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Journal für Kulturpflanzen, 75 (01-02). S. 37–42, 2023 | DOI: 10.5073/JfK.2023.01-02.04 | Bloem

Übersichtsarbeit
Elke Bloem

Erhaltung der Bodenqualität im peri-urbanen Raum

Protection of soil quality in the peri-urban space

Affiliation
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Braunschweig.
Kontaktanschrift
Dr. Elke Bloem, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Bundesallee 58, 38116 Braunschweig, E-Mail: elke.bloem@julius-kuehn.de
Der Autor/Die Autorin 2023
Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) zur Verfügung gestellt wird (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
 
Zur Veröffentlichung eingereicht/angenommen: 6. Juli 2022/9. Januar 2023

Zusammenfassung

Erst wenn Böden in ihrer Einzigartigkeit wahrgenommen werden, mit ihrer Vielzahl an wichtigen Funktionen für Menschen, Tiere und Pflanzen, erst dann wird die Schutzwürdigkeit dieser wichtigen Ressource erkannt werden. Im intra-urbanen und peri-urbanen Raum sind es insbesondere das hohe Ausmaß an Bodenversiegelung und Bodenkontamination sowie die Zerstörung des natürlichen Bodenprofils, die eine Bedrohung für den Boden und seine aktuelle „Qualität“ ausmachen. Die Einstufung der Bodenqualität sowie auch die Kenntnis über bereits gestörte oder kontaminierte Standorte, kann dazu beitragen, intakte Böden zu schonen und zu schützen und Böden entsprechend ihrer Ausgangsbedingungen zu nutzen. Ertragreiche Böden mit einer hohen Ackerzahl sollten nicht überbaut werden, wenn gleichzeitig gestörte Standorte zur Auswahl stehen. Die Bedeutung des Bodens in der zukünftigen intra-urbanen Landwirtschaft wird vermutlich untergeordnet sein, da sich viele Projekte im Stadtbereich wie Vertical Farming oder Indoor Farming mit Substraten umsetzen lassen. Dennoch ist es wichtig, ein Boden-Bewusstsein in der Gesellschaft zu verankern, da landwirtschaftliche Böden auch weiterhin die Grundlage unserer Versorgung mit Lebensmitteln und Rohstoffen darstellen und als Kohlenstoffspeicher eine signifikante Rolle in der Klimadebatte spielen.

Stichwörter

Bodenfunktionen, Bodenkarten, Bodenschutz, Reichs­bodenschätzung, intra- und peri-urbane Böden

Abstract

It is necessary to recognize soils in their singularity and with their multiplicity of important ecosystem functions for humans as well as for animals and plants that soils will be recognized as important resource that need to be protected from degradation and disturbance. Soils in the intra- and peri-urban space are threaten to an extremely high extend by soil sealing and contamination as well as disturbance of the natural soil profile, which affects soil quality and soil functioning. Knowledge about different soil qualities in a certain area and about already degraded or disturbed sites can help to protect intact soils and to use soils according to their potential as a plant site or production field. Soils with a high yield potential and with a high rating should not be sealed when degraded sites are available as well. The meaning of natural soils when it comes to intra-urban agriculture will be presumably low as projects like Vertical Farming or Indoor Farming will be realized by using substrates instead of soils. Nevertheless, it is important to develop a high awareness in the community for the meaning and biodiversity of soils as agricultural soils will be the basis for future food and feed production as well as production of renewable resources. Last but not least, soils are an important part in combating high CO2 in the atmosphere with their potentially high carbon stocks.

Keywords

Soil evaluation, soil functions, soil maps, soil protection, intra- and peri-urban soils

Einleitung

Stadtentwicklung hat sich über die Jahrhunderte dahingehend verändert, dass der Stadtkern nach außen zunehmend in den ländlichen Raum übergeht und die Grenze zwischen städtischem und ländlichem Raum nicht mehr scharf zu ziehen ist. Vororte wachsen mit Städten zusammen, Industrie- und Gewerbebetriebe ebenso wie kommunale Infrastrukturen finden sich am Stadtrand, und seit den 1990er Jahren haben sich in vielen größeren Städten verstärkt auch Einkaufs- und Fachmärkte im Stadtrandgebieten angesiedelt, was immer auch einen Ausbau der Infrastruktur zur Folge hat. Durch diese Entwicklungen konnte sich der peri-urbane Raum als Schnittstelle zwischen dem intra-urbanen und ländlichen Raum entwickeln (Definition siehe Feldmann et al., 2023). Besondere Charakteristika dieses Raumes sind eine gemischte Landnutzung (ländliche und städtische), hybride Nutzungsformen, die Erwartung kommender Entwicklungen wie z. B. die Spekulation auf Bauland, eine kontinuierliche Veränderung von produktiver zu postproduktiver Landnutzung und damit verbundene Konflikte wie etwa schwach entwickelte Infrastrukturen.

