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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Optische Sensoren in der Landwirtschaft: Grundlagen und Konzepte*

Optical sensors in agriculture: Principles and concepts

Holger Lilienthal
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 66 (2). S. 34–41, 2014, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2014.02.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Holger Lilienthal, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig, E-Mail: holger.lilienthal@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
15. November 2013

Zusammenfassung

Online-Sensoren zu Erfassung der räumlichen Variabilität von Vegetationsbeständen finden immer mehr Eingang in die landwirtschaftliche Praxis, vor allem die teilschlagspezifische Düngung auf Basis von Sensormessungen ist ein Hauptanwendungsgebiet.

Mit Hilfe der optischen Sensoren werden Indexwerte aus 2–3 gemessenen Spektralkanälen berechnet und diese mit Vegetationsparametern wie z.B. Biomasse in Beziehung gesetzt. Technisch bleiben diese Verfahren jedoch hinter den heutigen Möglichkeiten zurück, da kontinuierliche Spektren aufgezeichnet werden können, mit denen bessere Vorhersagemodelle entwickelt werden können. Die physikalischen Grundlagen, verwendete Vegetationsindizes, sowie die Potenziale und Risiken der Anwendung optischer Sensoren in der Landwirtschaft werden vorgestellt und diskutiert.

Stichwörter: Teilflächenspezifische Landwirtschaft, Fernerkundung, optische Sensoren

Abstract

Online sensors for the detection of spatially varying crop stands have gained importance in agricultural practices, mainly for site specific fertilisation.

Commonly, values of 2–3 spectral channels are used to calculate vegetation indices. These are then correlated with crop parameters such as biomass. Meanwhile, high quality continuous reflectance spectra can be measured online allowing improving prediction models and opening up new challenges for data analysis.

The physical principles, used vegetation indices, as well as the potentials and risks of agriculturally used optical sensors are presented and discussed.

Key words: Precision agriculture, remote sensing, optical sensors

Einleitung

Die teilflächenspezifische Landwirtschaft (Precision Farming) beruht auf der Grundannahme, dass mit einer Zunahme der Schlaggrößen auch die Variabilität des Bodens zunehmen muss. Die Variabilität des Bodens mit seinen Zonen unterschiedlicher Nährstoffversorgung und Wasserspeicherung spiegelt sich in den Vegetationsbeständen wieder (Abb. 1).

Abb. 1. Trockenstress in einem 86 ha großen Weizen­schlag, Luftbild vom 10.5.2011 (Quelle: AISA Flugzeugscanner Daten aus dem Projekt „Hyland“ Förderkennzeichen 50EE1014).

Abb. 1. Trockenstress in einem 86 ha großen Weizen­schlag, Luftbild vom 10.5.2011 (Quelle: AISA Flugzeugscanner Daten aus dem Projekt „Hyland“ Förderkennzeichen 50EE1014).

Eine gleichmäßige Ausbringung von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln kann folglich zu einer Unter- bzw. Überversorgung im Bestand führen. Eine Anpassung der Mengen an den tatsächlichen Bedarf ist damit ökonomisch und ökologisch sinnvoll.

Optische Sensoren werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um den Zustand der Vegetation zu messen, und auf Grundlage dieser Messung eine angepasste Bewirtschaftung (im Wesentlichen Düngung) durchzuführen. Das Grundprinzip sensorgesteuerter Applikationen besteht aus den drei Arbeitsschritten (a) Messen, (b) Berechnen und (c) Ausbringen. Der optische Sensor befindet sich an der Vorderseite des Schleppers und liefert Messwerte an den Bordcomputer. Dieser berechnet eine optimale Ausbringungsmenge (z.B. für Dünger oder Pflanzenschutzmittel) und steuert die Ausbringungstechnik, die eine errechnete Aufwandmenge ausbringt. Werden die drei Arbeitsschritte direkt im Feld durchgeführt, spricht man von einem Online-Verfahren. Werden die Messdaten des Sensors erst nach Abschluss der Messung ausgewertet und die berechneten variierenden Applikationsmengen bei einer zweiten Überfahrt ausgebracht, spricht man von Offline-Verfahren. Im Offline-Verfahren wird ein GPS-Empfänger sowohl für die Erfassung der Messdaten als auch für die lagerichtige Applikation im Feld benötigt.

