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Übersichtsarbeit

Laubwandbezogene Darstellung der Aufwandmenge bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Rebindikationen

Leaf wall area related dose within the framework of the authorisation for plant protection products in grape vine uses

Gregor Kral1, Georg Hill2, Martin Hommes3, Roland Ipach4, Heribert Koch6, Friedrich Louis5 und Oliver Strub7
Affiliationen
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Abteilung 2 Pflanzenschutzmittel, Braunschweig1
67577 Alsheim, Ludwigstr. 2, ehem. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe Hunsrück, Abteilung Weinbau, Bad Kreuznach2
Ehem. Julius-Kühn-Institut (JKI) Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, Braunschweig3
67435 Neustadt a.d. Weinstraße, Fuchsfarmstraße 24, ehem. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Abteilung: Institut für Phytomedizin, Neustadt4
67433 Neustadt a.d. Weinstraße, Mandelring 269, ehem. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, Abteilung: Institut für Phytomedizin, Neustadt5
Ehem. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe Hunsrück, Abteilung Landwirtschaft, Bad Kreuznach6
67586 Hillesheim, Dolgesheimer Straße 4, ehem. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe Hunsrück, Abteilung Landwirtschaft, Bad Kreuznach7

Journal für Kulturpflanzen, 71 (8/9). S. 229–237, 2019, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2019.08-09.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Gregor Kral, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Abteilung 2 Pflanzenschutzmittel, Messeweg 11–12, 38104 Braunschweig, E-Mail: gregor.kral@bvl.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
14. August 2019
Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) zur Verfügung gestellt wird (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
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Zusammenfassung

Mit Pflanzenschutzmittel zu behandelnde Kulturpflanzen werden im Spritz- oder Sprühverfahren in der Regel durch eine waagerecht oder senkrecht zur Erdoberfläche geführte Einrichtung behandelt, je nachdem ob es sich um eine Flächenkultur – wie z.B. Getreide oder Kartoffel – bzw. um eine Raumkultur – wie z.B. Weinrebe oder Apfel – handelt. Da die Zielfläche bei Raumkulturen in aller Regel nicht wie bei Flächenkulturen identisch mit der Grundfläche ist, soll auch bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln die Aufwandmenge auf die tatsächlich zu behandelnde Fläche bezogen werden, nämlich auf die Laubwandfläche.

Bei der Zulassung von Indikationen in Weinrebe, Kern­obst und hochwachsende Gemüsekulturen soll die Wirksamkeitsbewertung laubwandflächenbasiert erfolgen. Entsprechend wird die Beschreibung der Anwendungen zusätzlich mit der Angabe einer laubwandflächenbasierten Aufwandmenge ergänzt. Die Konsequenzen für die Zulassung und die weinbauliche Praxis werden dargestellt.

Stichwörter: laubwandflächenbezogene Aufwandmenge, Aufwandmengenbezug, Dosierung, Raumkultur, Laubwandfläche, Zulassung, Weinbau

Abstract

Plant protection products are usually applied as a spray application with the help of a boom sprayer. Depending on whether it is a field crop – such as cereal or potato – or a high growing crop – such as grapevine or apple – the boom sprayer is horizontally or vertically guided parallel in relation to the target surface.

In the case of high growing crops the target area is generally not identical to the ground area as it is the case of field crops. Within the authorisation the dosage of plant protection products in high growing crops should also be related to the real treated area, namely the leaf wall area.

The efficacy assessment should be based on the leaf wall area when approving uses of vine grape, pome fruits or high growing vegetable crops. In future the efficacy assess­ment should be based on the leaf wall area when approving vine grape uses. Accordingly, the description of the uses is adapted with an additional information of a leaf wall area based application rate. The consequences for the registration and the viticulture practice are presented.

Key words: leaf wall area related dose, dose expression, dosage, high growing crop, leaf wall area, registration, viticulture

Einleitung

Aufwandmengenbezüge bei der Pflanzenschutzmittelanwendung mussten bereits seit Inkrafttreten der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Europäische Gemeinschaften, 1991) in metrischen Einheiten angegeben werden, also in Kilogramm oder Liter Mittel pro Flächeneinheit und nicht in Form einer Anwendungskonzentration in der Spritzflüssigkeit. Folgerichtig fordert dies auch der EPPO Standard Dose expression for plant protection products (PP 1/239(2)) (EPPO, 2012) mit folgender Formulierung: „The units used should always be in the metric system. Generally the amount of commercial product will be given in kg or L …“.

Hintergrund ist die notwendige Angabe der exakten Aufwandmenge eines Mittels, welche für die Bewertung der möglichen Risiken bei einer Pflanzenschutzmittelanwendung z.B. auf Umwelt und Mensch ebenso Voraussetzung ist wie für den Anwender selbst, der Pflanzenschutzmittel sachgerecht anwenden soll. In der Regel wird die Aufwandmenge auf einen Hektar Grundfläche bezogen. In Flächenkulturen, wie Getreide oder Kartoffel, ist die zu behandelnde Kulturfläche dabei identisch mit der zu behandelnden Grundfläche. In den sog. Raumkulturen, wie z.B. in Apfel- oder in Rebanlagen wird hingegen ein Spritzgestänge nicht parallel zur Boden­oberfläche geführt, sondern auf die Laubwand einer Kultur ausgerichtet. Somit gilt die übersprühte Laubwandfläche als Behandlungsfläche, auf die ein Flüssigkeitsvolumen mit einer Produktmenge appliziert wird, wie in der Dosiergleichung [Liter Spritzflüssigkeit/10.000 m2 = l/min × 600: m × km/h] zum Ausdruck kommt. Die tatsächlich behandelte Fläche (Laubwandfläche) unter­scheidet sich hierbei in der Regel von der Grund­fläche einer Anlage. In der praktischen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist dies bei der Einstellung der Spritz- und Sprühgeräte zu beachten. Es wird angestrebt, die Produkt-Aufwandmenge künftig zusätzlich in der Einheit kg oder l pro 10. 000 m2 Laubwandfläche anzugeben und nicht mehr nur in der Einheit kg oder l pro ha Grund­fläche.