Für den Boden im peri-urbanen Raum bedeutet dies zumeist umfangreiche Versiegelung, Bautätigkeiten und oftmals die (Zer)Störung des natürlichen Lebensraums „Boden“. Per Definition ist Boden die an der Erdoberfläche entstandene mit Luft, Wasser und Lebewesen durchsetzte Verwitterungsschicht aus mineralischen und organischen Substanzen, die sich unter Einwirkung von Umweltfaktoren gebildet hat und die höheren Pflanzen als Standort dient und somit die Lebensgrundlage für Mensch und Tier repräsentiert (Schachtschabel et al., 1998). Das Zitat des Verhaltensforschers Konrad Lorenz „Man liebt nur, was man kennt und man schützt nur, was man liebt“ verdeutlicht, welches Problem hinsichtlich der Erhaltung der Bodenqualität im peri-urbanen Raum besteht: Auch heute noch ist das Bewusstsein für den Boden, die Kenntnis über seine Funktionen und seine biologische Vielfalt zu gering, als dass die Notwendigkeit, Böden in ihrer Struktur und Funktion zu schützen, erkannt wird. Viel zu oft wird auch heute noch der Boden vorrangig als Untergrund, Baugrund oder Fläche gesehen, nicht aber in seiner spezifischen Lebensraum- und Biotopfunktion. Böden weisen wie alle ökologischen Systeme eine hohe Vielfalt auf und unterschiedliche Bodentypen sind in ganz unterschiedlichem Maße befähigt, die verschiedenen Bodenfunktionen zu erfüllen, die im Folgenden aufgezeigt werden, oder einen Ertrag zu generieren. Stadtböden, auch als Technosole bezeichnet, stellen einen eigenen heterogenen Bodentyp dar, der sich unter starkem anthropogenen Einfluss z. B. aus umgelagerten Bestandteilen, Bau oder Trümmerschutt, Müll, Schlacken und Schlämmen entwickelt hat und häufig ein Zeitzeugnis der Siedlungsgeschichte wiederspiegeln kann. Diese Begrifflichkeiten gilt es zu unterscheiden, wenn in diesem Beitrag von intra-urbanen oder peri-urbanen Böden die Rede ist.

Der folgende Beitrag soll zum einen die Bodenfunktionen im Hinblick auf die landwirtschaftliche Produktionsfähigkeit eines Bodens beleuchten und zum anderen Ansätze aufzeigen, wie die Bodenqualität im peri-urbanen Raum wahrgenommen und geschützt werden kann.

Bodenfunktionen, die die Bodenqualität hinsichtlich der landwirtschaftlichen Produktionsfähigkeit bestimmen

Die landwirtschaftliche Produktionsfähigkeit eines Standortes hängt von verschiedenen Faktoren ab wie diversen Bodenfaktoren, den klimatischen Gegebenheiten mit der Verfügbarkeit von Wasser und Nährstoffen, der Fruchtfolge und Bodenbewirtschaftung sowie dem orts- und jahresspezifischen Druck durch Pathogene und Schädlinge. Zu den wichtigsten Bodenparametern im Hinblick auf die Produktionsfähigkeit zählen die Bodentextur und Bodenstruktur, der Gehalt an organischer Substanz, die Tiefgründigkeit des Bodens und die Bodenreaktion (Finck, 1991). Tiefgründige Böden, die reich an organischer Substanz sind und ein gutes Bodengefüge bei näherungsweise neutraler Bodenreaktion aufweisen, sind in der Lage, die wichtigsten Bodenfunktionen wie die Lebensraumfunktion für Bodenlebewesen und Pilze, die Filter- und Schadstoffbindung, die Nährstoffnachlieferung, die Infiltrationsfunktion und Wasserspeicherung als auch die Funktion als Pflanzenstandort optimal zu erfüllen. Im Boden hängen alle Funktionen voneinander ab und eine Störung des Bodens löst häufig eine Kettenreaktion aus (Abb. 1).