Da die Messungen des optischen Sensors entscheidend für die nachfolgende Applikation sind, sollen die Grundlagen der spektralen Reflexionsmessung von Vegetation, das Potenzial dieser für die Ableitung von Applikationsalgorithmen und die damit verbundenen Risiken genauer untersucht werden.

Material und Methoden

Reflexionsmessungen von Vegetation können im Wellenlängenbereich von 350–2500 nm durchgeführt werden. Messungen oberhalb von 1100 nm erfordern sehr teure Indium Gallium Arsen (InGaAs) Detektoren, die in Laborspektrometern oder Satelliten eingesetzt werden. In der landwirtschaftlichen Praxis kommen günstigere Silizium Sensoren zum Einsatz, die hauptsächlich im Wellenlängenbereich von 400–1000 nm sensitiv sind.

Der eigentliche Messwert ist der Reflexionsgrad (engl. Reflectance), er bezeichnet das Verhältnis aus reflektierter zur eingefallenen Strahlungsintensität (I). Der Reflexionsgrad wird in Prozent (%) angegeben (Formel 1).


frames/bilder/lilienthal_Fml-2.gif Formel 1

Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um die Lichtmenge, die von einem Objekt zurückgeworfen wird. Neben dem Reflexionsgrad (ρ) gibt es noch den Absorptionsgrad (α), also die Energiemenge, die vom Objekt aufgenommen und umgewandelt wird sowie den Transmissionsgrad (τ), die Energiemenge, die durch das Objekt hindurch scheint. Nach dem Energieerhaltungssatz ist die Summe aller drei Komponenten gleich 1.

Die drei Komponenten wirken sich bei Vegetation unterschiedlich aus und sind zudem auch noch wellenlängenabhängig (Abb. 2).

Abb. 2. Reflexions-, Absorptions- und Transmissonsgrad eines Maisblattes (BBCH Stadium 31).

Abb. 2. Reflexions-, Absorptions- und Transmissonsgrad eines Maisblattes (BBCH Stadium 31).


Im Allgemeinen wird die Spektralsignatur von Vegeta­tion durch zwei Prozesse gesteuert:

(a) Absorption von Pigmenten

(b) Mehrfachreflexionen an unterschiedlichen Blattlagen


Für die Absorption im sichtbaren Wellenlängenbereich (400–700 nm) sind im Wesentlichen Pflanzenpigmente verantwortlich. Das sichtbare Blau und Rot wird sehr stark von Chlorophyll a (430/660 nm) und b (450/640 nm) zur Photosynthese absorbiert, das Licht im sichtbaren grünen Wellenlängenbereich hingegen weniger stark (Abb. 3). Aus diesem Grund erscheint dem menschlichen Auge die Vegetation grün.

Abb. 3. Absorptionsgrade verschiedener Pigmente.

Abb. 3. Absorptionsgrade verschiedener Pigmente.

Neben dem Chlorophyll absorbieren noch weitere Pflanzenpigmente wie Carotinoide, Xanthophylle (beide absorbieren um 450 nm), Polyphenole (Anthocyane) und braune Pigmente, die vorwiegend bei der Blattalterung aktiv werden (Verdebout et al., 1994). Die Konzentration von Chlorophyll im Blatt liegt im Vergleich zu den Carotinoiden um den Faktor 10 höher. Daher sind die Absorptionsprozesse der Carotinoide in grünen Blättern von der Chlorophyllabsorption überlagert. Bei der Blattalterung werden Chlorophylle jedoch stärker abgebaut als die Carotinoide, das Blatt verfärbt sich Gelb. Stirbt das Blatt ab, so entstehen durch metabolische Prozesse braune Pigmente (Phaeophytine, Catechine und Phylobaphene), das Blatt nimmt eine bräunliche Farbe an (Verdebout et al., 1994).

