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Journal für Kulturpflanzen, 75 (09-10). S. 259–268, 2023 | DOI: 10.5073/JfK.2023.09-10.04 | Fürstenau

Kurzmitteilung
Benjamin FürstenauORCID-icon

Früherkennung von vorratsschädlichen Insekten im Lager und auf dem Feld in Deutschland

Early detection of stored-product pest insects in grain storage and in the field in Germany

Affiliation
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Berlin.
Kontaktanschrift
Dr. Benjamin Fürstenau, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Königin-Luise-Straße 19, 14195 Berlin, E-Mail: benjamin.fuerstenau@julius-kuehn.de
Der Autor/Die Autorin 2023
Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) zur Verfügung gestellt wird (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
 
Zur Veröffentlichung eingereicht/angenommen: 2. Mai 2023/18. September 2023

Zusammenfassung

Eine erfolgreiche Früherkennung von Vorratsschädlingen beginnt schon im Freiland und stellt einen zukünftigen und wichtigen Weg des Pflanzenschutzes gegen Schadinsekten dar. Derzeit gibt es allerdings nur wenige Zahlen über das Vorkommen und die Verbreitung von vorratsschädlichen Insekten in Deutschland und über die von ihnen verursachten Schäden an pflanzlichen Nachernteprodukten. Sowohl einheimische/bereits etablierte Arten als auch neue Arten, die durch Handel und Tourismus eingeschleppt werden oder aufgrund der Erwärmung in Folge des Klimawandels auf natürliche Weise einwandern, stellen eine Bedrohung dar. Ziel dieser Pilotstudie war es, Konzepte und Methoden zur Erhebung von Daten über das Auftreten vorratsschädlicher Insekten in Deutschland zu testen. Zu diesem Zweck wurde von 2020 bis 2022 ein Monitoring auf vier landwirtschaftlichen Betrieben, davon drei Ökobetriebe, durchgeführt. Innerhalb und außerhalb der Getreideläger wurden verschiedene mit Lockstoffen versehene Fallen aufgestellt, die monatlich kontrolliert und im Labor ausgewertet wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass neben einer großen Anzahl typischer Vorratsschädlinge innerhalb der Läger (z. B. Getreideplattkäfer Oryzaephilus surinamensis oder Dörrobstmotte Plodia interpunctella), einige Insekten auch in den Fallen auf den an die Läger angrenzenden Getreideanbauflächen gefangen wurden. Darunter waren verschiedene Mottenarten und der Getreidekapuziner Rhyzopertha dominica. Die hier gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für das im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms 2022 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanzierte und im November 2022 gestartete dreijährige Forschungsvorhaben AVoiD (Abwehr von Vorratsschädlingen in Deutschland). Dabei werden die hier publizierten Erfahrungen in einem entsprechenden Monitoring von Vorratsschädlingen an bundesweit verteilten Standorten umgesetzt.

Stichwörter

Früherkennung, Insektenfallen, Klimawandel, Monitoring, Pheromone, Rhyzopertha dominica, Semiochemikalien, Vorratsschutz

Abstract

A successful early detection of storage pests already begins in the field and represents a future and important way of plant protection against insect pests. Currently, however, there are few data on the occurrence and distribution of stored-product pest insects in Germany and on the damage they cause to postharvest plant products. Not only established, but also species newly introduced by trade and tourism or expanding naturally due to warming in the course of climate change pose a threat. The objective of this pilot study was to test concepts and methods for collecting data on the incidence of stored-product pests. To this end, a monitoring was carried out from 2020-22 on four farms, three of which were organic. Various semiochemical-baited traps were set up inside and outside grain stores, which were checked monthly and evaluated in the laboratory. The results show that in addition to a large number of pest species inside storages (e.g. sawtoothed grain beetle Oryzaephilus surinamensis or Indianmeal moth Plodia interpunctella), some insects, including different moth species and the lesser grain borer Rhyzopertha dominica, were caught in traps outside, near the adjacent grain fields. The findings obtained here form the basis for the three-year research project AVoiD (Abwehr von Vorratsschädlingen in Deutschland – preventing stored product pests in Germany), which is funded by the Federal Ministry of Food and Agriculture (BMEL) as part of the German Climate Protection Programme 2022 and started in November 2022. In this project, among other things, locations throughout Germany will be sampled and the knowledge published here implemented.

Keywords

climate change, early detection, insect traps, monitoring, pheromones, Rhyzopertha dominica, semiochemicals, stored-product protection

Einleitung

Auf dem Feld, nach der Ernte sowie vor der Verarbeitung und dem Verkauf im Handel müssen lagerfähige pflanzliche Erzeugnisse vor Befall durch Schadorganismen geschützt werden. Damit ist der Vorratsschutz ein wichtiger Faktor entlang der Wertschöpfungskette. Neben physikalischen Einflüssen wie Hitze oder Feuchtigkeit sind biologische Elemente wie Nagetiere, Vögel, Milben, Pilze, Mikroorganismen und vor allem Insekten die größten Bedrohungen für Vorratsgüter (Hagstrum & Phillips, 2017; Hubert et al., 2018). Fraßschäden an und Kontamination von gelagerten Produkten, z. B. durch Kot, chemische Ausscheidungen und Körperteile der Schad­erreger sowie als Sekundärbefall gebildete Schimmelpilze und die Produktion von Mykotoxinen führen zu quantitativen Verlusten, Verderb oder Qualitätsminderung und stellen ein potentielles Gesundheitsrisiko für Mensch und Tier dar (Hagstrum et al., 2012; Stejskal et al., 2014). Die durch Insekten verursachten Nachernteverluste werden weltweit auf 5–10 % geschätzt und erreichen in tropischen Gebieten oder Entwicklungsländern 20–40 % (Kumar & Kalita, 2017; Fürstenau & Kroos, 2020). Somit tragen Vorratsschädlinge erheblich zu den weltweiten Nahrungsmittelverlusten bei, die von der FAO auf mehr als eine Milliarde Tonnen pro Jahr geschätzt werden (Gustavsson et al., 2011; Nayak & Daglish, 2018). Aufgrund von Extremwetterereignissen und steigenden Temperaturen in Folge des Klimawandels besteht auch in Deutschland die Gefahr, dass es häufiger zu Ernteausfällen kommt, was die Erntemengen verringern und die Produktpreise erhöhen könnte. Ungleiche Ernten verlangen eine verstärkte Vorratshaltung. Daher ist die Reduzierung und im besten Fall Vermeidung von Schädlingsbefall an Nachernteprodukten durch optimierte Lagerung, effektive Früherkennung und umweltfreundliche Bekämpfung der Schadorganismen von entscheidender Bedeutung für die Ernährungssicherheit und oberstes Ziel des integrierten Vorratsschutzes.

