Anbau von Körnerleguminosen in Deutschland – Situation, limitierende Faktoren und Chancen
Cultivation of Grain Legumes in Germany – Situation, Limiting Factors and Chances
Journal für Kulturpflanzen, 61 (9). S. 302–305, 2009, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2009.09.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Die heimischen Körnerleguminosen Ackerbohne, Körnererbse und Süßlupine verlieren in Anbau und Züchtung immer mehr an Bedeutung. Die Fläche ist seit Jahren rückläufig und Züchtungsprogramme werden eingestellt. Weder die bislang noch gekoppelte Eiweißpflanzenbeihilfe noch die Anreize im Rahmen von Agrarumweltprogrammen reichen aus, um diese Entwicklung aufzuhalten oder umzukehren. In der Folge ist die Situation bei diesen Kulturarten von diversen limitierenden Faktoren bestimmt, die durch fehlende Masseflüsse im System noch verstärkt werden. Dem gegenüber sind Ackerbohnen, Körnererbsen und Süßlupinen aber auch zahlreiche Vorteile anzurechnen. Dazu gehören die Selbstversorgung mit Stickstoff und damit ein wichtiger Beitrag zur Einsparung von fossiler Energie sowie die Auflockerung von Fruchtfolgen und damit eine Erhöhung der Biodiversität im Ackerbau. Heimische Körnerleguminosen sind wertvolle Futtermittel und können mit hohen Anteilen in der Nutztierfütterung eingesetzt werden. Eine Betrachtung, Verfolgung und Förderung der gesamten Wertschöpfungskette von Anbau, Handel und Verarbeitung im engen Schulterschluss von Züchtung und Landwirtschaft einschließlich Verbänden, Wissenschaft sowie Politik erscheint als einzig erfolgversprechende Option in der Sache. Festzuhalten gilt dabei, dass zunächst und sehr schnell der weitere Rückgang im Anbau gestoppt und eine nachhaltige Ausdehnung der Ackerbohnen-, Körnererbsen- und Süßlupinenflächen erreicht werden muss.
Stichwörter: Ackerbohnen, Körnererbsen, Süßlupinen, Selbstversorgung mit N, Biodiversität, Futtermittel, Wertschöpfungskette
The grain legumes faba bean, pea and sweet lupin steadily lose importance in cultivation and breeding. The acreage of grain legumes has been decreasing since many years and breeding programmes are discontinued. Protein-crops coupled aid and agri-environmental measures both are not sufficient to stop this development or to turn it back. As a consequence, the situation of grain legumes is determined by various limiting factors and is further aggravated by a lack of mass flow in the system. This is despite the fact that the growing of faba beans, peas and sweet lupins may bring about a number of benefits, such as self-sufficiency with regard to nitrogen supply and, as a consequence, savings in fossil energy, or the option to widen crop rotations and increase biodiversity in agriculture. Grain legumes serve valuable feed and can be used with high rates in livestock feeding. When devising strategies to stop the decline in the use of home-grown grain legumes, it will be mandatory to consider the whole value-added chain comprising breeding, cultivation, trade as well as processing and to bring together the relevant stakeholders from associations, science and politics. The fact is essential that first and very fast the further decrease in cultivation should be stopped and a sustainable expansion of faba beans, peas and sweet lupins cultivated area must be achieved.
Key words: Faba bean, pea, sweet lupin, sustainable agriculture, biodiversity, feed, value-added chain
Die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V. (UFOP) repräsentiert alle an der Züchtung, Erzeugung und Verarbeitung von heimischen Öl- und Proteinpflanzen beteiligten Partner der Wertschöpfungskette. Obwohl anerkannter Maßen Raps einen Großteil der Interessenvertretung in Anspruch nimmt, ist sowohl in der UFOP-Satzung als auch in der täglichen Vereinsarbeit die Förderung der heimischen Körnerleguminosen Ackerbohnen, Körnererbsen und Süßlupinen unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen technischen Forschung und Entwicklung fest verankert. Dokumentiert wird dies u. a. sowohl durch die Förderung von Forschungsvorhaben mit UFOP-Mitteln, als auch durch zahlreiche entsprechende UFOP-Publikationen (Abb. 1 und 2).