Vergleicht man das Reflexionspektrum eines Maisblattes mit einem chlorophyllfreien (panaschierten) Blatt, so fällt auf, dass die geringere Reflexion im sichtbaren Blau (400–500 nm) und sichtbaren Rot (650–700 nm) nicht ausschließlich von den Pigment-Absorptionen hervorgerufen werden kann (Abb. 4). Ebenso ist die Stärke der Reflexion im nahen Infrarot mit und ohne Chlorophyll sehr ähnlich, daraus kann gefolgert werden, dass Chlorophyll keinen Einfluss auf die Reflexionssignatur im nahen Infrarot ausübt (Knipling, 1970).

Abb. 4. Reflexionsspektren eines chlorophyllhaltigen und eines chlorophyllfreien (panaschierten) Maisblat­tes.

Abb. 4. Reflexionsspektren eines chlorophyllhaltigen und eines chlorophyllfreien (panaschierten) Maisblat­tes.

Während die Spektralsignatur von Vegetation im sichtbaren Wellenlängenbereich durch Absorptionsvorgänge geprägt ist, sind im nahen Infrarot (700–1100 nm) hauptsächlich Reflexionsprozesse wirksam.

Verantwortlich für die hohe Blattreflexion im nahen Infrarot ist die Blattstruktur. Blätter sind optisch gesehen ein heterogenes Material, sie bestehen aus sehr unterschiedlich übereinander gelagerten Geweben und unterschiedlichen Medien (Zellgewebe, Wasser, Luft) (Knipling, 1970). Der Gang der Lichtstrahlen im Blattinnern ist abhängig von der Anatomie und stofflichen Zusammensetzung der Gewebe. Diese besitzen sehr unterschiedliche spektrale Eigenschaften und können nach Pflanzenart und Entwicklungsstadium stark variieren (Schellberg, 1990).

Die bisher getroffenen Aussagen gelten für Blätter und Einzelpflanzen. Unter Feldbedingungen ist das Reflexionssignal jedoch immer eine Mischung verschiedenartiger Komponenten. Es setzt sich aus einer Vielzahl von Sig­nalen unterschiedlicher Einzelpflanzen, Blätter, Stängel, sowie Boden und Schattenwirkungen zusammen.

Hinzu kommen die Stellung und Größe der Blattorgane, die Dichte des Bestandes (Boden- und Schattenanteil), sowie die vertikale (Oberflächenrauigkeit) und horizontale (Reihenrichtung) Gliederung des Bestandes. Diese Faktoren sind jedoch zeitlich nicht konstant, sondern verändern sich im Laufe der Entwicklung der Pflanzen erheblich (Erasmi, 2002).

Das Reflexionsspektrum eines Pflanzenbestandes ist eine Kombination aus Vegetations- und Bodenspektrum (Abb. 5). Zu Beginn der Vegetationsperiode überwiegt der Anteil des Bodens an der Gesamtreflexion. Dieser Anteil nimmt im weiteren Zeitverlauf ab und wird durch das Reflexionssignal von Vegetation ersetzt. Gegen Ende der Vegetationsperiode, wenn die Pflanzen reifen, kommt es zu einer Umkehrung der Verhältnisse und die Reflexion des Bodens gewinnt wieder größeren Anteil am Gesamtsignal (Guyot, 1990).

Abb. 5. Schematische Darstellung der Reflexionseigen­schaften eines Pflanzenbestandes über die Vegeta­tionsperiode bis zur Abreife (Guyot, 1990, verändert).

Abb. 5. Schematische Darstellung der Reflexionseigen­schaften eines Pflanzenbestandes über die Vegeta­tionsperiode bis zur Abreife (Guyot, 1990, verändert).