In Deutschland gibt es immer noch sehr wenige Daten über das Auftreten und die Verbreitung von vorratsschädlichen Insekten und die von ihnen verursachten Schäden (Schöller, 2013). Dies liegt zum einen daran, dass es bisher keine flächendeckenden und abgestimmten Befallserhebungen gibt und zum anderen, dass viele Landwirte oder Lagerhalter Schädlingsbefall an ihren gelagerten pflanzlichen Erzeugnissen und die daraus resultierenden Verluste nur selten dokumentieren oder offenlegen. Das Fehlen dieser Informationen erschwert sowohl die Verbesserung bestehender als auch die Entwicklung neuer Verfahren zum Schutz von Vorratsgütern und zur Verringerung von Nachernteverlusten, wodurch z. B. treibhausgasrelevante Emissionen verderbender Vorräte sowie der Einsatz von Pestiziden reduziert werden könnten. Nicht nur einheimische oder bereits etablierte Arten, sondern auch neue Schadorganismen, die auf natürliche Weise einwandern oder durch Handel und Tourismus eingeschleppt werden, stellen hierzulande eine Gefahr dar. Darüber hinaus können wärmeliebende nicht-einheimische Getreideschädlinge aufgrund der Klimaerwärmung nordwärts wandern (Adler et al., 2022). Die beiden Rüsselkäferarten Sitophilus oryzae (Reiskäfer) und S. zeamais (Maiskäfer) (Coleoptera: Curculionidae), der Getreidekapuziner Rhyzopertha dominica (Coleoptera: Bostrichidae) oder die Getreidemotte Sitotroga cerealella (Lepidoptera: Gelechiidae) sind potentielle Kandidaten, um sich zunehmend in Deutschland zu etablieren (Müller-Blenkle et al., 2018). Auch die Ausbreitung des Khaprakäfers Trogoderma granarium (Coleoptera: Dermestidae), einer der wichtigsten invasiven Schädlinge weltweit, in Richtung Norden ist zu befürchten (Adler et al., 2022). Durch höhere Jahresmitteltemperaturen infolge des Klimawandels werden sich zudem die Entwicklungsbedingungen für vorratsschädliche Insekten in Richtung Optimum (25–38°C) verschieben, sodass der Schädlingsdruck im Lager und im Feld zunimmt.

Beim Stichwort "globale Erwärmung" denkt man eigentlich nicht sofort an Vorratsschädlinge, da im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass Vorratsschädlinge in Lägern auftreten, wo sie vor äußeren Witterungseinflüssen geschützt sind. In der Vergangenheit herrschte deshalb die Ansicht vor, dass sich diese Schadorganismen nur in einer warmen oder beheizten, vom Menschen geschaffenen Umgebung entwickeln können, nicht aber außerhalb davon, was wiederum ihre Verbreitung in kälteren Klimazonen einschränken kann. Aus diesem Grund gab es in Deutschland bisher nur wenige Bemühungen, ihr Vorkommen im Freiland zu überprüfen oder ein Feldmonitoring aufzubauen, so dass das natürliche Auftreten von Vorratsschädlingen außerhalb von Lägern oft unbekannt ist. Vermutlich haben sich vorratsschädliche Insekten ursprünglich aus Arten entwickelt, die sich von Wildpflanzen auf dem Feld ernährten (Wolgemuth et al., 1987). Die Zucht und der Anbau von Kulturpflanzen, das damit verbundene reichhaltige Nahrungsangebot und die Vorratshaltung des Menschen schufen neue Lebensräume, die einige Insektenarten eroberten, die sich von lagerfähigen pflanzlichen Produkten ernähren konnten, wahrscheinlich aufgrund von Präadaptationen, die ein Überleben im Lager ermöglichten. Steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit und die daraus resultierenden günstigen Entwicklungsbedingungen außerhalb von Lägern sowie eine frühere Abreife, z. B. von Getreide, führen jetzt dazu, dass es auch in Deutschland öfter bereits im Feld zu Befall mit Vorratsschädlingen kommen kann, wie es in tropischen und subtropischen Gegenden der Normalfall ist (Adler et al., 2021b).

