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Mitteilungen und Nachrichten

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Oberlausitz-Stiftung: Neues Modell zum Obstsortenerhalt

Michael Schlitt
Affiliation
Oberlausitz-Stiftung, Ostritz

Journal für Kulturpflanzen, 71 (5). S. 136–137, 2019, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2019.05.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Michael Schlitt, Vorstandsvorsitzender der Oberlausitz-Stiftung, St. Marienthal 2/Propstei, 02899 Ostritz, E-Mail: info@oberlausitz-stiftung.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) zur Verfügung gestellt wird (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
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Die Sammlung historischer Obstsorten der Oberlausitz-Stiftung in Ostritz (Sachsen) umfasst derzeit 198 Apfel-, 105 Birnen-, 25 Pflaumen- und 39 Kirschsorten. 238 dieser Obstsorten stehen auf der „Roten Liste 2016“ der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Im Jahr 2019 wird die Sammlung um mehr als 100 weitere historische Obstsorten anwachsen.

Die Oberlausitz-Stiftung ist seit Herbst 2018 unterstützender Partner der „Deutschen Genbank Obst“ sowie langjähriges Mitglied im „Erhalternetzwerk Obstsortenvielfalt“ des Pomologen-Vereins e.V.

Aufbau eines „Pomarium Saxonicum“

Schwerpunkt der Obstsortensammlung der Oberlausitz-Stiftung ist der Erhalt historischer, sächsischer Sorten. Folgende Sorten wurden in dieses „Pomarium Saxonicum“ aufgenommen:

• Die in den Verzeichnissen des Normal-Obstsortiments für das Königreich Sachsen in den Jahren 1878, 1888 und 1902/1904 vom Sächsischen Landesobstbauverein sowie die im vom Landesverband Sachsen für Obst- und Weinbau 1924 herausgegebenen Obstsortenverzeichnis für Sachsen empfohlenen Sorten,

• Die aus Sachsen stammenden Obstsorten (z.B. Schöner von Herrnhut, Bautzener Hauszwetsche, die Birnensorte Grüne Hoyerswerder sowie die Kirschsorte Franzens Wilde); denn sie sind in besonderem Maße ein sächsisches Kulturgut.

Von den insgesamt 313 in den genannten Obstsortenverzeichnissen aufgeführten Obstsorten sind derzeit 27 Sorten verschollen.

Zudem werden im „Pomarium Saxonicum“ diejenigen an mehreren Standorten in Sachsen vorhandenen Obstsorten erhalten, die bislang von Pomologen noch nicht bestimmt werden konnten. Die Sicherung dieser Sorten ist besonders dringlich, da Sorten ohne Namen in der Regel nicht mehr weiter vermehrt werden.

Stiftungserrichtung mit kleinem Grundstockvermögen

Die Oberlausitz-Stiftung wurde im Jahr 2006 von Bettina Schlitt und Dr. Michael Schlitt (Görlitz) errichtet. Diese Stiftung gehört vermutlich zu den kleinsten Stiftungen in Deutschland. Zum Grundstockvermögen gehören lediglich 10.000 € und eine ca. 2,5 ha große Wiese mit etwas mehr als 200 Obstbäumen (Abb. 1 und 2). Neben dem Ehepaar Schlitt gibt es mit Dr. Ulrich Kessler (Görlitz) noch ein drittes Vorstandsmitglied der Stiftung. Alle Vorstandsmitglieder arbeiten ehrenamtlich und nebenberuflich. Weitere Mitarbeiter der Stiftung gibt es nicht. Der Erhalt der Sammlung sowie deren Dokumentation (Datenbank, eigene Website etc.) erfolgt ausschließlich mit privaten finanziellen Mitteln. Hierzu gehören auch die Vergabe von Obstbaumpatenschaften und Crowdfunding-Aktionen.