Der Beginn der Vegetationsperiode ist durch einen Massenzuwachs und eine starke Zunahme an Blatt­fläche gekennzeichnet. Die zunächst einfache und ab der Schossphase mehrfache Überdeckung des Bodens mit Blattfläche zeigt sich auch in der Spektralsignatur. Das sichtbare Licht wird hauptsächlich in den oberen Blattetagen eines Pflanzenbestandes absorbiert und nur in geringem Umfang reflektiert. Die Durchlässigkeit für Licht dieses Wellenlängenbereiches ist gering.

Strahlung aus dem nahen Infrarot erreicht auch tiefere Blattschichten, da die Transmissivität in diesem Wellenlängenbereich viel höher ist (Abb. 6).

Abb. 6. Schematische Darstellung der Reflexion, Trans­mission und Absorption von sichtbarem und infra­rotem Licht in einem Pflanzenbestand (Clevers, 1986, verändert).

Abb. 6. Schematische Darstellung der Reflexion, Trans­mission und Absorption von sichtbarem und infra­rotem Licht in einem Pflanzenbestand (Clevers, 1986, verändert).

Das führt dazu, dass mit zunehmender Anzahl an Blattlagen (Leaf Area Index (LAI), Blattfläche in m2 pro m2 Boden) mehr infrarotes Licht reflektiert wird. In der Gesamtwirkung führt eine Zunahme der Anzahl der Blattschichten generell zu einer Zunahme der Reflexion im nahen Infrarot, im sichtbaren Licht kommt es ab einem LAI von 2 aber kaum mehr zur Veränderung der Spektralsignatur (Abb. 7).

Abb. 7. Einfluss des Blattflächenindex (LAI) auf die Refle­xionssignatur von Mais.

Abb. 7. Einfluss des Blattflächenindex (LAI) auf die Refle­xionssignatur von Mais.

Spektrale Indizes

Die auffälligsten Eigenschaften der Reflexionsspektren von Vegetation sind die starke Absorption durch Chlorophyll bei ca. 670 nm und die sehr starke Reflexion im nahen Infrarot ab 770 nm. Setzt man die Reflexionen in diesen beiden Wellenlängenbereichen in Beziehung, können Aussagen über die Vegetation getroffen werden. Die ersten Falschfarben-Infrarot Filme (z.B. Kodak Ektachrome Infrared, 1940) wurden zum Beispiel für militärische Anwendungen genutzt: Hierbei wurde der Effekt der starken Reflexion von Vegetation im nahen Infrarot genutzt, um Tarnnetze von echter Vegetation zu unterscheiden.

Für ökologische und landwirtschaftliche Fragestellungen wurden sogenannte Vegetationsindizes entwickelt (Jordan, 1969; Pearson und Miller, 1972; Rouse et al., 1974). Die zwei bekanntesten Vertreter sind der Simple Ratio (SR) und der Normalized Difference Vegetation Index (NDVI). Bei der Berechnung des SR wird der Re­flexionswert im nahen Infrarot (ρNIR) durch den Wert der Reflexion im roten Wellenlängenbereich (ρRot) dividiert. Der Nachteil dieses Index besteht darin, dass dieser nur für den Standort gültig ist, an dem er ermittelt wurde. Wird der Index an anderen Standorten und daher mit unterschiedlichen Einstrahlungsverhältnissen ermittelt, sind die Ergebnisse nicht miteinander vergleichbar. Dieser Nachteil wurde durch die Entwicklung des NDVI (Rouse et al., 1974) kompensiert. Durch diese einfache Normierung ist es möglich, die Indexwerte des NDVI standortübergreifend zu vergleichen. Der besondere Vorteil dieses Ratio-Index liegt darin, dass Effekte von Beleuchtungsunterschieden, Schatten und Atmosphären­einfluss limitiert werden (Leblon, 1997), da angenommen wird, dass diese Störfaktoren in gleichem Umfang auf die unterschiedlichen Spektralbänder wirken.