Entgegen der generellen Auffassung treten Vorratsschädlinge auch in Europa im Freiland auf. So findet man verschiedene Arten in Süd- und Mitteleuropa, wo sie aktiv nach neuen Lebensräumen suchen (Adler et al., 2022). Wolgemuth et al. (1987) konnten das Vorkommen vorratsschädlicher Motten außerhalb von Lägern und lebensmittelverarbeitenden Betrieben in Deutschland schon Ende der 1980er Jahre belegen. In einer anderen Studie wurde die Möglichkeit der Überwinterung vorratsschädlicher Insekten im Inneren von Stapelstrohdiemen auf dem Feld untersucht (Bahr et al., 1995). Neben dem kälteempfindlichen Reiskäfer S. oryzae und dem Tropischen Schimmelkäfer Ahasverus advena (Coleoptera: Silvanidae) wurden in mit Weizen beköderten Lauf- und Flugfallen, die in und neben der Strohdieme aufgestellt worden waren, im Frühjahr auch Imagines des Robtbraunen Leistenkopfplattkäfers Cryptolestes ferrugineus (Coleoptera: Laemophloeidae) und des Getreideplattkäfers Oryzaephilus surinamensis (Coleoptera: Silvanidae) gefunden.

Um schwere Schäden durch Eintrag vorratsschädlicher Insekten aus dem Feld in das Lager zu verhindern, bedarf es einer gezielten Abwehr bei der Einlagerung. Durch ein umfassendes und fortschrittliches Monitoring von vorratsschädlichen Insekten als vorbeugende Maßnahme im Anbau, in der Lagerung und im Handel zum Schutz der Pflanzengesundheit kann der Befall von Nachernteprodukten sowie ein mögliches Auftreten neuer Vorratsschädlinge frühzeitig erkannt und nachhaltig bekämpft werden. Auf diese Weise könnte die Ausbreitung von Schadorganismen unterbunden und damit längerfristig auch die Anwendung von umwelt- und klimaschädlichen Pflanzenschutzmitteln im Vorratsschutz reduziert werden. Daher müssen bestehende Strategien zur Früherkennung von Vorratsschädlingen bzw. zur Vermeidung ihrer Ein-/Verschleppung mit Hilfe neuer Techniken (z. B. modifizierte Fallensysteme, wirksame Lockstoffformulierungen, innovative Detektoren und KI) überprüft und effizienter gemacht werden. Dies wiederum würde einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Pflanzenschutzes gegen Schad­insekten und zur Erhaltung der Ernährungssicherheit und damit indirekt zum Klimaschutz leisten.

Ziel dieses Pilotprojekts war es, Konzepte und Methoden zur Sammlung von Daten über das Vorkommen und die Verbreitung vorratsschädlicher Insekten in Deutschland zu testen und weiterzuentwickeln, um eine Grundlage für Folgestudien zum Thema Früherkennung von Vorratsschädlingen zu schaffen. Dafür wurde ein Monitoring auf vier landwirtschaftlichen Betrieben an unterschiedlichen Standorten im östlichen Teil Deutschlands aufgebaut. Verschiedene mit Lockstoffen (Semiochemikalien) beköderte Fallen wurden im Lager und am Rand von angrenzenden Getreideanbauflächen aufgestellt und getestet, um das Vorkommen von vorratsschädlichen Insekten innerhalb, aber vor allem außerhalb der Lagereinrichtungen auf dem Feld zu bestimmen.

Material und Methoden

Experimenteller Aufbau

Das Monitoring wurde 2020 auf drei getreidelagernden/-produzierenden ökologischen Betrieben in Brandenburg und Sachsen (Standorte 1-3) gestartet. 2021 kam ein weiterer Betrieb in Sachsen-Anhalt hinzu (Standort 4) und Standort 3 wurde nicht mehr beprobt. Im Jahr 2022 wurde das Monitoring nur noch an den Standorten 1 und 2 fortgeführt. Zur Früh­erkennung und Überwachung von Vorratsschädlingsbefall wurden verschiedene mit Lockstoffen beköderte Fallentypen für fliegende und laufende Insekten verwendet (Abb. 1). Die Fallen wurden jeweils (i) im Freiland, am Rand angrenzender Getreideanbauflächen, (ii) im Eingangsbereich der Lagerhallen (intermedia) und (iii) innerhalb der Läger aufgestellt (Abb. 3). Die Entfernung zwischen Feld und Getreidelager betrug auf allen Betrieben etwa 50–75 m. Die Versuche wurden im 1. Versuchsjahr aufgrund der Corona-Pandemie erst Mitte Juni gestartet, in den Folgejahren jedoch bereits Ende April/Anfang Mai, um möglichst den gesamten Zeitraum des Insektenflugs abzudecken. Im November wurden die Versuche beendet und abgebaut.

Abb. 1. Schematischer Aufbau des Fallensystems für das Monitoring vorratsschädlicher Insekten im Freiland am Rand von Getreideanbauflächen. Verwendete Fallen für fliegende Insekten (A) Trichterfalle, und für laufende Insekten (B) Lagermonitor und (C) DomeTrap (Pd: Pheromondisenser, Gl: Glyzerin, Et: Ethanol, Dl:  Datalogger, Fk: Fraßköder). Die Bilder der Weizenähren und Grasbüschel wurden mit freundlicher Genehmigung des Integrations- und Anwendungsnetzwerks (ian.umces.edu/media-library) zur Verfügung gestellt.

Abb. 1. Schematischer Aufbau des Fallensystems für das Monitoring vorratsschädlicher Insekten im Freiland am Rand von Getreideanbauflächen. Verwendete Fallen für fliegende Insekten (A) Trichterfalle, und für laufende Insekten (B) Lagermonitor und (C) DomeTrap (Pd: Pheromondisenser, Gl: Glyzerin, Et: Ethanol, Dl: Datalogger, Fk: Fraßköder). Die Bilder der Weizenähren und Grasbüschel wurden mit freundlicher Genehmigung des Integrations- und Anwendungsnetzwerks (ian.umces.edu/media-library) zur Verfügung gestellt.