Mit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Europäische Union, 2009) erfolgt die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln in zonalen Verfahren. Harmonisierungen müssen damit stärker als zuvor angestrebt werden. Dabei muss die Basis für die Bewertung eine verständ­liche und einheitliche Grundlage haben, um Daten in allen Mitgliedsstaaten der EU (MS) für die zonalen Verfahren nutzen zu können. Eine Voraussetzung dafür ist eine harmonisierte Anwendungsbeschreibung (GAP = good agricultural practice). Die GAP bildet als Beschreibung der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels die Bewertungsbasis im Zulassungsverfahren. Eine der wichtigsten Größen dabei ist die Produkt-Aufwandmenge, wobei die Einheit, worauf sich diese Menge bezieht („dose expression“), in den MS noch unterschiedlich beschrie­ben wird. Verwendete „dose expression“ in Raumkulturen sind kg oder l pro Hektar, kg oder l pro Hektar und Meter Kronenhöhe, kg oder l pro 10.000 m2 Laubwandfläche oder kg oder l pro m³ Kronenvolumen pro Hektar („tree row volume“) (Frießleben et al., 2007; Koch, 2007).

Grundlagen der laubwandbezogenen Darstellung der Aufwandmenge

Zur Harmonisierung des Aufwandmengenbezugs („dose expression“) in Raumkulturen spricht sich für den Prüfbereich der Wirksamkeit der EPPO Standard Dose expression for plant protection products (PP 1/239(2)) (EPPO, 2012) für den Laubwandflächenbezug aus: „This standard notes that ‘per treated leaf wall area unit’ (LWA) is becom­ing a common dose expression method in 3 dimen­sional crops“.

Als Grund wird die Ungenauigkeit bei der Dosierung angeführt, die sich beim Arbeiten mit einer Anwendungskonzentration ergeben: „One very commonly used expression of dose in three dimensional crops is concentration of the formulated product in the spray volume (e.g. dose per hL or %). However, a dose expressed in this way may give highly variable deposits of active substance, mainly due to crop structure, to application (spraying) technique and to the volume of water used. This is particularly true for high-growing crops of variable size in various planting systems (e.g. orchards). As such, it is recognised that this expres­sion is no longer sufficient“.

Da die MS noch verschiedene Aufwandmengenbezüge im Rahmen des Zulassungsverfahrens verwenden, muss für eine harmonisierte Beschreibung eine Konvertierung der Aufwandmengenbezüge vorgenommen werden können. Im EPPO Standard Dose expression for plant protec­tion products (PP 1/239(2)) (EPPO, 2012) werden die Konvertierungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Aufwandmengenbezügen in Raumkulturen beschrieben. Dazu müssen bei der Durchführung von Studien bestimmte Strukturdaten zur Bestandesgeometrie der Versuchsanlage erhoben werden. Sind die erforderlichen Konvertierungsdaten ermittelt bzw. werden die Studien nach einheitlichen Aufwandmengenbezügen angelegt, kann die Anzahl der durchzuführenden Studien erheblich reduziert werden, da sie in den MS im Rahmen der Zulassungsverfahren und der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen anerkannt werden. Zusätzlich wird die Bewertung für die MS im Rahmen des Zulassungsverfahrens erleichtert. So heißt es im EPPO Standard: „To allow better exchange of data between countries, to avoid unnecessary repetition of trials … dose expression should be harmonized in trial reports … As such, both regulators and industry require a common simplified approach to dose expression in order to facilitate the authorisation of products and Mutual Recognition between EU Member States.„

Für Anwendungen im Weinbau wird in Deutschland derzeit im Rahmen der Zulassungsprüfung und der Ausweisung zugelassener Pflanzenschutzmittel die Auf­wand­menge in der Regel in Abhängigkeit von BBCH Stadien (Meier, U. 2018) auf die Grundfläche bezogen (kg oder l/ha). Bei dem in Deutschland verwendeten sogenannten Faktorsystem für Rebanlagen sind oft vier Stufen ausgewiesen: Basisaufwand, Basisaufwand × 2 (BBCH 61), × 3 (BBCH 71), × 4 (ab BBCH 75). Aufgrund der internationalen Harmonisierungsbestrebungen, die Aufwandmengenbezüge auf die tatsächlich zu behandelnde Fläche (entspricht der von den geöffneten Düsen tatsächlich übersprühte Behandlungsfläche) zu beziehen, soll für die Weinbauanwendungen im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln die Erweiterung der Mengenangaben auf die Laubwandfläche vorgenommen werden. Dabei soll unter Laubwandfläche nicht nur die Laubwand im engeren Sinne verstanden werden, sondern der gesamte von den Düsen abgedeckte Rebstock­bereich, der neben der sogenannten Laub- auch eine Traubenzone enthält. Unter Laubwand sollen aber auch Teilflächen gemeint sein, wenn z.B. nur die Traubenzone oder beim chemischen Entfernen von Stocktrieben der Stammbereich der Rebe behandelt wird. Die behandelte Laubwandfläche ergibt sich somit in der Regel aus dem senkrecht gestellten Spritzband, das von den geöffneten Düsen erzeugt wird. Die Fläche des Spritzbandes errechnet sich aus behandelter Reihenlänge (Laubwandlänge) und Behandlungshöhe. Im Weinbau wird in der Regel bei konventionellen Spritz-und Sprühgeräten mit jeder Düse ein Spritzband von ca. 30 cm Breite erzeugt. In Abb. 1 sind die Geometriedaten einer Rebanlage dargestellt.