Abb. 1. Bodenfunktionen, die über die Produktivität eines Standortes bestimmen.

Abb. 1. Bodenfunktionen, die über die Produktivität eines Standortes bestimmen.

Ab- und Umbau von organischer Substanz wie Laubfall und Kot kann nur stattfinden, wenn der Boden ausreichend belebt ist und die Bodenorganismen gute Lebensbedingungen vorfinden, wozu das richtige Verhältnis von Luft zu Wasser und Bodenmatrix zählen. Ein gutes Krümelgefüge stellt sicher, dass ausreichend luftführende Poren im Boden vorliegen, zugleich sind die Bodenorganismen durch die sogenannte „Lebendverbauung“, wobei organische und mineralische Bestandteile durch Aufnahme und Ausscheidung miteinander verkittet werden, und Wurzeln mit ihren Ausscheidungen maßgeblich an der Gefügebildung beteiligt. Ein gutes Krümelgefüge stellt zudem sicher, dass Wasser in den Boden infiltrieren kann und dass größere Mengen an Wasser im Boden gespeichert werden können. Zu einer Störung der Bodenfunktionen kommt es zum Beispiel durch Bodenverdichtung, die im Extremfall einer Bodenversiegelung gleichkommen kann. Durch Verdichtung werden luftführenden Poren zerstört und die Bodenorganismen werden in ihrer Aktivität gestört. Wasser kann nicht mehr infiltrieren und es kommt im Extremfall zum Oberflächenabfluss. So kann eine Störung, die auf den ersten Blick nicht schwerwiegend erscheint, das System Boden nachhaltig negativ beeinflussen.

Die Biomasse im Boden bestehend aus Mikroorganismen (Pilzen, Bakterien und Actinomyceten) und Tieren wie Nematoden, Milben, Collembolen, Diplopoden, Regenwürmern und Arthropoden sowie deren Biodiversität ist unvorstellbar hoch was im Hinblick auf Mikroorganismen erst durch die modernen Techniken der Gensequenzierung zunehmend aufgedeckt wird. So können sich in einem m2 landwirtschaftlichen Bodens bis zu 1000 Spezies finden mit einer Populationsdichten von 106/m2 für Nematoden, 105/m2 für Mikroarthropoden und 104/m2 für andere wirbellose Tiere. Ein Gramm Boden enthält mehr als 1000 Pilzhyphen und bis zu 1 Millionen oder mehr bakterielle Kolonien (Swift & Anderson, 1993; Altieri, 1999). Diese lebendige Masse im Boden, das Edaphon, setzt in einer Kaskade von Reaktionen organische Substanzen wie Kot und Pflanzenreste um, angefangen mit dem Zerkleinern durch Destruenten über die Lebendverbauung durch Regenwürmer bis hin zu den mikrobiellen Umsetzungsprozessen, bei denen Nährstoffe wieder für die Pflanze verwertbar freigesetzt werden. Es sind die Bodenorganismen, die den Kreislauf des Lebens schließen und schon Aristoteles bezeichnete den Boden als „Magen und Darm der Pflanzen“. Sind die natürlichen Rotteprozesse gestört kommt es zu Fäulnis. Ein humoser nährstoffreicher Boden ist die Grundlage für eine ertragreiche Pflanzenproduktion. Die Realität ist schon heute, dass ein Drittel der Weiden und ein Viertel des Ackerlandes weltweit zunehmend degradiert sind (Botanikus, 2022), weil die Bodenhumusgehalte abnehmen und die damit verknüpften Funktionen wie die Lebensraumfunktion und das Wasserhalte- und Infiltrationsvermögen zunehmend schlechter werden, was sich bereits heute in zunehmenden Extremen wie Überschwemmungsereignissen oder Trockenheit zeigt.

Im peri-urbanen Raum sind es vor allem die Bodenversiegelung und Bodenverdichtung, die zu einem dauerhaften Verlust wertvoller Böden führt, eine Situation die durch Wind- und Wassererosion noch verschärft werden kann.

Welche Faktoren bedrohen im peri-urbanen Raum die Bodenqualität?