Abb. 3. Luftaufnahme vom Aufbau der Fallensysteme auf Standort 2 (i) außerhalb am Feldrand, (ii) im Eingangsbereich (intermedia) und (iii) innerhalb des Getreidelagers. Quelle (bearbeitet): Maps Data: Google, Bilder ©2020 CNES/Airbus, GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies, Kartendaten ©2020 GeoBasis-DE/BKG (©2009): Zugriff: 22. Juli 2020

Abb. 3. Luftaufnahme vom Aufbau der Fallensysteme auf Standort 2 (i) außerhalb am Feldrand, (ii) im Eingangsbereich (intermedia) und (iii) innerhalb des Getreidelagers. Quelle (bearbeitet): Maps Data: Google, Bilder ©2020 CNES/Airbus, GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies, Kartendaten ©2020 GeoBasis-DE/BKG (©2009): Zugriff: 22. Juli 2020

Fallensysteme und Lockstoffe

Alle Fallen, Pheromon- und Futterköder wurden von der Biologische Beratung GmbH (Berlin, Deutschland) bezogen. In den drei Versuchsjahren wurden für fliegende Insekten grüne Trichterfallen verwendet (Abb. 1A), die mit 500 ml einer Mischung aus Glyzerin und Ethanol (1:2) befüllt wurden, um gefangene Insekten abzutöten und für weitere Analysen zu konservieren. Als Lockstoffe dienten zwei kommerziell erhältliche Pheromondispenser, welche sich in einem kleinen Körbchen unter dem Fallendeckel befanden. Hierbei handelte es sich um das weibliche Sexualpheromon von Lebensmittelmotten aus der Familie der Zünsler (Pyralidae) (Z,E)-9,12-Tetradecadienylacetat (TDA) sowie das weibliche Sexualpheromon der Kornmotte Nemapogon granella (Lepidoptera: Tineidae) (Z,Z)-3,13-Octadecadienylacetat. Angebracht wurden die Fallen in einer Höhe von ca. 1,5 m. Im Feld wurde dafür ein Holzpfahl am Ackerrand in den Boden geschlagen (Abb. 1).

Als Bodenfalle I haben wir von 2020 bis 2022 einen sogenannten BIp-Lagermonitor (Biologische Beratung GmbH, Berlin, Deutschland), eine Fallenbox mit Fraßköder (Abb. 1B), eingesetzt. Bei dem Fraßköder handelte es sich um eine mit trockenen Pflanzenprodukten versehene Ködertasche aus insektendurchlässiger Gaze. Nachweislich lockt der Futterköderbeutel eine Vielzahl von Insekten an, die Lagerprodukte befallen, wie z. B. den Brotkäfer Stegobium paniceum (Coleoptera: Ptinidae), verschiedene Arten der Gattung Tribolium (Coleoptera: Tenebrionidae), den Kornkäfer Sitophilus granarius (Coleoptera: Curculionidae), und Lebensmittelmotten (www.biologische-beratung.de). Zum Schutz vor Nagetieren befand sich Drahtgaze vor der Ködertasche. Datenlogger, welche unter den Deckeln der Fallen im Freiland und innerhalb der Läger angebracht wurden, zeichneten während des gesamten Versuchs Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf.

Im letzten Versuchsjahr (2022) wurde als weiterer Bodenfallentyp (Bodenfalle II), eine sogenannte Storgard Dome Trap (Trécé Incorporated, Adair, Oklahoma, USA) eingesetzt (Abb. 1C), die mit Pheromondispensern von drei vorratsschädlichen Käfern bestückt wurde. Hierbei handelte es sich um das Sexualpheromon des Tabakkäfers Lasioderma serricorne (Coleoptera: Ptinidae) (=Serricornin) und um die Aggregationspheromone von T. granarium (=Trogodermal) und R. dominica (=Dominicalure). Als zusätzlicher Lockstoff wurden je drei Tropfen eines kommerziell erhältlichen Kairomons, bestehend aus Weizenkeimöl (Trécé Incorporated, Adair, Oklahoma, USA), auf ein rundes Filterpapier auf dem Fallenboden gegeben.

Fallenkontrolle

Alle vier Wochen wurden die Fallen kontrolliert. Die Fangflüssigkeit mit den angelockten Insekten aus der Trichterfalle wurde in eine leere Flaschen gegossen und neue Flüssigkeit wurde nachgefüllt. Die gefangenen Insekten (lebend und tot) aus den Bodenfallen, der Futterköderbeutel (Bodenfalle I) sowie das Filterpapier mit Weizenkeimöl (Bodenfalle II) wurden in Schraubdeckelgläser überführt und neues Material wurde in die Fallen nachgelegt. Die Pheromondispenser wurden alle zwei Monate ausgetauscht. Die anschließende Auswertung der Fänge anhand morphologischer Merkmale fand im Labor statt. Nach der Bestimmung wurden die vorratsschädlichen Insekten für etwaige spätere Untersuchungen in einem Ethanol-Glyzerin-Gemisch aufbewahrt. Die Köderbeutel aus Bodenfalle I wurden im Labor geöffnet und zuerst auf lebendige und tote Insekten untersucht. Im Anschluss wurden die trockenen Pflanzenprodukte aus den Köderbeuteln in Gläser gefüllt und mehrere Wochen in einer Klimakammer bei 25±1°C und 65±5 % r. L. aufbewahrt. Hiermit wurde die Entwicklung von Eiern, die von angelockten Schadinsekten abgelegt worden waren und das Schlüpfen von adulten Tieren der Folgegeneration (F1 und F2) überprüft.