Abb. 1. Darstellung der Geometriedaten einer Rebanlage. Die zu behan­delnde Laubwandfläche [m2/ha Grundfläche] errechnet sich bei beidseitiger Be­handlung wie folgt: = Höhe des Spritzbandes [m] × 2 × 10.000 m2/Reihenbreite [m] (Quelle: Ipach, 2018)

Abb. 1. Darstellung der Geometriedaten einer Rebanlage. Die zu behan­delnde Laubwandfläche [m2/ha Grundfläche] errechnet sich bei beidseitiger Be­handlung wie folgt: = Höhe des Spritzbandes [m] × 2 × 10.000 m2/Reihenbreite [m] (Quelle: Ipach, 2018)

Betreffs weiterer Harmonisierungsbestrebungen hat die EPPO im Oktober 2016 in Wien einen „Workshop on harmonized dose expression for the zonal evaluation of plant protection products in high growing crops„ durchgeführt. Die Diskussion wurde kulturspezifisch geführt und dabei erneut festgestellt, dass in Raumkulturen ein Bezug der Aufwandmenge auf die behandelte Laubwandfläche die passende Dosiervorgabe darstellt und dass diese Größe in der Wirksamkeitsbewertung verwendet werden soll. Dies wurde für die Kulturen Kernobst, Weinrebe und hochwachsende Gemüsekulturen entschieden: „Leaf Wall Area (LWA) was agreed as an appropriate dose expression for plant protection products in pome fruit, grapevine and high growing vegetables„ and „Kg or L/ha ground dose expression is not to be used in the zonal efficacy evaluation of plant protection products as it is not linked to any crop structure parameters„ (EPPO, 2016).

Im Central Zone Steering Committee (CZSC) der EU wurde beschlossen, dass für neue Mittel ab dem Jahr 2020 für die Wirksamkeitsbewertung alle Zulassungs­anträge u. a. für Weinbauindikationen in der zentralen Registrierungszone mit der zusätzlichen Angabe einer laubwandflächenbezogenen Dosierung beschrieben sein müssen (CIRCABC, 2017; BVL, 2018). Es wird angestrebt, dass dies auch für Anträge auf erneute Zulassung umgesetzt wird.

Die Voraussetzungen für die Bewertung möglicher Risi­ken von Pflanzenschutzmittelanwendungen bei laubwandflächenbezogener Darstellung der Aufwandmenge im Rahmen der Zulassungsprüfung werden in späteren Kapiteln dargelegt. So muss eine Umrechnung der Aufwandmenge auf die Grundfläche bezogen zu verschiedenen BBCH Stadien der Kulturpflanze möglich sein.

Eine wichtige Frage bei der Einführung der laubwandflächenbasierten Dosierung im Weinbau ist, ob die Aufwandmenge bezogen auf die Laubwandfläche im Saisonverlauf gleichbleiben kann oder ob aufgrund einer Zunahme der Laubwanddichte eine Anpassung der Aufwandmenge zur Erzielung einer hinreichenden Wirksamkeit vorgenommen werden muss. Über die Ergeb­nisse dazu wird nachfolgend berichtet.

Für die neue Darstellung der Aufwandmengenbezüge müssen Regeln getroffen werden, wie mit bestehenden Zulassungen und Anträgen auf Zulassung umgegangen werden soll. Bei Anträgen ist zu unterscheiden zwischen neuen Mitteln, welche erstmalig beantragt werden und bereits bestehenden Zulassungen, die erneut beantragt werden. Insbesondere bei Antragstellungen auf eine erneute Zulassung liegen Studien vor, bei denen die Aufwandmenge auf Basis der Grundfläche (Faktorsystem) beschrieben ist. Es wird dargestellt, wie bei solchen Anträ­gen die GAP hinsichtlich der Dosiervorgabe vom alten Faktorsystem auf das neue laubwandbezogene System transformiert werden kann.

Ferner wird beschrieben, was insbesondere bei den durchzuführenden Wirksamkeitsstudien, welche im Rahmen der Zulassungsprüfungen erarbeitet werden, zu beach­ten ist. Auch hier gibt der EPPO Standard Dose expression for plant protection products (PP 1/239(2)) (EPPO, 2012) klare Vorgaben.

Beschreibung der Laubwandflächen in Abhängigkeit der Abmessungen deutscher Rebanlagen

Nach Erhebungen von Ipach (2019) können Rebanlagen in Deutschland mit einer Drahtrahmenerziehung im Extremfall bis zu 18.000 m2 Laubwandfläche pro ha Grundfläche messen. Dabei wird eine Laubwand von beiden Seiten betrachtet. Durchschnittliche Rebanlagen messen etwa 15.000 m2 Laubwandfläche pro ha Grundfläche. Die übliche Erziehungsform ist dabei die Drahtrahmenerziehung (Bogreberziehung). Typisch bezüglich der Laubwandfläche ist hierbei, dass ein Zuwachs in der Vegetationsperiode stattfindet, wie in den Tab. 1a bis 1c dargestellt ist. Diese Erziehungsform macht etwa 97% der deutschen Rebfläche aus.