Der NDVI ist mittlerweile der gebräuchlichste Vegetationsindex (Goel, 1988) und es wird eine Vielzahl wei­terer Bestandesparameter, wie zum Beispiel Biomasse­ertrag, LAI und Stickstoffgehalt, mit dem NDVI in Be­ziehung gesetzt. Ein Nachteil des NDVI ist die rechne­rische Möglichkeit, ihn auch für unbedeckte Böden zu berechnen. Um den Einfluss des Bodensignals bei ge­ringer Vegetationsbedeckung zu berücksichtigen, wurde der Soil-Adjusted Vegetation Index (SAVI) entwickelt (Huete, 1988).

Eine weitere Möglichkeit zur spektralen Charakterisierung von Vegetation stellt der Wendepunkt der Spektralsignatur zwischen 670 und 770 nm dar (Abb. 4). Dieser Spektralbereich wird als „Red Edge“ bezeichnet. Der Wendepunkt (engl. Inflection point) der Spektralsignatur verschiebt sich in Abhängigkeit von der Chlorophyll-Konzentration, dem Alter des Bestandes und dem LAI (Horler et al., 1983). Mathematisch lässt sich der Wendepunkt über die erste Ableitung berechnen. Vereinfachte Methoden sind die Berechnung einer normalisierten Differenz unter Verwendung des Spektralbereiches, in dem der Wendepunkt ungefähr zum liegen kommt (NDRE, Barnes et al., 2000), oder die Linearisierung des Red Edge Bereiches (Guyot et al., 1988).

Vegetationsindizes kommen auch bei kommerziell verfügbaren landwirtschaftlichen Sensorsystemen zum Einsatz. Der Vorteil dieser Verfahren liegt in der sehr schnellen Berechnung der Indizes, wodurch eine Online Applikation auf Basis der Reflexionsmessungen erfolgen kann. Desweiteren können günstige Sensoren verwendet werden, da nur eine begrenzte Anzahl von Wellenlängen gemessen wird (Tab. 1).

Tab. 1. Auswahl von Vegetationsindizes, die in kommerziell vermarkteten Sensoren für den landwirtschaftlichen Bereich eingesetzt werden

Index

Formel

Quelle

Wertebereich*

Sensor

Simple Ratio
(SR, IR/R)

 

Jordan (1969)

0 – 100

N-Sensor®, CropSpec

Normalized Difference Vegetation Index (NDVI)

 

Rouse et al. (1974)

–1 – +1

GreenSeeker®, Crop­Sensor, Crop Circle™

Soil Adjusted Vegetation Index (SAVI)

 

Huete (1988)

–1 – +1.5

Crop Circle™

Normalized Difference
Red Edge (NDRE)

 

Barnes et al. (2000)

–1 – +1

Crop Circle™

Red Edge
Inflection Point
(REIP)

 

Guyot et al. (1988)

700 – 760

N-Sensor®,
Isar­ia®,
CropSpec

* einige Hersteller rechnen eigene Faktoren auf den Indexwert

Ergebnisse und Diskussion

Die Eigenschaften und Eignung der Indizes zur Bestimmung von Bestandesparametern wurden anhand spek­traler Messungen in Weizen auf Praxisschlägen aus verschiedenen Projekten näher analysiert. Im Rahmen von Felderhebungen der Jahre 2011 und 2012 wurden 144 Weizenproben verschiedener EC Stadien auf einer Fläche von jeweils 0,5 m2 spektral vermessen, und Parameter wie Biomasse (Frischmasse), Blattflächenindex (LAI), Chlorophyllgehalt (Cab) und Stickstoffgehalt (N) bestimmt. Aus den Spektraldaten wurden die Indizes aus Tab. 1 berechnet und die Eignung der Indizes zur Bestimmung der oben genannten Parameter mit Hilfe einer Korrelationsanalyse untersucht (Tab. 2 und 3). Wie in Tab. 2 zu erkennen ist, sind die Bestandesparameter Biomasse und LAI, sowie Chlorophyllgehalt und LAI hoch miteinander korreliert. Stickstoff dagegen korreliert zwar schwach mit der Biomasse, nicht aber mit dem Chlorophyllgehalt! Damit ist eine gängige Hypothese, den Stickstoffzustand eines Bestandes anhand der Grünfärbung (Chlorophyllgehalt) zu bestimmen, und auf dieser Basis zu düngen als äußerst kritisch zu bewerten.