Ergebnisse und Diskussion

Im Laufe der dreijährigen Pilot-Monitoringstudie auf vier landwirtschaftlichen Betrieben wurden mit den verwendeten Fallentypen und Lockstoffen verschiedene Vorratsschädlinge gefangen, darunter vier Mottenarten, 10 Käferarten und Staubläuse (Psocoptera), die alle zuvor aus Deutschland bekannt waren (Tab. 1). Wie zu erwarten war, wurden mit der Trichterfalle größtenteils Motten und mit den beiden Bodenfallen Käfer angelockt. Insgesamt waren in den verschiedenen Fallen 3.404 Exemplare, hauptsächliche adulte Insekten aber auch vereinzelt Larven (Tab. 2). Davon bildeten den größten Anteil Staubläuse (2.008 Ex.), die jedoch nicht bestimmt wurden und auch nicht weiter ausgewertet werden, Dörrobstmotten Plodia interpunctella (Lepidoptera: Pyralidae) (614 Ex.), Speichermotten Ephestia elutella (Lepidoptera: Pyralidae) (473 Ex.) und Getreidekapuziner R. dominica (114 Ex.) (Tab. 1). Weltweit ist die Dörrobstmotte wahrscheinlich die wichtigste Schadmotte in der lebensmittelverarbeitenden Industrie (Adler et al., 2021a). Während die Versuchsstandorte 1 und 2 in allen drei Versuchsjahren beprobt wurden, gab es an den Standorten 3 und 4 keine Wiederholungen und es konnten nur Daten für 2020 bzw. 2021 erhoben werden, weshalb ein Vergleich zwischen den Betrieben sowie die Überprüfung eines möglichen Einflusses regionaler Unterschiede auf das Vorkommen und die Verbreitung von Vorratsschädlingen nicht möglich war. Außerdem konnten die Proben an Standort 3 im September und Oktober 2020 nicht ausgewertet werden, da die Fallen einmal von Unbekannten geleert und das andere Mal Corona-bedingt nicht kontrolliert werden konnten. Allerdings lässt sich beobachten, dass in den Betrieben 1 und 2 im Jahr 2022 auffallend mehr Insekten im Freiland gefangen wurden als in den anderen Versuchsjahren, was auf einen möglichen Einfluss klimatischer Bedingungen hinweisen könnte, wobei die Datalogger-Aufzeichnungen von Temperatur und Luftfeuchte keine eindeutigen Ergebnisse diesbezüglich lieferten. Dies sowie regionale Einflüsse auf das Auftreten von Vorratsschädlingen müssten im Rahmen des AVoiD-Projektes anhand von umfassenden Umwelt-/Wetterdaten und mit Hilfe der größeren Anzahl von Testbetrieben, die über ganz Deutschland verteilt sind, noch weiter untersucht werden. Ein weiterer Grund für die Unterschiede könnte sein, dass 2022 ein zusätzlicher, mit Pheromonen ausgestatteter, Bodenfallentyp (Bodenfalle II) eingesetzt wurde, der eine große Anzahl vorratsschädlicher Käfer gefangen hat.

Tab. 1. Gesamtzahl der während des Monitorings von 2020 bis 2022 auf vier Standorten in Deutschland gefangenen Arten vorrastschädlicher Insekten und Individuen pro Art (A: adulte Insekten; L: Larven, wenn beide Stadien gefangen wurden. Bei allen anderen Exemplaren handelt es sich um Imagines der jeweiligen Arten).

Ordnung

#

Gefangene Arten

Gesamt

Lepidoptera

1

Plodia interpunctella (Pyralidae) – Dörrobstmotte

614

2

Ephestia kuehniella (Pyralidae) – Mehlmotte

31

3

Ephestia elutella (Pyralidae) – Speichermotte

473

4

Nemapogon granella (Tineidae) – Kornmotte

12

Coleoptera

1

Ahasverus advena (Sylvanidae) – Tropischer Schimmelplattkäfer

37

2

Anthrenus sp. (Dermestidae) – Teppichkäfer

1

3

Cryptolestes ferrugineus (Laemophloeidae) – Leistenkopfplattkäfer A

9

 

Cryptolestes ferrugineus L

1

4

(Cryptophagidae) – Schimmelkäfer

7

5

Dermestes sp. (Dermestidae) – Speckkäfer A

5

 

Dermestes sp. L

16

6

Oryzaephilus surinamensis (Silvanidae) – Getreideplattkäfer

47

7

Rhyzopertha dominica (Bostrichidae) – Getreidekapuziner A

114

 

Rhyzopertha dominica L

4

8

Sitophilus granarius (Curculionidae) – Kornkäfer

10

9

Stegobium paniceum (Ptinidae) – Brotkäfer

13

10

Trogoderma sp. (Dermestidae) – Speckkäfer

2

Andere

1

Psocoptera – Staubläuse

2.008

Tab. 2. Fänge vorratsschädlicher Insekten mit Lockstofffalen (Trichterfalle, Bodenfalle I: Lagermonitor und Bodenfalle II: DomeTrap), die von 2020 bis 2022 auf vier getreidelagernden/-verarbeitenden Betrieben (Standorte 1–4) in Deutschland (i) außerhalb am Feldrand, (ii) im Eingangsbereich der Läger (Intermedia) und (iii) innerhalb der Getreideläger aufgestellt waren (A: adulte Insekten; L: Larven, wenn beide Stadien gefangen wurden. Bei allen anderen Exemplaren handelt es sich um Imagines der jeweiligen Arten; F1: nach 10-12 Wochen in Klimakammer geschlüpfte Insekten der F1-Generation; F2: nach 16 Wochen in Klimakammer geschlüpfte Insekten der F2-Generation).

