Entwicklung und Vermarktung biologischer Pflanzenschutzmittel aus der Sicht eines Unternehmers
Development and marketing of biological plant protection products from an entrepreneurs point of view
Journal für Kulturpflanzen, 62 (3). S. 121–122, 2010, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2010.03.14, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Im biologischen Pflanzenschutz aktive Firmen sehen sich mit unnötig hohen Registrierungshürden konfrontiert. Diese stehen in keinem Verhältnis zur Größe der Marktnische für die oft hoch spezifischen Produkte. Wenn der biologische Pflanzenschutz gefördert werden soll, dann müssen die Registrierungshürden reduziert und/oder die Registrierung von biologischen Pflanzenschutzmitteln finanziell unterstützt werden.
Stichwörter: Biologische Pflanzenschutzmittel, Registrierung
Companies active in biocontrol are confronted with high registration hurdles. These are out of proportion to the size of the market niches for the often highly specific products used in biocontrol. If biocontrol should be encouraged, registration hurdles need to be reduced and/or the registration of biocontrol products has to be subsidised.
Key words: Biocontrol agents, registration
Im Gegensatz zum klassischen biologischen Pflanzenschutz, der durch Forschungsinstitutionen ermöglicht wird, sind beim biologischen Pflanzenschutz mittels Anwendung von biologischen Pflanzenschutzmitteln (bPSM) oder wiederholter Freilassung von Nützlingen nur privatwirtschaftliche Unternehmen aktiv.
Diese Unternehmen finden Produktideen in der Literatur oder generieren sie auf der Basis ihres firmeneigenen Spezialwissens. Kapitalstarken Firmen ist es vorbehalten, selber aktiv in der Natur nach neuen Aktivsubstanzen oder Nützlingen zu suchen. Die Produktideen werden firmenintern bewertet und einander gegenübergestellt. In größeren Firmen führt die Forschungs- und Entwicklungs-Abteilung (F&E-Abteilung) Vorprojekte durch, um für einen seriösen Entscheid mehr Daten zu erarbeiten. Es lohnt sich, hier Zeit zu investieren, denn Fehlentscheide könnten bei kleineren und mittleren Unternehmen (KMUs) schwerwiegende Folgen haben.
Der entscheidende Faktor für das mögliche Tätigkeitsgebiet eines Herstellers von bPSM ist die Registrierungshürde. Kleinstunternehmen können nur im Bereich Nützlingszuchten oder Herstellung von Pflanzenstärkungsmittel aktiv sein, wo keine oder höchstens kleine Zulassungsanforderungen bestehen. Kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) können sich darüber hinaus auch an die Entwicklung von bPSM auf der Basis von alten, gut dokumentierten Aktivsubstanzen wagen. Produktentwicklungen auf der Basis von neuen Mikroorganismen, die Metaboliten bilden (können), oder Produktentwicklungen mit Metaboliten von Mikroorganismen als Aktivsubstanz bleiben aber Großfirmen vorbehalten, weil in diesem Fall sehr teure Studien für das Registrierungsdossier nötig sind. Das Gleiche gilt für Produkte mit neuartigen Pflanzenextrakten als Aktivsubstanz. Für KMUs sind diese Registrierungshürden nicht mehr überwindbar! Die Registrierungshürde hat nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine formale Dimension. Die formalen Anforderungen sind so hoch, dass ein KMU heute ein Registrierungsdossier nicht mehr selber erstellen kann. Es ist auf die Unterstützung von spezialisierten Beratungsunternehmen angewiesen. Die internen und externen Kosten für die Dossiererstellung übersteigen dann die eigentlichen Registrierungsgebühren oft deutlich. Immerhin ist der finanzielle und formale Aspekt einigermaßen abschätzbar. Absolut tödlich für KMU können die unvorhersagbaren Zeiträume sein, bis man mit den ersten Verkäufen rechnen kann. Die Registrierungsphase bindet so viel Kapital, dass eine unerwartet lange Kapitalbindung zu existenzbedrohenden Liquiditätsengpässen führen kann.
Dabei ist aber die Registrierungshürde nicht das einzige Risiko. (Es wäre einfach das aus der Sicht des Unternehmers am meisten Reduzierbare.) In seinem Businessplan wird der Unternehmer auch beurteilen müssen, wie hoch das Risiko ist, dass im gleichen Zeitraum Konkurrenzprodukte auf den Markt kommen, wie groß sein Marktanteil sein wird, seine Entwicklungskosten, seine Produktionskosten und der erzielbare Verkaufspreis und vieles mehr. Am Schluss muss er abschätzen können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er das investierte Geld jemals wieder zurückerhält, und ob er diese Durststrecke überleben kann. Und zu guter Letzt sollte das Unterfangen ja noch Gewinn abwerfen.