Tab. 1a. Zu behandelnde Laubwandfläche (LWF) im Verlauf der Vegetationsperiode mit resultierendem Hektar­aufwand [kg/ha Grundfläche (GF)], „Normal“-Rebanlage mit 2,0 m Reihenabstand und 1,5 m hoher Laubwand (15.000 m2 LWF/ha GF)

Spritzter­min
[BBCH]

Laubwandhöhe
[m]

Düsen
[Anzahl]

Laubwandfläche
[m2 LWF/ha GF]

Aufwand/ha LWF
[kg/10.000 m2 LWF]

Aufwand/ha GF
[kg/ha GF]

13–17

0,5

2

5.000

1

0,5

53–57

0,75

3

7.500

1

0,75

57–61

0,9

3

9.000

1

0,9

68

1,2

4

12.000

1

1,2

71

1,5

5

15.000

1

1,5

73

1,5

5

15.000

1

1,5

75

1,5

5

15.000

1

1,5

75–81

1,5

5

15.000

1

1,5

Tab. 1b. Zu behandelnde Laubwandfläche (LWF) im Verlauf der Vegetationsperiode mit resultierendem Hektar­aufwand [kg/ha Grundfläche (GF)], „90. Perzentil“-Rebanlage mit 2,0 m Reihenabstand und 1,6 m hoher Laubwand (16.000 m2 LWF/ha GF)

Spritzter­min
[BBCH]

Laubwandhöhe
[m]

Düsen
[Anzahl]

Laubwandfläche
[m2 LWF/ha GF]

Aufwand/ha LWF
[kg/10.000 m2 LWF]

Aufwand/ha GF
[kg/ha GF]

13–17

0,6

2

6.000

1

0,6

53–57

0,9

3

9.000

1

0,9

57–61

1,2

4

12.000

1

1,2

68

1,3

4

13.000

1

1,3

71

1,5

5

15.000

1

1,5

73

1,5

5

15.000

1

1,5

75

1,6

5

16.000

1

1,6

75–81

1,6

5

16.000

1

1,6

Tab. 1c. Zu behandelnde Laubwandfläche (LWF) im Verlauf der Vegetationsperiode mit resultierendem Hektar­aufwand [kg/ha Grundfläche (GF)], „worst case“-Rebanlage mit 1,90 m Reihenabstand und 1,7 m hoher Laubwand (18.000 m2 LWF/ha GF)

Spritzter­min
[BBCH]

Laubwandhöhe
[m]

Düsen
[Anzahl]

Laubwandfläche
[m2 LWF/ha GF]

Aufwand/ha LWF
[kg/10.000 m2 LWF]

Aufwand/ha GF
[kg/ha GF]

13–17

0,6

2

6.315

1

0,63

53–57

0,9

3

9.474

1

0,95

57–61

1,2

4

12.632

1

1,26

68

1,3

4

13.684

1

1,37

71

1,5

5

15.789

1

1,58

73

1,6

5

16.842

1

1,68

75

1,7

5

17.894

1

1,79

75–81

1,7

5

17.894

1

1,79

Die Berechnung der möglichen Laubwandflächen basiert auf modernen Rebanlagen mit einer Reihenbreite von mindestens 2,00 m. Reihenbreiten unter 2,00 m werden nur in sehr wenigen Fällen noch angelegt und sind in der Regel dem Geländeprofil geschuldet. Die Laubwandhöhe wird durch Laubschnittmaßnahmen in aller Regel auf 1,50 bis 1,60 m begrenzt. Bei einer vorhandenen Zeilenlänge von 5.000 m/ha Rebfläche ergibt sich dadurch eine Laubwandfläche von 15.000 bis max. 16.000 m2. Bei breiteren Rebgassen verringert sich die Rebzeilenlänge und damit die Laubwandfläche, da bei diesen Anlagen die Laubwandhöhe nicht oder nur unwesentlich höher ist. Größere Laubwandflächen werden nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel in einer nur 1,90 m breiten Rebanlage mit einem verspäteten Laubschnitt und dadurch bedingt einer höheren Laubwandhöhe von 1,60 m bis 1,70 m (Tab. 1c), erreicht.

Andere Erziehungsformen wie zum Beispiel Einzel­stock- oder Pfahlerziehung sind nur noch in sehr geringem Umfang in Terrassen- oder Steilstlagen vorhanden.

Sondererziehungsformen wie z.B. Minimal-/Nicht­schnitt­anlagen besitzen von Beginn der Vegetations­periode an bereits eine hohe Laubwand, so wie sie im späteren Jahresverlauf bei der Drahtrahmenerziehung je nach Rebsorte erst während oder kurz nach der Blüte erreicht wird (Tab. 1d). Solche Anlagen werden in der Regel auf älteren Drahtrahmenanlagen errichtet, um den arbeits- und zeitintensiven Winterschnitt zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. Werden neue Rebanlagen schon als Minimal-/Nichtschnittanlagen konzipiert, so werden in der Regel die Rebgassen aus arbeitstechnischer Sicht breiter angelegt, was damit zu einer Verringerung der maximalen Laubwandflächen pro ha führt. Diese Anlagenformen machen nur weniger als 3% der deutschen Rebfläche aus.

Tab. 1d. Zu behandelnde Laubwandfläche (LWF) im Verlauf der Vegetationsperiode mit resultierendem Hektar­aufwand [kg/ha Grundfläche (GF)], „worst case“ – Minimal-/Nichtschnittanlage mit 2,0 m Reihenab­stand und 1,7 m hoher Laubwand (17.000 m2 LWF/ha GF)

Spritzter­min
[BBCH]

Laubwandhöhe
[m]

Düsen
[Anzahl]

Laubwandfläche
[m2 LWF/ha GF]

Aufwand/ha LWF
[kg/10.000 m2 LWF]

Aufwand/ha GF
[kg/ha GF]

13–17

1,5

5

15.000

1

1,5

53–57

1,6

5

16.000

1

1,6

57–61

1,6

5

16.000

1

1,6

68

1,7

5

17.000

1

1,7

71

1,7

5

17.000

1

1,7

73

1,7

5

17.000

1

1,7

75

1,7

5

17.000

1

1,7

75–81

1,7

5

17.000

1

1,7

Wirksamkeitsversuche zur laubwandflächenbezogenen Angabe der Aufwandmenge im Vergleich zum bisherigen Faktorsystem