Die Situation beim Anbau heimischer Körnerleguminosen ist in den letzten Jahren durch einen stetigen Rückgang gekennzeichnet. Zur Ernte 2008 ist eine Fläche von 80 000 ha bundesweit unterschritten worden. Damit entspricht diese Fläche nur noch der Hälfte des Anbaus im Mittel der Jahre 2002/2007 (Tab. 1).
Tab. 1. Anbau von Ackerbohnen, Futtererbsen und Süßlupinen in Deutschland (in 1000 ha)
2007 | 2008 | Mittel 2002/2007 | |
Ackerbohnen | 12,2 | 11,1 | 16,2 |
Futtererbsen | 67,7 | 47,9 | 112,6 |
Süßlupinen | 25,2 | 19,9 | 29,7 |
∑ | 105,1 | 78,9 | 158,5 |
Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen sind für Ackerbohnen, Körnererbsen und Süßlupinen im Wesentlichen von der Umsetzung des Health Check-Beschlusses vom November 2008 geprägt. Demnach wird die bislang noch gekoppelte Eiweißpflanzen-Beihilfe in Höhe von 55,57 EUR/ha spätestens zum Januar 2012 entkoppelt werden, d. h. entfallen.
Eine bislang bereits mögliche Förderung von heimischen Körnerleguminosen bei den Agrarumweltmaßnahmen der Zweiten Säule im Rahmen von vielfältigen Fruchtfolgen bot und bietet mit Stand Mitte April 2009 keine ausreichenden Anreize, um den Anbaurückgang aufzuhalten bzw. umzukehren.
Darüber hinaus wird die aktuelle Situation des Körnerleguminosenanbaus, verstärkt durch das Unterschreiten von kritischen Massen im System, durch diverse limitierende Faktoren bestimmt:
• Einheimische Körnerleguminosen gelten als wirtschaftlich wenig attraktiv im Anbau. Der zu erzielende Erzeugerpreis wird als unattraktiv angesehen. |
• Anbauentscheidungen werden zumeist nur aufgrund eines einfachen Deckungsbeitragsvergleiches und nicht in Bezug auf die Leistungen von Körnerleguminosen in einem Fruchtfolgesystem gefällt. |
• Marktpreise für einheimische Körnerleguminosen liegen deutlich unter deren Futterwert (Veredelungswert > Marktpreis). |
• Die Vermarktung der Ernte ist derzeit problematisch, da in einigen Regionen Deutschlands der Landhandel mangels Masse oder Einheitlichkeit wenig Interesse an der Abnahme von Körnerleguminosen hat (Fehlen großer einheitlicher Partien mit definierter Qualität). |
• Der züchterische Ertragsfortschritt ist im Vergleich zu anderen Fruchtarten in Deutschland geringer (sehr begrenzte Anzahl von Zuchtprogrammen). |
• Auftreten von Problemen in der Produktionstechnik aufgrund der restriktiven Zulassungssituation bei Pflanzenschutzmitteln für einheimische Körnerleguminosen. |
• Unterschiedliche Standort- und Klimaansprüche der Körnerleguminosenarten: Ackerbohnen, Körnererbsen, Süßlupinen passen nicht uneingeschränkt auf jeden Standort und in jedes Anbaugebiet. |
• Eine geografische Differenzierung im Rahmen möglicher Fördermaßnahmen ist daher erforderlich (was auch von Vorteil sein kann). |
Insgesamt entsteht durch diese Faktoren ein sich selbst verstärkendes System negativer Einflüsse dergestalt, dass mangelnde Abnahme einen Rückgang im Anbau und geringer Anbau einen weiteren Rückgang der Abnahmebereitschaft bedingen.
Eine positive Entwicklung in Anbau und Vermarktung kann demnach nur erreicht werden, wenn limitierende Faktoren , z. B. unzureichender Futterwert oder strukturelle Probleme, beseitigt bzw. strategisch berücksichtigt werden, z. B. durch Konzentration der Arten auf geeignete Standorte.
Bei allen limitierenden Faktoren sind Ackerbohnen, Körnererbsen und Süßlupinen aber auch zahlreiche Chancen auszurechnen. Zunächst leisten Körnerleguminosen über deren Selbstversorgung mit dem wichtigen Pflanzennährstoff Stickstoff einen unmittelbaren Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz über die Einsparung von fossiler Energie für die Herstellung von mineralischen N-Düngern. Die Auflockerung von Fruchtfolgen mit Ackerbohnen, Körnererbsen und Süßlupinen wirkt einer immer weiter gehenden Einschränkung der Biodiversität im Ackerbau entgegen. Dementsprechend darf die Bewertung der ökonomischen Leistung der Körnerleguminosen durch die Erzeuger nicht – wie heute noch vielfach praktiziert – in Form einfacher Deckungsbeitragsvergleiche erfolgen, sondern muss zwingend in ganzen Fruchtfolgesystemen vorgenommen werden.