KMUs, die sich heute an Registrierungen von bPSM wagen, sind idealistische Hochseiltänzer! Wenn KMUs die Registrierungshürde aber nicht mehr schaffen können, dann werden viele gute Lösungen gar nie als Produkte auf dem Markt erscheinen. Großfirmen lassen die Finger davon, weil die bPSM häufig so spezifisch sind, dass das Marktvolumen sehr bescheiden ist. Kleines Marktvolumen bedeutet aber geringere Gewinnaussichten. Fehlende Patentiermöglichkeiten führen dann noch dazu, dass in den kleinen Marktnischen auch keine genügend hohen Preise durchgesetzt werden können. Damit KMUs Produkte für kleine Marktnischen weiterhin entwickeln können, muss die Registrierung von bPSM grundlegend vereinfacht werden.
Die Vermarktung von bPSM ist in vielen Ländern schon gut eingespielt. In den Anfängen musste man den Einzelhändlern noch Kühlschränke in die Verkaufsläden stellen, damit sie bereit waren, kühl zu lagernde Produkte überhaupt zu führen. Beim Nützlingsverkauf mussten neue Vertriebswege erschlossen werden, weil deren Lagerbarkeit häufig gar nicht gegeben ist. Der Hersteller oder Importeur musste also direkt zum Anwender liefern können.
Wer bestimmt aber schlussendlich, wie viel von einem neuen bPSM überhaupt abgesetzt werden kann. Die Registrierungsbehörde, der Handel, die Beratung, der Landwirt, die Konsumenten- oder Umweltschutzorganisationen, die Supermarktketten? Sicher alle zusammen, aber die Supermarktketten waren in den letzten Jahren die wichtigsten Absatzförderer, weil sie unter dem Druck von Umweltorganisationen Einfluss nahmen auf die Rückstandssituation und weniger Rückstände tolerierten, als es von den Registrierungsbehörden erlaubt gewesen wäre. Für die im biologischen Pflanzenschutz aktiven Firmen ist es sehr wichtig, mit diesen neuen Partnern zusammenarbeiten zu können. Dazu ist es aber unabdingbar, dass sich die Firmen auf nationaler und internationaler Ebene zu Vereinen und Verbänden zusammenschließen. Diese Rolle hat in den letzten Jahren die IBMA (International Biocontrol Manufacturers Association) übernommen. Sie verzeichnet zurzeit einen großen Zustrom von Firmen aus der ganzen Welt. Die Organisation bemüht sich auch, nationale Ableger zu gründen. Im deutschsprachigen Raum sind dies die 2008 gegründete IBMA Germany/Austria und die 2009 gegründete IBMA Switzerland. Trotz der nun weit über 100 Mitgliedsfirmen im IBMA Global, sind die finanziellen Mittel der Organisation noch sehr beschränkt. Immerhin ist sie aber bereits in der Lage, einen Executive Director zu finanzieren (www.ibma-global.org). Die Mitgliederfirmen erhoffen sich, dass durch die Arbeit der IBMA der große Nutzen der bPSM für die Allgemeinheit besser bekannt gemacht werden kann, und dass mit wenigstens minimalem Lobbying auch einige Regierungsentscheide mit beeinflusst werden können.
Für eine nachhaltige Landwirtschaft muss der Einsatz von konventionellen Pflanzenschutzmitteln (PSM) eingeschränkt werden, und der Einsatz von biologischen PSM finanziell gefördert werden. In einem nicht-nachhaltigen Umfeld sind biologische PSM und Nützlinge gegenüber konventionellen PSM schlicht chancenlos. |
Die Entwicklung der Registrierungsgesetzgebung diente der Einschränkung der Anwendung von Agrochemikalien. Heute behindert die gleiche Gesetzgebung die Entwicklung des biologischen Pflanzenschutzes. Grundlegende Erleichterungen für anerkannt sichere PSM sind erforderlich. |
Eine Registrierungspflicht für einheimische Nützlinge ist unnötig und muss abgeschafft werden, wo sie schon implementiert ist! |
Es braucht entscheidungsfreudige, mutige Beamte in den Registrierungsbehörden, die für die Bewertung von biologischen PSM ausgebildet sind. |
… und einen Ombudsmann. |