Die wohl gravierendsten Folgen für den Boden resultieren aus Bautätigkeiten wie Straßen- und Siedlungsbau, dem Verlegen von Leitungen und Rohren, wobei der natürliche Bodenaufbau zerstört wird und Boden vielfach versiegelt oder verdichtet wird. Oberboden wird dabei als Mutterboden aufgehäuft und später wieder an gleicher oder anderer Stelle verbaut. Ein natürliches Bodengefüge stellt sich erst über längere Zeiträume wieder ein. Im peri-urbanen Raum finden sich Siedlungsformen, wo Einfamilienhaussiedlungen direkt an landwirtschaftliche Flächen angrenzen, wo Autohäuser, Einkaufszentren und Reiterhöfe in unmittelbarer Nachbarschaft von Waldflächen liegen, durchschnitten von Straßen, Autobahnen und Bahntrassen (Petersson et al., 2018). Kommunale Infrastrukturen wie Kläranlagen und Abfalldeponien finden sich Seite an Seite mit landwirtschaftlichen Flächen und solchen für die lokale Lebensmittelproduktion. Dies kann für die Produktion durchaus förderlich sein, z. B. kann die Abwasserverregnung ein wichtiger Baustein für die landwirtschaftliche Produktionsfähigkeit auf trockenen, sandigen Standorten sein. Potentiell können sich auf diesem Pfad aber auch Schadstoffe aus dem Abwasser im Boden anreichern. So haben mehr als 110 Jahre Abwasserverregnung in Berlin zu einer oberflächennahen Anreicherung von Phosphor und organischem Kohlenstoff im Boden geführt, sowie zu einer signifikanten Erhöhung der Gehalte an Schwermetallen (Cd, Cu, Ni, Pb, Sn und Zn), der Edelmetalle Silber und Gold (Lottermoser, 2012) sowie von PAKs, PCBs und DDT (Bechmann & Grunewald, 1995). Urbanes Abwasser stellt neben punktuellen Quellen wie der herstellenden Industrie, Krankenhausabwässern sowie der Landwirtschaft und Aquakultur, die lokale Hotspots darstellen können, global den wichtigsten Eintrittspfad für Humanpharmazeutika in Böden dar (der Beek et al., 2016). Intra-urbane Böden weisen weitere Schadstoffe auf wie Schmierstoffe und Reifenabrieb, die von Straßen in die Randbereiche eingetragen werden, wo im Winter noch hohe Konzentrationen an Streusalzen hinzukommen. Luftgetragene Schadstoffe wie Abgase und Stäube können sich auf und in sämtlichen intra-urbanen und peri-urbanen Böden finden.

Die peri-urbane Landwirtschaft ist geprägt von kleingliedrigen Flächen, auf denen z. B. lokale Produkte wie Erdbeeren oder Spargel produziert werden. Unter hohem Aufwand werden durch Einbringen von Folien die Verunkrautung aber auch Verschmutzung der Früchte (z. B. Erdbeeren) oder das schnellere und ertragreichere Wachstum wie beim Spargel gefördert. Dies führt allerdings auch zu einer Belastung der Böden und der Umwelt mit Plastik, dessen ökologische Auswirkungen auf den Boden noch nahezu ungeklärt sind. Folien auf dem Boden verändern das Mikroklima im Boden und die resultierende Temperaturerhöhung führt zu einer Veränderung der mikrobiellen Gemeinschaft (Yao et al., 2020). Mikroplastikbestandteile im Boden stehen im Verdacht, unterschiedliche Bodenfunktionen zu beeinträchtigen wie den Abbau der organischen Substanz, die Bildung von Bodenaggregaten und es gibt Hinweise, dass das Transportverhalten von Schadstoffen, die an Mikroplastik gebunden werden, sich erhöhen kann (Yu et al., 2022), wobei hier noch viele Forschungsfragen offen sind.

Im peri-urbanen Raum finden wir aufgrund der intensiven Nutzung auf kleiner Fläche wie etwa bei Erdbeere und Spargel aber auch in Kleingärten und Hausgärten einen vergleichsweise hohen Eintrag an Nährstoffen. Nährstoffüberschüsse wiederum gefährden angrenzende Gewässer und Ökosysteme, wirken sich aber auch direkt auf Bodenorganismen aus. Insbesondere die Phosphor- und Magnesiumversorgung deutscher Gartenböden ist hoch bis extrem hoch, was zum einen auf die unkontrollierte Anwendung von Kompost sowie auf eine Düngung ohne vorherige Bedarfsermittlung zurückzuführen ist (Grantzau, 2008). Auch Tierhaltung im peri-urbanen Raum findet häufig auf kleiner Fläche statt wie zum Beispiel bei freilaufenden Hühnern und Pferden, durch deren Exkremente ebenfalls ein Nährstoffeintrag in die Fläche wie auch in Vorfluter erfolgen kann. In Kleingärten werden Agrochemikalien nahezu unkontrolliert verwendet, so dass in diesem Sektor Nährstoffüberschüsse aber auch hohe Pestizid- und Herbizideinsätze nicht auszuschließen sind. So kann der Pestizideinsatz in privaten Gärten und Sportanlagen laut BUND (2022) erheblich sein und jährlich werden über 500 Tonnen Pestizide in deutschen Gärten verteilt, ohne dass es eine behördliche Kontrolle dieser Anwendungen gibt. Sport­rasen werden intensiv mit Fungiziden behandelt, die sogar im Verdacht stehen neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson auszulösen (Welt, 2019).