Vor einer möglichen Einführung der neuen laubwandbezogenen Dosierung musste geprüft werden, ob die Wirkung gegenüber den zu bekämpfenden Schaderregern durch eine geänderte Dosierung (Faktorsystem versus laubwandflächenbezogenem Aufwand) beeinflusst wird. Dazu wurden über 3 Jahre Wirksamkeitsversuche an verschiedenen Standorten in Deutschland angelegt. Die Bekämpfungs­versuche richteten sich gegen die beiden wichtigsten pilzlichen Schaderreger – Echter und Falscher Mehltau. Für die Umrechnung der Aufwandmengen nach dem Faktorsystem auf eine laubwandbezogene Dosierung wurde eine Laubwandfläche von 15.000 m2 je ha Grundfläche angenommen, was einer durchschnittlichen Größe von Laubwandflächen in Deutschland entspricht. Diese Fläche wird etwa ab dem Entwicklungsstadium BBCH 71 erreicht. Hier arbeitet das Faktorsystem noch mit dem Faktor 3. Die max. Aufwandmenge mit Faktor 4 erreicht dieses System jedoch erst mit dem Stadium BBCH 75. Diese Steigerung des Mittelaufwandes ohne weitere Erhöhung der Laubwand und damit der Laubwandfläche ist dem Umstand geschul­det, dass die Laubwand durch Zuwachs von Geiztrieben dichter und auch die Oberfläche der Beeren deutlich größer wird. Aus diesem Grunde wurden für die Versuche die Umrechnungen der Aufwandmengen in einer Variante auf den Faktor 3, in einer weiteren Vari­ante auf den Faktor 4 bezo­gen. Diese beiden Varianten wurden dem gängigen Faktorsystem und einer unbehandelten Kontrolle gegenübergestellt.

Über den gesamten Versuchsumfang betrachtet gab es zwischen den 3 Behandlungsvarianten keine signifikanten Unterschiede bei der Wirksamkeit gegen beide Schad­erreger. Eine mögliche Erklärung für die vergleichbare Wirksamkeit der geringeren Aufwandmenge (15.000 m2 Laubwandfläche berechnet auf Faktor 3) gegenüber dem Faktorsystem mit max. Faktor 4 könnte sein, dass bei der laubwandbezogenen Dosierung bei den frühen Stadien und in dem sehr empfindlichen Zeitraum um die Blüte höhere Dosierungen vorgenommen werden (Tab. 2a). Dadurch könnten die Reben die empfindlichen Phasen gesünder überstanden haben. Nach dem Fruchtansatz fallen die Aufwandmengen der laubwandabhängigen Dosierung gegenüber dem Faktorsystem geringer aus, was aber durch eine verringerte Empfindlichkeit der Beeren und Blätter gegenüber den Schaderregern kompensiert werden kann. Zudem werden heute die Laubwände vor allem im Traubenzonenbereich stärker entblättert und so die Trauben freier gestellt. Eine Erhöhung der laubwandflächenbezogenen Aufwandmenge wegen einer dichter werdenden Laubwand nach der Blüte ist daher nicht notwendig, um eine ausreichende Wirkung zu erzielen. Es ist somit ausreichend über die gesamte Saison hinweg die gleiche laubwandflächenbezogene Aufwandmenge beizubehalten. Bei Behandlungen mit Pflanzenschutzmitteln anderer Wirkbereiche, wie z.B. Insektiziden, ist die Umrechnung der zugelassenen grundflächenbezogenen Aufwandmenge auf eine laubwandflächenbezogene Aufwandmenge weniger problematisch, da hier nicht von dem Faktorsystem, sondern meist von bestimmten Anwendungszeitpunkten bzw. Entwicklungsstadien der Weinrebe umgerechnet werden muss. 

Tab. 2a. Umrechnung der Aufwandmengen vom derzeitigen Dosiersystem (Faktorsystem mit Grundflächenbe­zug) auf die Laubwandfläche (LWF) sowie ihrer Rückrechnung zur grundflächenbezogenen Hektarauf­wandmenge nach ausgewähltem laubwandbasiertem Aufwand von 2,0 kg/10.000 m2 LWF; Rebanlage mit 16.000 m2 Laubwandfläche (LWF) pro Hektar Grundfläche (GF) (90 Prozent aller deutschen Reb­anlagen sind damit subsumiert)

Typische Spritzzeitpunkte
[BBCH]

Laubwandfläche
[m2]

Aufwand
(Bsp. 1 bis 4 kg) nach derzeitigem Dosier­modell (Faktorsys­tem)
[kg/ha GF]

Aufwand
abgeleitet vom Faktorsystem
[kg/10.000 m2 LWF]

Rückrechnung eines laubwandflächen­­bezogenen Aufwands von 2,0 kg/10.000 m2 LWF auf ha GF
[kg/ha GF]

13–17

6.000

1

1,66

1,2

53 bis 57

9.000

1,5

1,66

1,8

57 bis 61

12.000

2

1,66

2,4

68

13.000

2,5

1,92

2,6

71

15.000

3

2,00

3,0

73

15.000

3,5

2,30

3,0

75

16.000

4

2,50

3,2

75 bis 81

16.000

4

2,50

3,2

Tab. 2b. Umrechnung der Aufwandmengen vom derzeitigen Dosiersystem (Faktorsystem mit Grundflächenbe­zug) auf die Laubwandfläche (LWF) sowie ihrer Rückrechnung zur grundflächenbezogenen Hektarauf­wandmenge nach ausgewähltem laubwandbasiertem Aufwand von 2,0 kg/10.000 m2 LWF; Rebanlage mit 18.000 m2 Laubwandfläche (LWF) pro Hektar Grundfläche (GF) (fast alle deutschen Rebanlagen sind damit subsumiert)

Typische
Spritzzeitpunk­te
[BBCH]

Laubwandfläche
[m2]

Aufwand
(Bsp. 1 bis 4 kg) nach derzeitigem Dosier­modell (Faktorsys­tem)
[kg/ha GF]