Abb. 1. Die Oberlausitz Stiftung hat 2006 eine 2,5 ha große Wiese erworben und dort mehr als 200 hochstäm­mige Obstbäume unterschiedlicher Sorten ange­pflanzt. Entstanden ist so ein „Obstsorten­garten der Oberlausitz“

Abb. 1. Die Oberlausitz Stiftung hat 2006 eine 2,5 ha große Wiese erworben und dort mehr als 200 hochstäm­mige Obstbäume unterschiedlicher Sorten ange­pflanzt. Entstanden ist so ein „Obstsorten­garten der Oberlausitz“

Abb. 2. Streuobstwiese mit historischen Obstsorten der Oberlausitz-Stiftung

Abb. 2. Streuobstwiese mit historischen Obstsorten der Oberlausitz-Stiftung

Hochstämmige Obstbäume ohne Fungizideinsatz

Für einen möglichst langen Erhalt der Obstsorten wurden mehr als 95% der Sorten in Ostritz auf Hochstämmen als Ein-Sorten-Bäume angepflanzt. Der Pflanzabstand betrug je nach Sorte 8–12 Meter. Auf Fungizide wurde und wird völlig verzichtet. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, die Vitalität der angebauten Sorten „ungeschminkt“ beobachten zu können.

Bereitstellung weiterer Flächen zum Obstsortenerhalt durch Dritte

Um die Sammlung historischer Obstsorten zu erweitern, haben Dritte (private Eigentümer sowie die Stiftung Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal) vier Wiesenflächen in Ostritz mit einer Gesamtgröße von mehr als sechs Hektar kostenlos zur Verfügung gestellt. Auf diesen Flächen befanden sich bereits insgesamt 87 hochstämmige ca. 80 Jahre alte Obstbäume. Die Oberlausitz-Stiftung kümmert sich um die weitere Bepflanzung der Wiesen mit historischen Obstsorten und sorgt in den ersten drei Jahren für Pflanzschnitt, Bewässerung etc. Auch sorgt die Oberlausitz-Stiftung für die Dokumentation der angepflanzten Sorten sowohl direkt am Baum als auch in Pflanzplänen, einer gemeinsamen Datenbank und Auflistung der Sorten inkl. deren Synonymen auf der Website der Stiftung. In einem Vertrag wird der Oberlausitz-Stiftung von den Wieseneigen­tümern jeweils zugesichert, dass die angepflanzten Obstbäume dauerhaft erhalten werden. Auch dürfen von diesen Bäumen zur Weiterverbreitung der Sorten Edelreiser und für Sortenschauen in geringen Mengen Früchte entnommen werden.

Aufbau von Schülerfirmen

Einen dauerhaften Erhalt vieler verschiedener Obstsorten erreicht man am besten durch deren Nutzung. Die Nutzung des in Ostritz anfallenden Obstes erfolgt durch sogenannte „Schülerfirmen“ von einem Görlitzer Gymnasium und einer Oberschule in Reichenbach. Der Aufbau dieser Schülerfirmen wird von der Oberlausitz-Stiftung unterstützt. In der Praxis sammeln die Schüler das Obst und lassen es zu Obstsaft verarbeiten. Sie verkaufen den Saft bei Schulfesten, Adventsmärkten und anderen Gelegenheiten. In der Theorie lernen die Schüler etwas über Streuobstwiesen (Biologie), Unternehmensführung (Gemeinschaftskunde), Preiskalkulation (Mathematik), Produktdesign (Kunstunterricht) etc.

Durch die Schülerfirmen wird somit u.a. unternehmerisches Handeln und die Notwendigkeit des Erhalts historischer Obst­sorten vermittelt. Auch hofft die Oberlausitz-Stiftung, auf diese Weise weitere Menschen zur Mitwirkung zu gewinnen.

Das „Ostritzer Modell“ zum Obstsortenerhalt

Das von der Oberlausitz-Stiftung entwickelte „Ostritzer Modell“ zum Obstsortenerhalt ist somit gekennzeichnet durch

• Einen regionalen Sammlungsschwerpunkt,

• Den Einbezug von privaten und gemeinnützigen Wiesenflächen,

• Den Aufbau von Schülerfirmen und

• Die Unterstützung der genannten Aktivitäten durch eine Stiftung, die nur ein geringes Grundstockvermögen benötigt.

Dieses Modell dürfte sich ohne Weiteres auch auf andere Regionen übertragen lassen. Dadurch kann der Erhalt zahlreicher weiterer Obstsorten kostengünstig und dauerhaft sichergestellt werden.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
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Präsident und Professor
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