Letztlich finden wir im peri-urbanen Raum also viele Probleme, die wir auch in der konventionellen Landwirtschaft vorfinden, nur können die Probleme teilweise unentdeckt bleiben, da in der privaten Grauzone weit weniger gesetzliche Vorgaben und Kontrollen greifen.

Wege aus dem Dilemma: Wie lässt sich der Boden im peri-urbanen Raum schützen?

Ist ein Boden erst degeneriert oder gestört, so ist der Schaden zumeist irreversibel oder die Gegenmaßnahmen benötigen lange Regenerationszeiten. Ökosystemare Wechselwirkungen sind auch heute mitunter noch unbekannt, so dass Schäden nicht immer kalkulierbar sind. Wie bereits dargelegt sind Einflussmöglichkeiten im privaten Sektor beschränkt und entziehen sich der Stadtplanung weitestgehend. An dieser Stelle kann nur durch rechtliche Vorgaben, was die Gestaltung von Grünflächen oder den Einsatz von Herbiziden im Privatsektor betrifft, Einfluss genommen werden. Aufklärungsarbeit ist wichtig, die die Vorteile einer bodenschonenden Gartengestaltung in den Vordergrund rücken sollte. Letztlich ist ein Schutz des Bodens, wenn auch nur in Teilen, nur durch die Erarbeitung langfristiger Nutzungskonzepte für den peri-urbanen Raum möglich. Als Planungs- und Entscheidungsgrundlage können dabei Bodenkarten dienen, die die Bodenqualität mitunter kleinräumig abbilden. Frei verfügbare gesamtdeutsche Kartenwerke stellen die BÜK200 und die BÜK1000 dar, wo Kriterien wie Gründigkeit, Bodenart, Wasserverhältnisse, Ausgangsgestein (Substrat) sowie Leitbodentypen beschrieben sind (Hartwich et al., 1998). Diese Karten mit einem Maßstab von 1:200.000 bzw. 1:1.000.000 sind allerdings nicht hochauflösend genug, um konkret für Flächen Informationen zu sammeln. Die Reichsbodenschätzung, die ab 1934 auf Basis des Bodenschätzungsgesetzes im Raster von 50 × 50 m durchgeführt wurde, stellt dagegen einen Meilenstein in der kleinräumigen Erfassung von Bodenparametern und ertragsbestimmenden Faktoren dar. Erfasst wurden verschiedene Bodenparameter wie die Bodenart, die Boden­entstehung sowie die Zustandsstufe, die in einer Bodenzahl zusammengefasst wurden, die Auskunft über die Bodengüte gibt. Die zusätzliche Klassifizierung des Klimas und der Wasserverhältnisse mündete dann in der Ackerzahl, die direkt das Ertragspotential eines Standortes wiederspiegelt. Dieses Vorgehen wurde sowohl für Acker- wie Grünlandstandorte definiert und durchgeführt (Anon, 2009). Auch wenn diese Bodenkartierung mittlerweile mehr als 70 Jahre alt ist, liefert sie auch heute noch gute Hinweise auf kleinräumige Bodenunterschiede. Die Daten wurden von den einzelnen Bundesländern unterschiedlich aufwändig digital aufgearbeitet und stehen in einigen Bundesländern wie z. B. Niedersachsen in hervorragender Qualität zur direkten Nutzung zur Verfügung (NIBIS, 2022; siehe auch Abb. 2). Wie in Abbildung 2 beispielhaft gezeigt, lassen sich flächenspezifische Informationen direkt erfassen.

Abb. 2. Nutzung verfügbarer Datenquellen zur vergleichenden Flächenerhebung als Entscheidungsgrundlage für langfristige Bodenkonzepte unter Berücksichtigung der Bodenqualität. (Kartenquelle NIBIS, 2022: https://nibis.lbeg.de/cardomap3/).