Aufwand
abgeleitet vom Faktorsystem
[kg/10.000 m2 LWF]

Rückrechnung eines laubwandflächen­­bezogenen Aufwands von 2,0 kg/10.000 m2 LWF auf ha GF
[kg/ha GF]

13 bis 17

6.315

1

1,58

1,26

53 bis 57

9.474

1,5

1,58

1,89

57 bis 61

12.632

2

1,58

2,53

68

13.684

2,5

1,83

2,74

71

15.789

3

1,90

3,16

73

16.842

3,5

2,08

3,37

75

17.894

4

2,24

3,58

75 bis 81

17.894

4

2,24

3,58

Angabe einer laubwandflächenbezogenen Dosierangabe im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

Bedeutung für die Durchführung von Wirksamkeitsstudien im Rahmen der Mittelprüfung

Für Anträge neuer Mittel ab 2020 ist in der zentralen Regis­trierungs­zone – wie eingangs erwähnt – die hinreichende Wirksamkeit für Rebindikationen mit laubwandflächenbezogenem Aufwand zu belegen (BVL, 2018). Die Wirksamkeitsprüfung erfolgt dann auf Basis einer laubwandflächenbezogenen Aufwandmenge; die Wirksamkeitsstudien müssen entsprechend durchgeführt worden sein.

Rückstandsstudien werden weiterhin mit Bezugsbasis der Aufwandmenge auf Hektar Grundfläche bewertet. Zur besseren Bewertungsmöglichkeit der Rückstandsstudien ist die Erhebung der Geometriedaten der Versuchsanlage aber ebenso wünschenswert.

Da in Mitgliedstaaten der anderen Registrierungs­zonen auch nach 2020 immer noch unterschiedliche Dosier­vorgaben im Rahmen der Zulassung gefordert werden, müssen die Geometriedaten der Versuchsanlage stets erfasst und berichtet werden. Dazu heißt es im EPPO Standard Dose expression for plant protection products (PP 1/239(2)): „Different modes of dose expression have been adopted, based on ‘standard orchard’, ‘leaf wall area’, ‘tree-row volume’ or ‘tree-area density’, and used on the labels of plant protection products. It is generally recognised that concentration is no longer sufficient. … Several methods are available in parallel, and any can be used provided that adequate information is given on the experimental plots, so that the data can be recalculated.„ (EPPO, 2012).

Weiter wird in dem EPPO Standard ausgeführt, welche Daten erhoben werden müssen, um bei unterschiedlichen dose expression Konvertierungsmöglichkeiten zu haben. Dazu heißt es:

„To interconvert between these systems for a specific crop, it is necessary to measure crop structure parameters as follows:

Cropping system (single or multiple rows);

Distance between rows and between plants in the row;

Treated foliage height and mid-width of the crown;

BBCH growth stage at application.

The actual applied spray volume (and not just the expected volume) should be recorded and given in the trial report, as well as information on the application equipment.„ (EPPO, 2012).

Mit Hilfe der erhobenen Geometriedaten der Versuchsanlagen kann gewährleistet werden, dass die Studien in allen MS auch zukünftig verwendet werden können. Der Antragsteller auf Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sollte im Zulassungsdossier die evtl. notwendigen Konvertierungen aufführen und in den Mitgliedstaaten die Dosiervorgaben für Raumkulturen so beantragen, wie das die jeweiligen Zulassungsbehörden fordern.

Bedeutung für die Beschreibung der Anwendung (GAP)

Die Aufwandmenge in der GAP wird bei Anwendungen im Weinbau für Fungizide, Insektizide/Akarizide und Wachstumsregler nach Einführung des Laubwandflächensystems auf die Laubwandfläche bezogen (kg oder l Produkt/10.000 m2 Laubwandfläche, als zusätzliche Angabe der Aufwandmenge). Herbizidanwendungen werden selbstverständlich weiterhin als Bezugsgröße die real behandelte Grundfläche haben, eine Ausnahme stellt wie oben beschrieben z.B. die Stocktriebbehandlung dar.

Neben der laubwandflächenbezogenen Aufwandmenge (kg oder l Produkt/10.000 m2 Laubwandfläche) werden die maximale Einzelaufwandmenge pro Hektar Grundfläche (kg oder l Produkt/Hektar) und die maximale Menge, welche in der Summe in einer Vegetationsperiode pro Hektar Grundfläche (kg oder l Produkt/Hektar/Jahr) appliziert werden darf, weiterhin angegeben. Die maximale Aufwandmenge pro Hektar Grundfläche ist eine entscheidende Eingangsgröße für die Risiko­bewertung in den Bereichen Umwelt und Gesundheit. Sie gibt das Maximum der Mittelmenge an, die auf einen Hektar Grundfläche ausgebracht werden darf. Wenn sich bei sehr großen zu behandelnden Laubwandflächen rechnerisch höhere Mittelmengen pro Hektar Grund­fläche ergeben, bleibt die angegebene maximale Mittelmenge pro Hektar Grundfläche der begrenzende Faktor. Um eine Unterdosierung zu vermeiden, kann hier eine Teilflächenbehandlung (z.B. nur eine Behandlung der Traubenzone) oder eine Applikation zu früheren Entwicklungsstadien (wenn die max. Laubwandfläche noch nicht erreicht ist) vorgenommen werden oder es muss auf andere Mittel zurückgegriffen werden, die eine Behand­lung größerer Laubwandflächen erlauben.

