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Journal für Kulturpflanzen, 75 (03-04). S. 123, 2023 | Personalien

Personalien
Ulrich Köpke

Nachruf für Professor Dr. Wolfgang Böhm, Göttingen

Affiliation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Organischen Landbau, Bonn.

Als Kriegskind 1937 geboren, war Wolfgang Böhm nach Abschluss der Mittleren Reife 1953 zunächst als Chemielaborant bei Riedel de Haen in Hannover tätig. Später erlangte er die Hochschulreife und nahm im Jahr 1965 an der Universität Göttingen ein umfängliches Studium der Naturwissenschaften mit dem Hauptfach Geographie auf. Seine Staatsexamens­prüfung schloss er mit einer wissenschaftlichen Arbeit über den Göttinger Geographen Hermann Wagner ab und begann im Jahre 1970 unverzüglich mit einem Zweitstudium an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Georgia Augusta. Hier beeindruckten ihn die didaktischen Fähigkeiten des Bodenkundlers Brunk Meyer. Gleichwohl führte ihn sein weiterer Werdegang an das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung. Dort schloss er bei Kord Baeumer schon 1973 seine Dissertation über Phosphordüngung und Wurzelwachstum von Getreide im System der Direktsaat ab und hatte für die Folgejahre mit der Wurzelökologie sein Hauptforschungsgebiet gefunden.

Der amerikanische Wurzelforscher Howard Taylor berichtete einmal anerkennend über die sowohl hohe als auch entspannte Intensität mit der sich Böhm der Wurzelforschung während seines Forschungsaufenthalts an der Iowa State University widmete. Wochentags im Felde – die Arbeiten mit erstklassigen Dias dokumentierend – vertiefte sich Böhm an den Wochenenden in der Bibliothek ins Studium der internationalen Wurzelliteratur. Mit zahlreichen Fotokopien begründete er sein Göttinger Wurzelarchiv, das interessierten Kollegen neben seiner persönlichen Expertise vielgenutzter Quellort wurde. Mit dem so vorbereiteten 1979 erstmals erschienenen Standardwerk Methods of Studying Root Systems bestimmte er die Wurzelökologie weltweit, war Kopf einer damals international führenden Arbeitsgruppe zur Wurzelforschung am Göttinger Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung. Diese führte er mit zurückhaltender Autorität. Selbstlos förderte er Graduierte und Mitarbeitende, immer bereit für jede ihm mögliche Unterstützung, für freimütigen Dialog und freilassendem Rat. Über despektierliche Äußerungen, dass man ‚einen richtigen Wissenschaftler am weißen Kittel erkennen‘ könne, war er erhaben. Er trug ihn oft, auch in Lehrveranstaltungen – eine Gewohnheit, die wohl dem Lebensabschnitt als Chemielaborant geschuldet war, die er aber auch mit dem von ihm verehrten Senior Prof. Dr. Arnold Scheibe gemein hatte. Ihm assistierte Böhm lange Zeit bei der Herausgabe der Zeitschrift für Acker- und Pflanzenbau.

Nach seiner Habilitation 1980, nur zehn Jahre nach Beginn seines Landwirtschaftsstudiums, wurde Böhm 1985 zum außerplanmäßigen Professor ernannt und wechselte – für sein kollegiales Umfeld zunächst durchaus irritierend – sein Forschungsgebiet. Fortan arbeitete er intensiv und unbeirrt zur Wissenschaftsgeschichte des Landwirtschaftlichen Pflanzenbaus. Daraus resultierte ein zweites Hauptwerk seines Schaffens: Ein umfängliches ‚Biografisches Handbuch zur Geschichte des Pflanzenbaus‘ erschien 1997. Das vielgenutzte Werk versammelt die verdichteten Biografien und Lebensleistungen von 669 Persönlichkeiten des deutschsprachigen Kulturraums; eine immense Leistung, detailliert vor- und nachbereitet durch zahlreiche Publikationen über Leben und Werk bedeutender Pflanzenbauwissenschaftler und die Wissenschaftsgeschichte des Landwirtschaftlichen Pflanzenbaus. Es gibt wohl niemanden, der eine umfassendere Übersicht zur Geschichte des Landwirtschaftlichen Pflanzenbaus im deutschsprachigen Raum, seine Repräsentanten, ihr Denken und ihr Wirken hatte. So ausgewiesen war Böhm auch der bestgeeignete Leiter des ‚Arbeitskreises für Wissenschaftsgeschichte des Pflanzenbaus‘ in der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften, den er von 1991-2005 führte.

Wolfgang Böhm war in der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften also mit mehreren Hauptwurzeln verankert. Umso mehr schmerzte es ihn wohl, dass seine wiederholten wohlbegründeten Zurufe zum Wissenschaftsverständnis des Landwirtschaftlichen Pflanzenbaus und zur treffgenauen Namensänderung der Gesellschaft ungehört verhallten. Da mag er als Freund klassischer Dichtkunst Trost in der Lyrik gefunden haben. Einige bibliophil gestaltete Bände mit Werken von Eichendorff, Goethe und Mörike gab er im Eigenverlag heraus.

Wir schauen dankbar auf den Lebensgang eines Kollegen, der durch beharrliches, aber dennoch gelassenes, unverkrampftes Verfolgen einmal gefasster Ziele, mutigen Wechsel von Arbeits- und Forschungsinhalten, Treue zur Arbeit, dienendes, selbstloses Zu-Arbeiten, waches Interesse am Anderen, Sozialkompetenz, Bescheidenheit und die gepflegte Kultur des klassischen per-Brief-Kommunizierens geprägt war.

Am 30. September 2022 verstarb Prof. Dr. Wolfgang Böhm, ehemaliger Hochschullehrer für Pflanzenbau an der Georg-August-Universität Göttingen im 85. Lebensjahr.

 

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