Diversität ihrer typischen „Bewohner“ fördern kann. Gleichzeitig muss aber vermieden werden, dass sich das Schädlingsaufkommen dadurch verstärkt.

Das Projekt „Demoapfel“ wurde durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des 1Bundesprogrammes Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) gefördert (Förderkennzeichen: 2811NA017). Wir danken allen beteiligten Obstbauern und Projektmitarbeiter*innen für die hervorragende Zusammenarbeit.

Weinbau-Biodiversitätsforschung am Julius Kühn – Institut für Pflanzenschutz in Obst und Weinbau

Christoph Hoffmann

Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau, Geilweilerhof, 76833 Siebeldingen

In diesem Beitrag wurden sieben verschiedene Biodiversitätsprojekte aus dem Bereich Weinbau vorgestellt, die in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit dem Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau, dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel und dem Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut durchgeführt wurden.

Ein Teil der Projekte beschäftigt sich mit der Frage der Artenbiodiversität in Weinbergen in Abhängigkeit von Bewirtschaftung und Landschaftsumfeld. Mit genestetem Versuchs­aufbau wurde geprüft in wie fern Erziehungsformen wie Minimalschnitt, alternative Weinbergsgeometrien in Querterrassierung, neue pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWI), Begrünungsarten, Managementsysteme und das landschaftliche Umfeld der Weinberge deren Biodiversität verändern. Hier wurden erstmals neue Methoden wie z. B. Metabarcoding eingesetzt, um die Artenzahl unterschiedlicher Insektengruppen in den Weinbergen zu bestimmen. Anders als im Obstbau, wo im integrierten Anbau regelmäßig Insektizide eingesetzt werden, spielt das Management (Öko-/Konventionell), der Anbau von PIWIs und das Erziehungssystem im weitgehend insektizidfreien Weinbau eine geringe Rolle für die Artenvielfalt der Weinberge. Relevant für die Artenbiodiversität ist jedoch das landschaftliche Umfeld der beprobten Weinberge. So gibt es beispielsweise bei Hymenopteren eine hochsignifikante positive Korrelation zwischen dem Anteil naturnaher Habitate und der Artenzahl an Hymenopteren in der jeweiligen Fläche. Ebenso fanden sich in Steillagen bei Querterrassierung signifikant mehr Arten als in Weinbergen, die in Falllinie bepflanzt sind. Da Weinberge häufig in Natur- und Landschaftsschutzgebieten liegen, ist nicht nur die Artenzahl von Bedeutung, sondern auch das Vorkommen seltener Arten, die ihre Hauptvorkommen in Weinbergen haben. Ihr Schutz ist von besonderer Wichtigkeit.

Der andere Teil der vorgestellten Projekte beschäftigte sich mit der funktionalen Biodiversität. Die Frage dabei ist, wie die Lebensbedingungen von Nutzarthropoden wie Raubmilben, Parasitoiden und Prädatoren verbessert werden und damit deren Ökosystemdienstleistungen gesteigert werden können. So konnten mit Begrünungseinsaaten im Vergleich zu Spontanbegrünung keine höheren Raubmilbenzahlen sowie keine höheren Parasitierungsraten bei Traubenwicklereiern und -puppen festgestellt werden. Lediglich unspezifische Eiräuber, zu denen u. a. Ohrwürmer, Ameisen und Florfliegen gehören wurden durch die Begrünungseinsaaten gefördert. Langjährige Erfahrungen zeigten, dass die Steigerung der Schädlingskontrolle durch Habitatmanagement, auf regionaler Ebene mit einer gewissen Wirkungssicherheit funktionieren kann. Rezepte für landschaftsübergreifende Empfehlungen entbehren jedoch häufig der Wirkungssicherheit. Durch den Anbau von PIWIs, die wenige Fungizidbehandlungen erfahren, konnte der Grad an natürlicher Regulation von Schadorganismen verbessert werden. Beim Vergleich von ökologisch bewirtschafteten mit integriert bewirtschafteten Rebflächen schnitten die ökologisch bewirtschafteten hinsichtlich der Raubmilbenbesätze und der Prädationsraten bei Traubenwicklern signifikant schlechter ab, als die Flächen unter integrierter Bewirtschaftung. Anders als in vielen Obstbaustudien waren hier die untersuchten Weinberge auch im integrierten Anbau insektizidfrei. Von Landschaftsstrukturelementen wie Hecken können positive und negative Ökosystemdienstleistungen ausgehen. In einem Projekt konnte festgestellt werden, dass Hecken, in denen Brombeeren vorkommen, in ihrer Bedeutung als Ausgangspunkte für Fruchtbefall durch Kirschessigfliegen überschätzt wurden.

Die vorgestellten Arbeiten sollen als Ergänzung und mögliche Inspiration für die Forschungsplanung im Obstbau dienen.

Erklärung zu Interessenskonflikten

Die Autoren erklären, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

 

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ISSN (print): 1867-0911
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