Bei der monetären Bewertung der Vorteile heimischer Körnerleguminosen in einer Systemanalyse gewinnen diese Fruchtarten deutlich an Vorzüglichkeit, z. B. durch:
• Mehrerträge der Nachfrüchte, |
• Entzerrung von Arbeitsspitzen und dadurch bessere Maschinenauslastung, |
• geringere Pflanzenschutz- und Düngemittelaufwendungen, |
• vereinfachtes Resistenzmanagement bei Herbiziden und Fungiziden in den Folgefrüchten, |
• gute Voraussetzungen für konservierende Bodenbearbeitungsverfahren. |
Körnerleguminosen bieten zahlreiche Vorteile im Rahmen einer Fruchtfolge, die insbesondere hinsichtlich der wachsenden Probleme mit Resistenzbildungen bei Weizenkrankheiten und Ungräsern interessant sind:
• Resistenzbildung in Weizenmonokultur bzw. engen Getreidefruchtfolgen hat derzeit zur Konsequenz, dass immer mehr Pflanzenschutzmittelwirkstoffe für den Getreideanbau in immer kürzerer Zeit wirkungslos werden. Dies ist eine Entwicklung, die sowohl von Seiten der Landwirtschaft als auch von den Pflanzenschutzmittelherstellern ein Umdenken bei der Gestaltung von Fruchtfolgen verlangt. |
• Parallelen sind für den Anbau von Winterraps in engen Fruchtfolgen, z.B. vor dem Hintergrund des Auftretens von Kohlhernie, zu beachten. |
Ertragsverbesserungen und Zuchtfortschritte bei den ertragssichernden Eigenschaften konnten bereits erreicht werden. Trotz der relativ begrenzten Zuchtprogramme sind weitere Verbesserungen zu erwarten, z.B.:
• Verbesserung der Standfestigkeit, |
• stärkere Beachtung des Futterwertes (Erhöhung des Eiweißgehaltes, Reduzierung antinutritiver Inhaltsstoffe). |
Absatzpotenziale für Körnererbsen, Ackerbohnen und Süßlupinen bieten sich insbesondere im Bereich der innerbetrieblichen Futterverwertung. Zahlreiche Versuchsergebnisse zeigen, dass heimische Körnerleguminosen wertvolle protein- und stärkereiche Futtermittel darstellen und zu einem hohen Prozentsatz in Futterrationen aller landwirtschaftlicher Nutztiere eingesetzt werden können (Tab. 2, 3, 4).
Tab. 2. Körnererbsen in der Nutztierfütterung
Mischungsanteile im Alleinfutter | ||
Schweine | ||
Ferkel (abgesetzt) | bis 30% | |
Mastschweine | bis 40% | |
Sauen | bis 25% | |
Milchkühe | bis 4 kg in der Tagesration | |
Mastbullen | bis 2,5 kg in der Tagesration | |
Geflügel | ||
Broiler/Mastküken | bis 50% | |
Legehennen | bis 30% | |
Bei allen Monogastriern ist insbesondere auf die bedarfsgerechte Aminosäurenversorgung – speziell mit Methionin – zu achten. |
Tab. 3. Ackerbohnen in der Nutztierfütterung
Mischungsanteile im Alleinfutter | ||
Schweine | ||
Ferkel (abgesetzt) | bis 5% | |
Mastschweine | 15 bis 25% | |
Sauen | bis 15% | |
Milchkühe | bis 4 kg in der Tagesration | |
Mastbullen | bis 2 kg in der Tagesration | |
Geflügel | ||
Broiler/Mastküken | bis 40% | |
Legehennen | bis 10% (vicinfreie Sorten) | |
Bei allen Monogastriern ist insbesondere auf die bedarfsgerechte Aminosäurenversorgung – speziell mit Methionin – zu achten. |
Tab. 4. Blaue Süßlupinen in der Nutztierfütterung
Mischungsanteile im Alleinfutter | ||
Schweine | ||
Ferkel (abgesetzt) | bis 5% | |
Mastschweine | bis 20% | |
Sauen | 15 bis 20% | |
Milchkühe | 3 bis 4 kg in der Tagesration | |
Mastbullen | 1 bis 2,5 kg in der Tagesration | |
Geflügel | ||
Broiler/Mastküken | bis 20% | |
Legehennen | bis 20% | |
Bei allen Monogastriern ist insbesondere auf die bedarfsgerechte Aminosäurenversorgung – speziell mit Methionin – zu achten. |
Eine erfolgreiche Initiative zur Marktentwicklung heimischer Körnerleguminosen erfordert eine wirkungsvolle und beherrschbare Strategie. Diese muss die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Begrenzungen der beteiligten Gruppen konsequent berücksichtigen. Eine Strategie, die außer Acht lässt, dass derzeit der Landhandel regional nur eingeschränkt an Körnerleguminosen interessiert ist, wird ebenso erfolglos sein wie eine Strategie, bei der die Standortansprüche der verschiedenen Kulturen unbeachtet bleiben.