Tab. 2. Korrelationskoeffizienten nach Pearson und deskriptive Statistik für die Bestandesparameter Biomasse, Blattflächen­index (LAI), Chlorophyll a und b (Cab) und den Gesamtstickstoffgehalt (N)

 

Biomasse

LAI

Cab

N

  

Min

Max

Mittel

Biomasse

1

0.96**

0.69**

–0.41**

 

Biomasse [g/m2]

760

6528

3029

LAI

 

1

0.74**

–0.32**

 

LAI [m2/m2]

0,5

5,95

2,8

Cab

  

1

0,07

 

Cab [μg/ml]

8

36

23,4

N

   

1

 

N [%]

0,9

4,13

1,76

Tab. 3. Korrelationskoeffizienten nach Pearson zwischen ausgewählten Spektralindizes und den Bestandes­parametern Biomasse, Blattflächenindex (LAI), Chlorophyll a und b (Cab) und den Gesamtstick­stoffgehalt (N).

 

Biomasse

LAI

Cab

N

SR

0.65**

0.69**

0.58**

0,06

NDVI

0.65**

0.70**

0.56**

0,05

SAVI

0.65**

0.70**

0.56**

0,05

NDRE

0.79**

0.82**

0.70**

–0,02

REIP

0.82**

0.78**

0.77**

–0.21*

Problematisch bei der Verwendung der Vegetationsindizes aus Tab. 1 ist die Abnahme der Empfindlichkeit der Indizes mit Zunahme der Blattmasse (LAI). Dies führt dazu, dass beim Erreichen einer bestimmten Blattmasse Veränderungen durch die Indizes nicht mehr abgebildet werden (Abb. 8).

Abb. 8. Einfluss des Blattflächenindex (LAI) auf verschiedene Vegetationsindizes.

Abb. 8. Einfluss des Blattflächenindex (LAI) auf verschiedene Vegetationsindizes.

Während NDVI und SAVI bereits ab einem LAI von 2.5 ihre Sensitivität verlieren, sind SR und NDRE bis ca. 3.5 empfindlich. Der REIP wird erst ab einem LAI von 4 unempfindlich und hat damit von allen Indizes die größte Spannweite.

Die Abnahme der Empfindlichkeit der Indizes ist konzeptionell bedingt, da in den meisten Fällen nur Spektralbereiche im Rot und nahen Infrarot verwendet werden. Wie in Abb. 7 gezeigt wurde, verändert sich die Reflexion im Rot ab einem LAI von 2 kaum noch; der Vegetationsindex wird nur noch vom nahen Infrarot gesteuert. NDVI, SAVI und NDRE dividieren dann praktisch nur noch Infrarot durch Infrarot, der Indexwert verändert sich nicht mehr.


Fasst man alle Faktoren zusammen, so zeigt sich eine Reihe von Problemen bei den verwendeten Indizes:

• Die Korrelationen zwischen Bestandesparametern und den untersuchten Indizes unterscheiden sich zum Teil wesentlich. Um die Eignung eines kommerziellen landwirtschaftlichen Sensorsystems für eine bestimmte Applikation bewerten zu können, ist es daher notwendig, dass die Hersteller ihre verwendeten Indizes offenlegen.