Im Folgenden ist ein Beispiel einer GAP, wie sie im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln beschrie­ben werden soll, dargestellt, wobei die Darstellung der Aufwandmengen in Fettschrift hervorgehoben sind:

Einsatzgebiet:

Weinbau

Kultur:

Weinrebe

Schadorganismus:

Echter Mehltau (Oidium necator)

Anwendungszeitpunkt:

BBCH 15 – 81 bei Infek­tionsgefahr bzw. ab Warndienstaufruf

Anwendungstechnik:

spritzen oder sprühen

Abstand in Tagen:

10 – 14

Zahl der Behandlungen

 

 

in der Anwendung:

4

 

in der Kultur:

4

Aufwand:

 

max. Aufwandmenge
pro Behandlung:

2,40 kg/ha Grundfläche

max. Aufwandmenge
für die Kultur bzw. das Kalenderjahr:

9,00 kg/ha Grundfläche

laubwandflächen­­bezogene Aufwandmenge:

1,33 kg in 200 bis 500 l Wasser/10.000 m2 Laubwandfläche

Bedeutung für Zulassungsanträge von Pflanzenschutzmitteln

Zulassungsanträge für neue Mittel mit Anwendungen im Weinbau müssen ab 2020 – wie oben beschrieben – eine laubwandflächenbezogene Angabe der Aufwandmenge enthalten, inklusive der Angabe der maximalen Einzelaufwandmenge und der maximalen Mittelaufwand­menge pro Kalenderjahr. Die Aufwandmengen müssen in den Wirksamkeitsstudien laubwandbasiert angegeben werden, darauf basiert die Wirksamkeitsprüfung. Die Dosierungs­angaben bestehender Zulassungen bleiben unangetastet.

Bei erneuten Anträgen auf Zulassung werden die Wirksamkeitsstudien, die noch nach dem Faktorsystem durchgeführt wurden, im Rahmen der Zulassung auch nach dem Stichtag akzeptiert. Anträge auf erneute Zulassung werden nach Artikel 43 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gestellt, eine erneute Wirksamkeitsbewertung findet in diesem Verfahren nur bezüglich der aktuellen Resistenz­lage statt. Die laubwandflächenbezogene Aufwandmenge, die auch bei den Anträgen auf erneute Zulas­sung beantragt und ausgewiesen werden soll, kann über eine Standardanlage errechnet werden, wie es in der Tab. 2a gezeigt ist. Die maximale Aufwandmenge pro Hektar Grundfläche verbleibt grundsätzlich wie in der bisherigen Zulassung angegeben.

Aufgrund der unterschiedlich großen Laubwandflächen (Tab. 1a) und der aus dem Faktorsystem zu verschiedenen Entwicklungsstadien der Rebe sich ergebenden schwankenden laubwandbasierten Aufwandmengen (Tab. 2a), stellt sich die Frage, welche errechneten laubwandflächenbezogenen Aufwandmengen für die erneute Zulassung ausgewählt wird. Eine Vorgabe seitens der am Zulassungsverfahren beteiligten Behörden wird hier nicht gemacht, es bleibt dem Antragsteller überlassen, welche Laubwandfläche hier für die Berechnung herangezogen wird. Die Angaben in den Tabellen sollen eine Orientierung geben. Da die grundflächenbezogenen Aufwandmengen bisher in der Praxis ebenso dazu führen, dass die Aufwandmengen auf der Zielfläche Laubwand variieren, ohne dass daraus Probleme bei der Wirkung oder der Phytotoxizität resultieren, wird diese Heran­gehensweise ohne Vorlage neuer Wirksamkeitsversuche favorisiert.

Die Antragstellung sollte für die normale Reberziehung gelten (verschiedene Drahtrahmenerziehungen, die auf über 97% der Fläche verbreitet ist). Die Sondererziehungsformen mit z.B. Minimalschnitt (hohe Laubwandfläche von Beginn der Vegetationsperiode an) werden automatisch im Zulassungsverfahren berücksichtigt. Sollte aufgrund der Risikobewertung eine Zulassung für Sondererziehungsformen nicht möglich sein, so müssen diese Erziehungsformen im Einzelfall von der Zulassung ausgenommen werden.

Bedeutung für die Risikobewertung

In die Expositionsabschätzungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens – z.B. für die Risikobewertung im Bereich des Naturhaushalts, der Grundwassergefährdung oder des Anwenderschutzes – gehen die Aufwandmengen pro Hektar Grundfläche ein. Um im Jahresverlauf, die auf die Laubwand bezogene Aufwandmenge auf einen Hek­tar Grundfläche umrechnen zu können, ist eine Beschreibung von typischerweise in DE vorkommenden Rebanlagen notwendig. Diese muss zu verschiedenen BBCH Stadien die Laubwandflächen pro Hektar Grundfläche aufzeigen, womit die Aufwandmenge mit Laubwandflächenbezug auf die Grundfläche umgerechnet werden kann.

In der Tab. 1a werden die im deutschen Weinbau typischerweise vorkommenden Laubwandflächen beschrieben und die Umrechnung der Aufwandmengen mit Laubwandflächenbezug auf einen Hektar Grundfläche dargelegt. Dabei wird die Kalkulation für die BBCH-Stadien typischen Spritztermine aufgezeigt. Die in den Tabellen ausgewiesenen behandelten Laubwandflächen bzw. die daraus errechneten Aufwandmengen pro Hektar Grundfläche spiegeln somit realistische Szenarien wider, so dass die Risikobewertung den tatsächlichen Verhältnissen in der Praxis gleichen kann.

Die Tab. 2a zeigt einen Vergleich der Aufwandmengen pro Hektar Grundfläche zwischen dem bisherigen Faktorsystem und den Aufwandmengen mit Laubwandflächenbezug auf, welche sich rechnerisch aus den Aufwandmengen zu den verschiedenen Entwicklungsstadien der Rebe ergeben.