Die Strategie muss zudem fachlich korrekte Inhalte transportieren. Eine Strategie, bei der beispielsweise die ökonomische Leistung des Körnerleguminosenanbaus übertrieben dargestellt würde, wäre erfolglos.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die derzeitige Anbau- und Vermarktungssituation heimischer Körnerleguminosen durch ein überaus komplexes Geflecht an limitierenden Faktoren bestimmt wird. Die UFOP hat sich in den vergangenen Jahren bereits intensiv mit den Herausforderungen bei Ackerbohnen, Körnererbsen und Süßlupinen beschäftigt und umfangreich entsprechende Forschungsvorhaben gefördert sowie vielfältige Publikationen mit Schwerpunkt bei den UFOP-Praxisinformationen erstellt. Aber anders als beim Rapsanbau, der im Verlauf der UFOP-Arbeit seit 1990 maßgeblich vorangebracht werden konnte, stellen sich die Ergebnisse und die Perspektiven des Körnerleguminosenanbaus deutlich eingeschränkter dar.
Eine Betrachtung, Verfolgung und Förderung der gesamten Wertschöpfungskette von Anbau, Handel und Verarbeitung im engen Schulterschluss von Züchtung und Landwirtschaft einschließlich Verbänden, Wissenschaft sowie Politik erscheint als einzig erfolgversprechende Option in der Sache.
Festzuhalten gilt dabei, dass zunächst und sehr schnell der weitere Rückgang im Anbau gestoppt und eine nachhaltige Ausdehnung der Ackerbohnen-, Körnererbsen- und Süßlupinenflächen erreicht werden muss. Vor diesem Hintergrund gebührt dem PLANAK-Beschluss vom 29. April 2009 zur Einführung einer zusätzlichen Agrarumweltmaßnahme Klimaschonender Anbau von Körnerleguminosen ab 2010 besondere Aufmerksamkeit und Würdigung. Bei dieser Maßnahme sind in einer fünfjährigen Verpflichtung jährlich mindestens 10% Körnerleguminosen auf der bestehenden Ackerfläche des Landwirtschaftsbetriebes anzubauen. Als Förderung sind im PLANAK-Beschluss 220 EUR/ha Körnerleguminosenfläche bzw. 150 EUR/ha Körnerleguminosenfläche zusätzlich zur Förderung im Ökologischen Landbau aufgeführt, wobei diese neue Maßnahme mit anderen, bereits bestehenden Agrarumweltmaßnahmen, wie z. B. Vielfältige Fruchtfolgen oder Mulch- und Direktsaat, kombiniert werden kann. Mit dem PLANAK-Beschluss ist in Deutschland der Rahmen gesetzt, den die Bundesländer für deren Förderung einer markt- und standortangepassten Landbewirtschaftung nutzen können.
Nunmehr ist die Politik in den Bundesländern vor Ort gefordert, Ackerbohnen, Körnererbsen und Süßlupinen eine Entwicklungsperspektive zu eröffnen.
Auch in Deutschland arbeitet aufgrund der vielen positiven Wirkungen die Zeit für heimische Körnerleguminosen – wenn sie bis dahin in Züchtung und Anbau nicht ausgestorben sind.