Ort

Fallentyp

Gefangene
Schädlingsarten

Standort 1

Standort 2

Standort 3

Standort 4

Gesamt

2020

2021

2022

2020

2021

2022

2020

2021

(i) Außerhalb

Trichterfalle

Plodia interpunctella

 

3

1

 

 

1

11

 

16

Ephestia kuehniella

 

 

2

 

 

5

 

1

8

Ephestia elutella

1

 

4

 

 

5

 

1

11

Nemapogon granella

 

 

 

 

7

 

 

 

7

Ahasverus advena

 

 

 

 

 

2

 

 

2

Cryptolestes
ferrugineus
A

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Cryptophagidae

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Oryzaephilus
surinamensis

 

 

1

 

 

 

 

 

1

Rhyzopertha
dominica
A

 

 

2

 

 

8

 

 

10

Psocoptera

 

 

58

 

 

8

 

 

66

Bodenfalle I

Ahasverus advena

 

 

 

 

 

28

 

 

28

Cryptolestes
ferrugineus
A

 

 

2

1

 

 

 

2

5

Cryptolestes
ferrugineus
L

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Cryptophagidae

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Dermestes sp. A

 

 

2

 

 

1

 

 

3

Dermestes sp. L

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Oryzaephilus surinamensis

 

 

13

1

 

1

 

2

17

Rhyzopertha
dominica
A

 

 

7

 

 

19

 

 

26

Rhyzopertha
dominica
L

 

 

4

 

 

 

 

 

4

nach 12 Wochen (F1)

 

 

 

250

 

 

 

 

250

Sitophilus granarius

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Stegobium paniceum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

nach 12 Wochen (F1)

 

 

 

2

 

 

 

 

2

Psocoptera

1

13

3

 

15

42

 

17

91

Bodenfalle II

Ahasverus advena

 

 

 

 

 

3

 

 

3

Cryptophagidae

 

 

 

 

 

2

 

 

2

Dermestes sp. A

 

 

 

 

 

2

 

 

2

Dermestes sp. L

 

 

 

 

 

13

 

 

13

Rhyzopertha
dominica
A

 

 

32

 

 

26

 

 

58

Trogoderma sp.

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Sitophilus granarius

 

 

9

 

 

 

 

 

9

Psocoptera

 

 

1

 

 

9

 

 

10

(i) Summe gefangener Insekten außerhalb
(Adulte + Larven)

2

16

141

2

22

182

11

23

399

(ii) Intermedia

Trichterfalle

Plodia interpunctella

52

1

7

6

 

1

75

8

150

Ephestia kuehniella

 

 

10

 

 

1

 

 

11

Ephestia elutella

10

10

6

 

 

4

7

 

37

Ahasverus advena

 

 

1

 

 

 

 

 

1

Cryptolestes
ferrugineus
A

 

 

1

 

 

1

 

 

2

Oryzaephilus
surinamensis

 

 

 

 

 

 

 

2

2

Trogoderma sp.

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Psocoptera

7

 

44

 

 

58

 

 

109

Bodenfalle I

Plodia interpunctella

1

 

 

3

 

 

 

 

4

Ephestia elutella

5

 

 

 

 

 

 

 

5

Dermestes sp. L

 

 

1

 

 

 

 

 

1

Oryzaephilus
surinamensis

 

 

 

1

1

 

4

 

6

nach 12 Wochen (F1)

 

 

 

675

 

 

 

 

675

Rhyzopertha
dominica
A

 

1

1

 

 

 

 

 

2

nach 10 Wochen (F1)

 

48

 

 

 

 

 

 

48

nach 16 Wochen (F2)

 

200

 

 

 

 

 

 

200

Psocoptera

13

182

100

 

12

71

 

8

386

(ii) Summe gefangener Insekten intermedia
(Adulte + Larven)

88

194

71

10

13

137

86

18

717

(iii) Innerhalb

Trichterfalle

Plodia interpunctella

112

14

18

52

1

1

238

6

442

Ephestia kuehniella

 

 

12

 

 

 

 

 

12

Ephestia elutella

183

16

25

15

6

4

171

 

420

Nemapogon granella

 

 

2

 

3

 

 

 

5

Ahasverus advena

 

 

 

 

1

1

 

 

2

Psocoptera

90

 

152

 

14

11

5

322

594

Bodenfalle I

Plodia interpunctella

 

 

 

1

 

 

1

 

2

Anthrenus sp.

 

 

 

 

 

 

 

1

1

Cryptolestes
ferrugineus
A

 

 

 

 

 

 

 

1

1

Oryzaephilus
surinamensis

 

4

3

2

 

3

 

7

19

nach 12 Wochen (F1)

 

 

 

400

93

 

 

328

821

Rhyzopertha
dominica
A

 

 

1

 

 

1

 

 

2

Stegobium paniceum

2

 

 

 

 

9

 

 

11

nach 12 Wochen (F1)

22

 

 

 

 

 

 

 

22

Psocoptera

33

63

70

 

2

14

 

385

567

Bodenfalle II

Ahasverus advena

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Cryptophagidae

 

 

3

 

 

 

 

 

3

Dermestes sp. L

 

 

 

 

 

1

 

 

1

Oryzaephilus
surinamensis

 

 

1

 

 

1

 

 

2

Rhyzopertha
dominica
A

 

 

8

 

 

8

 

 

16

Stegobium paniceum

 

 

2

 

 

 

 

 

2

Psocoptera

 

 

161

 

 

24

 

 

185

(iii) Summe gefangener Insekten innerhalb
(Adulte + Larven)

420

97

458

70

27

79

415

722

2.288

Gesamtzahl der gefangenen Insekten (i-iii)