• Die meisten Indizes reagieren hauptsächlich auf Biomasse und Blattflächenindex, schwach auf die Chlorophyllgehalte und nicht auf den Stickstoffgehalt der Vegetation. Eine direkte Ableitung des Stickstoffgehaltes aus derzeitig verfügbaren Sensorsystemen ist nicht möglich.

• Die meisten Indizes sind nur für Bestände bis zu einem LAI von ca. 3.5 sensitiv, für Bestände mit größeren Blattmassen kann keine Aussage mehr abgeleitet werden.

• Bei dünnen Beständen (LAI kleiner 1.5) hat das Bodensignal noch einen starken Einfluss auf die gesamte Spektralsignatur, eine Korrektur findet bisher jedoch nicht statt.

• Indizes, die außer Rot und nahmen Infrarot weitere Spektralbereiche nutzen (NDRE), sowie mehr als 2 Wellenlängen verwenden (REIP) zeigen stärkere Zusammenhänge zu den untersuchten Vegetationsparametern.

• Die Entwicklung von Applikations-Algorithmen auf der Basis von fehlerbehafteten Indizes führt zur Fehlerfortpflanzung.

Ausblick

Das Potenzial der optischen Fernerkundung zur Er­fassung von Bestandesparametern ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Die verfügbaren Systeme nutzen Auswertungsansätze, die vor 30 bis 40 Jahren für breitbandige Luftbilder und Satellitensysteme entwickelt wurden. Fortschritte in der Mikroelektronik erlauben es heute, kostengünstig kontinuierliche Spektren in 1 nm Auflösung aufzuzeichnen. Neue qualitativ hochwertige Daten erfordern auch andere bzw. neue Auswertungsansätze. Es ist jedoch ein Trend festzustellen, immer neue mathematisch optimierte Indizes zu entwickeln, die jedoch physiologisch keinen Zusammenhang zu den Reflexionseigenschaften der Pflanzen aufweisen.

Sehr erfolgsversprechend sind multivariate und chemometrische Verfahren, wie zum Beispiel die Partial Least Squares Regression (PLSR) oder Support Vector Machine Regression (SVR), die aus der Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS) stammen. Mit diesen Algorithmen lassen sich Bestandesparameter (LAI, Chlorophyllgehalt) aber auch Inhaltsstoffe (z.B. Schwefel- und Stickstoffgehalt) mit einer hohen Güte vorhersagen (Lilienthal et al., 2012; Siegmann et al., 2013). Die Modellkalibrierungen erfordern umfangreiche Probensätze und Analysedaten für jede Kultur in verschiedenen Entwicklungsstadien. Diese Datengrundlage wird derzeit am Julius Kühn-Institut (JKI) aufgebaut.

Zukünftig sollte es eine neue Generation optischer landwirtschaftlicher Sensorik geben, mit der auch quantitative Informationen über verschiedene Bestandesparameter erhoben werden können.

Verwendete Abkürzungen

GPS – Globales Positionierungs-System

REIP – Red Edge Inflection Point

PLSR – Partial Least Squares Regression

SVR – Support Vector Regression

NIRS – Nah-Infrarot Spektroskopie

Literatur

Barnes, E.M., T.R. Clarke, S.E. Richards, P.D. Colaizzi, J. Haberland, M. Kostrzewski, P. Waller, C. Choi, E. Riley, T. Thompson, R.J. Lascano, H. Li, M.S. Moran, 2000: Coincident detection of crop water stress, nitrogen status and canopy density using ground-based multispectral data [CD ROM]. In: P.C. Robert et al. (ed.), Proc. Int. Conf. Prec. Agric., 5th, Bloomington, MN. 16–19 July 2000. ASA, CSSA, and SSSA, Madison, WI.

Clevers, J.P.G.W., 1986: Application of remote sensing to agricultural field trials. Wageningen, Niederlande, Univ., Diss. 227 p.