Abb. 2. Nutzung verfügbarer Datenquellen zur vergleichenden Flächenerhebung als Entscheidungsgrundlage für langfristige Bodenkonzepte unter Berücksichtigung der Bodenqualität. (Kartenquelle NIBIS, 2022: https://nibis.lbeg.de/cardomap3/).

Die Bodenzustandserhebung, die von 2011-2018 in einem Raster von 8 × 8 km durchgeführt wurde, stellt die aktuellste bodenkundliche Erhebung dar (Flessa et al., 2019), die aber nicht annäherungsweise an die Auflösung der Bodenschätzung herankommt. Wünschenswert wäre die kombinierte Nutzung der verfügbaren Datenquellen zusammen mit Satellitenaufnahmen, um die Daten der Reichsbodenschätzung soweit zu aktualisieren, wie es nach derzeitigem Stand möglich ist.

Im intra-urbanen und peri-urbanen Raum sollte zusätzlich, soweit vorhanden, auf Datenmaterial zur Nutzung zurückgegriffen werden wie etwa Schadstoff- oder Altlastenkataster oder auch die Kenntnis der vorangegangenen Nutzung. Ehemalige Nutzungsformen lassen bereits Rückschlüsse auf mögliche Schadstoffe und mögliche Probleme zu. So finden sich im Erdreich ehemaliger Tankstellen häufig Altlasten wie Öl- und Kraftstoffreste (eine Mischung aus aliphatischen, verzweigten, zyklischen sowie aromatischen Kohlenwasserstoffen) (Mariano et al., 2007), ehemalige Bahngleise weisen erhöhte Herbizid- und Schwermetallgehalte auf (Gabersek & Gosar, 2018; Staszewski et al., 2015) und ehemalige Mülldeponien, die in der Vergangenheit nur wenig abgedichtet waren, können eine Vielzahl möglicher Schadstoffe enthalten, die bei Undichtigkeit ins Grundwasser freigesetzt werden können (Kerndorff et al., 2008). Generell finden sich in größeren Städten häufig erhöhte Schadstoffgehalte: in Cuba wurden erhöhte Gehalte an PAKs und PCBs in öffentlichen Bereichen insbesondere in der Nähe zu Straßen, Bahngleisen und innerstädtischen Industrien gemessen (Sosa et al., 2019). Eine Untersuchung der intra-urbanen Geochemie in Berlin ergab erhöhte Gehalte an Mo, Ni, As, Ag, Cr, Sb, Fe, Mn, Mg, P und insbesondere Pb und Hg im Vergleich zum geogenen Hintergrund: besonders auffällig erhöhte Werte fanden sich in der Nähe von Industriestandorten, vor allem der Stahlindustrie, aber auch in der Nähe von Kläranlagen (Birke & Rauch, 2000). Nutzungsformen wie die Abwasserverregnung können hochkontaminierte Standorte zurücklassen, die letztlich nur unter hohem Aufwand wieder rekultiviert werden können, wie am Beispiel von Berlin gezeigt werden konnte (Wessolek et al., 2018). Da über lange Zeiträume angereicherte organische Schadstoffe häufig im Boden an der organischen Substanz gebunden vorliegen, sollten zudem auf kontaminierten Standorten Maßnahmen vermieden werden, die den Abbau der organischen Substanz fördern, da dies die Freisetzung der Schadstoffe nach sich zöge (Bechmann & Grunewald, 1995).

Flächen mit nachweislich hoher Kontamination sollten von einer möglichen landwirtschaftlichen Nutzung ausgenommen werden. Generell finden sich im intra-urbanen Bereich häufig stark gestörte Böden, wie Schotterböden oder sogenannte Ruderalstandorte, die sich auch über längere Zeiträume nicht in ertragreiche Böden wandeln lassen, die aber nichts desto trotz eigene Ökosysteme mit einer einzigartigen Flora und Fauna darstellen können. Im intra-urbanen Bereich wird man häufiger auf Substrate oder Zukauf von Mutterboden angewiesen sein, wenn eine Pflanzenproduktion „Indoor“ oder auf gestörten Standorten realisiert werden soll. Ökotoxikologische Verfahren bieten sich dabei an, um möglicherweise belastete Standorte mit einfachen Verfahren zu identifizieren (Heiden et al., 2000).

Erklärung zu Interessenskonflikten

Die Autorin erklärt, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

Literatur

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