510

307

770

82

62

398

512

763

3.404

Die meisten Insekten wurden innerhalb (2.288 Ex.) und am Eingang (intermedia) der Getreideläger (717 Ex.) angelockt (Tab. 2). An allen Standorten konnten wir jedoch auch Vorratsschädlinge in den Fallen am Feldrand der Getreideanbauflächen finden (399 Ex.). Den größten Teil bildeten hier Psocoptera, Zünslermotten und Getreidekapuziner, die an den Standorten 1 und 2 gefangen wurden (Tab. 2). In Bodenfalle I wurden neben Imagines und Larvalstadien offensichtlich auch Eier von Vorratsschädlingen gesammelt. Dies spiegelt sich in der großen Anzahl von Getreideplattkäfern O. surinamensis (1.496 Ex.) und Getreidekapuzinern R. dominica (500 Ex.) wider, die in den Zuchtgläsern mit den Futterködern gefunden wurden, die 10–16 Wochen lang in einer Klimakammer aufbewahrt worden waren (Tab. 2). Das verdeutlicht, dass adulte Käfer der beiden Arten von den trockenen Pflanzenprodukten in den Köderbeuteln angelockt wurden, ihre Eier darauf ablegten und sich die Nachkommen (F1-/F2-Generation) erfolgreich entwickeln konnten. Von diesen Ergebnissen lässt sich jedoch nicht ableiten, wie viele Käfer tatsächlich die Fallen aufgesucht haben bzw. im Habitat vorkamen, da gravide Weibchen von O. surinamensis und R. dominica zwischen 150 und 350 Eiern lose in das Nahrungssubstrat legen können (Adler et al., 2021a).

Insbesondere das Vorkommen von R. dominica auf dem Feld an Standort 1 und 2 ist von großem In­te­res­se, da es sich bei dieser Art um ein Kosmopoliten der tropischen und sub­tropischen Länder handelt, der in Deutschland synathrop in Getreidelägern und Warenvorräten (und nicht im Freiland) vorkommend bekannt war (Niehuis, 2021). In Polen konnte R. dominica bereits vor einigen Jahren im Freiland zusammen mit anderen Vorratskäferarten gefunden werden (Klejdysz & Nawrot, 2010). Aber auch in Deutschland wurde R. dominica schon auf Feldern und in Wäldern beobachtet (Niehuis, 2021). Aus den USA ist bekannt, dass sich R. dominica während des Sommers entlang bewaldeter Flussläufe von Süden nach Norden ausbreitet (Campbell et al., 2006). Zur Bewertung der Ausbreitungsfähigkeit adulter R. dominica wurden Wiederfangstudien mit markierten Käfern im Feld durchgeführt. Dafür wurden Segmenttrichterfallen in verschiedenen Abständen vom Startpunkt platziert. Die durchschnittliche Distanz der wiedergefangenen Käfer betrug ca. 380 m und reichte bis zur maximalen Fallendistanz von 1.000 m. Einige Käfer wurden auch in Klebefallen gefangen, die in einer Entfernung von bis zu 3,6 km vom Freilassungsort aufgestellt waren. Darüber hinaus ist R. dominica in der Lage, sich in beschädigten Eicheln verschiedener Eichenarten zu vermehren und zu entwickeln (Jia et al., 2008). Interessanterweise standen im vorliegenden Versuch am Feldrand von Standort 2, wo die Bodenfallen aufgestellt worden waren und in denen wir R. dominica Adulte fanden, mehrere Stieleichen (Quercus robur L.) (Abb. 2 und 3). Es ist zu vermuten, dass die im Freiland angelockten Käfer aus beschädigten Eicheln geschlüpft sind. Da dies noch zu überprüfen ist, sind Untersuchungen der an diesem Standort gesammelten Eicheln geplant, um die Herkunft und mögliche Entwicklung von R. dominica zu ermitteln.

Abb. 2. Fallensystem bestehend aus Trichterfalle, Bodenfalle I und II für das Monitoring vorratsschädlicher Insekten am Rand eines Roggenfelds auf Standort 2 neben/unter Robinien und Stieleichen.

Abb. 2. Fallensystem bestehend aus Trichterfalle, Bodenfalle I und II für das Monitoring vorratsschädlicher Insekten am Rand eines Roggenfelds auf Standort 2 neben/unter Robinien und Stieleichen.

Die Ergebnisse zeigen, dass einige Vorratsschädlinge, wie der genannte Getreidekapuziner, bei günstigen Bedingungen im Freiland vorkommen und wahrscheinlich außerhalb von Lagereinrichtungen in Deutschland überwintern können. Neben den zuvor beschriebenen Eicheln oder Strohdiemen/-ballen auf dem Feld (Bahr et al., 1995), könnten die Insekten möglicherweise auch Bauten von Feldmäusen und Hamstern, in denen die Nager Stroh und Körner eingelagert haben, zur Überwinterung nutzen (Adler et al., 2022). Das Auftreten von Vorratsschädlingen außerhalb der Läger stellt in jedem Fall eine zusätzliche Bedrohung für die eingelagerten pflanzlichen Erzeugnisse und möglicherweise auch für die Kulturen auf dem Feld dar. Daher ist es wichtig das Monitoring von vorratsschädlichen Insekten im Freiland fortzuführen und auszubauen, um ihr Vorkommen oder einen Befall im Feld frühzeitig zu erkennen und schnellstmöglich geeignete (Gegen-)Maßnahmen zu ergreifen (= Verteidigung im Feld), bevor sie sich weiterverbreiten und naheliegende Läger befallen können. Eventuell könnten mit Hilfe des Monitorings auch die Überwinterungsorte der Insekten im Freiland identifiziert und anschließend beseitigt werden, um die Entwicklung und eine Ausbreitung der Schädlinge direkt zu verhindern.