Erasmi, S., 2002: Analyse spektroradiometrischer in situ Messungen als Datenquelle für die teilflächenspezifische Zustandsbeschreibung von Winterweizenbeständen. Göttingen, Deutschland, Univ., Diss. 201 p.

Goel, N.S., 1988: Models of vegetation canopy reflectance and their use in the estimation of biophysical parameters from reflectance data. Remote sensing reviews 4, pp. 1-222.

Guyot, G., F. Baret, D.J. Major, 1988: High spectral resolution: Determination of spectral shifts between the red and infrared. International Archives of Photogrammetry and Remote Sensing 11, 750-760.

Guyot, G., 1990: Optical properties of vegetation canopies. In: Steven, M.D., J.A. Clark (eds.), 1990, Applications of remote sensing in agriculture, Butterworths, Kent, England, pp. 19-43, ISBN 0-408-04767-4.

Horler, D.N.H., M. Dockray, J. Barber, 1983: The red edge of plant leaf reflectance, International Journal of Remote Sensing, 4:2, pp. 273-288.

Huete, A.R., 1988: A soil-adjusted vegetation index (SAVI). Remote Sens. Environ. Vol. 25, 89-105.

Jordan, C.F., 1969: Derivation of Leaf-Area Index from Quality of Light on the Forest Floor. Ecology 50, 663-666.

Knipling, E.B., 1970: Physical and physiological basis for the reflectance of visible and near-infrared radiation from vegetation. Remote Sensing of Environment 1, 155-159.

Leblon, B., 1997: Soil and vegetation optical properties. – In: The Remote Sensing Core Curriculum, Volume 4 Applications in Remote Sensing [online]. USA, zu finden in < http://rscc.umn.edu/rscc/Volume4/Leblon/leblon.htm > [zitiert am 15.01.2013].

Lilienthal, H., N. Richter, T. Jarmer, B. Siegmann, T. Selige, B. Höfle, 2012: Simulation landwirtschaftlicher Online-Sensorik mit Hilfe abbildender Hyperspektraldaten. In: 18. Workshop Computer-Bildanalyse in der Landwirtschaft, 9 Mai, Osnabrück. (Bornimer Agrartechnische Berichte, 78), pp. 64-72.

Pearson, R.L., L.D. Miller, 1972: Remote mapping of standing crop biomass for estimation of the productivity of the shortgrass prairie, Pawnee National Grasslands, Colorado. In: Proc. of the 8th International symposium on Remote sensing of the Environment II: pp. 1355-1379.

Rouse, J.W., R.H. Haas, J.A. Schell, D.W. Deering, 1974: Monitoring vegetation systems in the Great Plains with ERTS. Proceedings of the Earth Resources Technology Satellite Symposium, Washington DC, USA, NASA SP-351, Vol.1, pp. 309-317, 1973.

Schellberg, J., 1990: Die spektrale Reflexion von Weizen. Ein Beitrag zur Zustandsbeschreibung landwirtschaftlicher Kulturpflanzenbestände durch Fernerkundung. Bonn, Univ., Diss., 160 p.

Siegmann, B., T. Jarmer, H. Lilienthal, N. Richter, T. Selige, B. Höfle, 2013: Erfassung des Stickstoffgehalts von Weizen aus boden­gestützt erhobenen hyperspektralen Bilddaten. In: 19. Workshop Computer-Bildanalyse in der Landwirtschaft, 6.–7. Mai, Berlin. (Bornimer Agrartechnische Berichte, 81), pp. 133-140.

Verdebout, J., S. Jacquemoud, G. Schmuck, 1994: Optical properties of leaves: Modeling and experimental studies. In: Hill, J., J. Mégier (eds.), Imaging spectrometry – a new tool for environmental observations. Dodrecht, Bosten, London: Kluwer, pp. 169-193, ISBN 0-7923-2965-1.


Fußnoten:

*  

Der Artikel basiert auf einem Vortrag anlässlich des 1. Julius-Kühn- Symposiums „Sensorik im Pflanzenbau“.

ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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