Um eine erfolgreiche Anwendung in der Praxis zu gewährleisten, ist es unerlässlich, zukünftig weitere Labor- und Freilandversuche durchzuführen, in denen verschiedene Fallensysteme und Lockstoffformulierungen (Kombinationen von Pheromonen) vertiefend auf ihre Fängigkeit bzw. Attraktivität getestet und weiterentwickelt werden. Dazu zählen neben den in der vorliegenden Studie verwendeten drei Fallentypen (Trichterfalle, Lagermonitor und DomeTrap) und Lockstoffen, die die Erwartungen erfüllten und sowohl im Lager als auch im Freiland effektiv verschiedene Vorratsschädlinge gefangen haben, auch noch weitere kommerziell erhältliche Pheromone und Fallen (z. B. Klebe-, Licht-, Saug- und unterschiedliche Barberfallen), mit denen eventuell noch andere Schädlingsarten nachgewiesen werden können. Darüber hinaus muss die Evaluierung neuer Methoden der Schädlingsfrüherkennung, die den Einsatz automatisierter Systeme und KI einschließen, vorangetrieben werden. In den letzten Jahren wurden bereits mehrere Studien zur Fernüberwachung und Früherkennung von Vorratsschädlingen mit Hilfe der Bioakustik (Müller-Blenkle et al., 2022) sowie Kamerafallen, KI und „Deep Learning“ durchgeführt (Feston et al., 2022). Des Weiteren muss in Zukunft enger mit den Pflanzenschutzdiensten der Bundesländer in Deutschland sowie den europäischen Nachbarländern zusammengearbeitet werden (Adler et al., 2022), um durch umfassende Erhebungen zum Auftreten von Vorratsschädlingen in der Agrarlandschaft potentielle Schadorganismen frühzeitig zu identifizieren und damit eine mögliche Ausbreitung in Deutschland zu verhindern.

Ein flächendeckendes Monitoring sollte so angelegt sein, dass möglichst viele Regionen/Betriebe im ganzen Land einbezogen und besonders Fallen im Süden und Westen von Deutschland aufgestellt werden, wo die Gefahr des Eindringens neuer Schädlingsarten aus benachbarten (wärmeren) Ländern am größten ist. Daten über den Einfluss regionaler bzw. klimatischer Unterschiede auf das Auftreten von Vorratsschädlingen könnten dazu beitragen, durch Korrelationen zwischen Schädlingsvorkommen und Temperatur Prognosemodelle zu erstellen, die Rückschlüsse auf eine weitere Ausbreitung in der Zukunft zulassen. Der Einfluss von Temperatur auf das mögliche Vorkommen von Vorratsschädlingen in Deutschland wurde bereits in der Vergangenheit untersucht, unter anderem am Beispiel des ursprünglich aus Zentralasien stammenden Lagerkäfers Trogoderma variabile (Coleoptera: Dermestidae), der in den 1940er Jahren nach Nordamerika eingeschleppt wurde (Elbert, 1978). Allerdings wurden in der Studie nur die Lebensdauer und das Eiablageverhalten bei verschiedenen Temperaturen im Labor getestet. Eine Einschleppung dieses wirtschaftlich relevanten Schädlings mit Getreideprodukten aus den USA und Kanada in die Bundesrepublik Deutschland wurde befürchtet, wobei derzeit keine genauen Daten da­rüber vorliegen, inwieweit diese Prognose tatsächlich eingetreten ist. Dank neuer digitaler Techniken, die es u. a. ermöglichen, detaillierte Daten z. B. über biotische und abiotische Faktoren im Lager und im Feld zu genieren, einer besseren Vernetzung mit Nachbarstaaten und der heutigen Kenntnisse auf dem Gebiet der Modellierung sind mittlerweile bessere Prognosen zu erwarten. Letztendlich können die Erkenntnisse eines flächendeckenden Monitorings genutzt werden, um frühzeitig gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen und somit Nachernteverluste zu vermeiden. Die Tatsache, dass eine Schädlingspopulation in einem frühen Befallsstadium häufig noch relativ klein ist, ermöglicht den Einsatz und erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit von alternativen nicht-chemischen Bekämpfungsmethoden (biologisch, biotechnisch und physikalisch), wodurch die Anwendung umweltschädlicher Pflanzenschutzmittel nachhaltig reduziert werden könnte (Fürstenau & Kroos, 2020). Dies würde wiederum einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherung und dem Klimaschutz leisten. Aus all den genannten Gründen stellt das hier vorgestellte Monitoring einen wichtigen Teil und zukünftigen Weg des Pflanzenschutzes gegen Schadinsekten im Vorratsschutz dar.

Danksagung

Ich möchte mich bei den vier beteiligten Betrieben dafür bedanken, dass wir unsere Fallen in ihren Lägern und auf den Feldern aufstellen durften und so das Monitoringprojekt durchführen konnten. Den Kontakt zu drei der Betriebe vermittelte Nadine Feuerbach (jetzt agrathaer GmbH) über das Netzwerk Vorratsschutz (VSnet) des JKIs. Des Weiteren gilt mein Dank Katrin Heindorf, Gritta Meier und Raphael Büchner (Julius Kühn-Institut, Institut für Ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Berlin, Deutschland) für ihre große Unterstützung beim Auf- und Abbau der Fallen, den regelmäßigen Kontrollen sowie bei der Bestimmung und Auswertung der gefangenen Insekten. Ebenso danke ich Frank Hertel (Frank Hertel Engineering) für seine Mit­arbeit an dem Projekt in einem der Betriebe.

Erklärung zu Interessenskonflikten

Der Autor erklärt, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

Literatur

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Adler, C., S. Kühne, S. Preißel, S. Prozell, M. Schöller, 2021a: Vorräte richtig schützen und lagern in Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel. Stuttgart, Deutschland, Eugen Ulmer, ISBN: 978-3-8186-0921-4.

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