Im Vegetationsverlauf ergeben sich zwischen dem Faktorsystem und dem Laubwandflächensystem zu verschiedenen BBCH-Stadien unterschiedliche Aufwandmengen pro Hektar Grundfläche (Vergleich der Spalten 3 mit 5). Die Unterschiede vor und während der Blüte erklären sich dadurch, dass in diesem Zeitraum das Triebwachstum sehr schnell verläuft und sich somit im Laubwandflächensystem die Produkt-Aufwandmengen pro Hektar Grundfläche schneller erhöhen als beim starren Faktorsystem mit stufenweiser Anpassung an das Entwicklungsstadium. Nach der Blüte ist der Laubwandflächenzuwachs infolge der Schnittmaßnahmen schwächer als es das Faktorsystem mit einer Erhöhung der Aufwandmengen vorgibt, da dieses System den inneren Zuwachs in der Laubwand durch Geiztriebe und der Vergrößerung der Traubenoberfläche berücksichtigt. Daraus ergeben sich beim Laubwandflächensystem tendenziell zur Blütezeit höhere Aufwandmengen, am Ende der Vegetationsperiode auf die Grundfläche bezogen tendenziell geringere Aufwandmengen als beim Faktorsystem. Dabei wird auf einen Quadratmeter Laubwandfläche zu allen Entwicklungsstadien immer die gleiche Produkt-Aufwandmenge appliziert. Das wiederum ist entscheidend für Anlagerung und Wirksamkeit, denn es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der je Behandlungsflächeneinheit (= die von den geöffneten Düsen übersprühte Fläche vor den Düsen) ausgebrachten Aufwandmenge und den angelagerten Belagsmengen auf der Pflanzenoberfläche (Koch, 2007; Koch und Weißer, 1995).

Die oben ausgeführte Kalkulation der Produkt-Aufwandmengen in Tabelle 1a1c bezieht sich auf die gängigen Erziehungssysteme im Drahtrahmen in Deutschland und deckt ca. 97% der Rebflächen ab. Es existieren aber auch andere Erziehungssysteme, die durch einen Minimal-/Nichtschnitt von Beginn der Vegetationsperiode bereits eine hohe Laubwand besitzen, so wie sie im späteren Jahresverlauf bei der Bogreberziehung erst je nach Rebsorte während oder kurz nach der Blüte erreicht wird. Bezüglich der Aufwandmenge muss in Minimal-/Nichtschnitt-Anlagen von Vegetationsbeginn an eine Laubwandfläche je Rebzeile behandelt werden, die so groß ist wie bei der Drahtrahmenerziehung zum späteren Zeitpunkt (Tabelle 1d). Das bedeutet auch, dass die benötigte Aufwandmenge auf die Grundfläche bezogen im Vegetationsverlauf in etwa gleich hoch bleibt. Da aber die Reihenabstände bei solchen Anlagen in aller Regel weiter sind, bewegen sich die maximalen Laubwandflächen deutlich unter dem hier angenommenen „worst case“ von 17.000 m2 je Hektar Grundfläche. Das heißt, dass die Vorgabe zum maximalen Mittelaufwand je Hektar und Jahr genauso wie die maximale Einzelaufwandmenge eingehalten werden können. Die Anbaufläche in Deutschland für solche Sondererziehungsformen beträgt etwa 2 bis 3%.

Konsequenzen einer laubwandflächenbezogenen Angabe der Aufwandmenge für die weinbauliche Praxis und Beratung

Eine Umstellung auf eine laubwandflächenbezogene Dosie­rung wird in der Praxis nicht ohne die Unterstützung durch die Beratung sicher vollzogen werden können, zumal die Betriebe über mehrere Jahrzehnte mit dem derzeitig angewendeten Faktorsystem gut zurechtkamen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Dosierangaben der Pflanzenschutzmittel bei laufenden Zulassungen weiterhin in Abhängigkeit von BBCH-Stadien auf die Grundfläche bezogen (kg oder l/ha) bestehen bleiben und beide Systeme für mehrere Jahre nebeneinander ange­wendet werden müssen. Prinzipiell ist es jedoch gut möglich, die Aufwandmenge eines Mittels nach dem Faktorsystem, die eines anderen Mittels nach der laubwandabhängigen Dosierung zu berechnen und nebeneinander einzusetzen. Die Praxis muss diesbezüglich bei Beratungen und Weiterbildungsveranstaltungen frühzeitig informiert werden. Auch in der Ausbildung sind die zukünf­tigen Anwender rechtzeitig mit dem neuen System vertraut zu machen. Die Betriebe/Anwender müssen bei der ersten Zulassung eines Mittels nach dem neuen System in der Lage sein, die neuen Dosiervorgaben umzusetzen und einzuhalten.

Für die Praxis bringt die Umstellung auf die laubwandabhängige Dosierung letztendlich auch Vorteile. Gerade in frühen Stadien gibt es zwischen den einzelnen Sorten oder später auch bei unterschiedlich alten Reben bei gleichem Entwicklungsstand oft deutliche Höhenunterschiede in der Laubwand. Diese können bedingt sein durch unterschiedlich lange Internodien, unterschied­liche Blattzahl an den Trieben oder unterschiedliche Nährstoff- oder Wasserversorgung der Reben. Der Anwen­der muss sich nicht mehr am Entwicklungssta­dium der Rebe orientieren und damit im Prinzip in schnell hochgewachsenen Anlagen keine Unterdosierung vornehmen, um die Dosiervorgaben der Zulassung nach dem gestaffelten Faktorsystem einzuhalten. Der Anwender kann mit der laubwandflächenbezogenen Aufwandmenge die Geräteeinstellung direkt nach der Vorgabe der Zulassung vornehmen. Die maximale grundflächenbezogene Hektar-Aufwandmenge ist natür­lich auch nach dem neuen Dosier­system immer einzuhalten. Auch bei besonderen Erziehungsformen, wie zum Beispiel bei Minimal- oder Nichtschnittanlagen, können die laubwandflächenbezogenen Aufwandmengenangaben umgesetzt werden.

Literatur

BVL, 2018: Änderung der Dosierangaben bei der Pflanzenschutzmittelzulassung in Raumkulturen. Online verfügbar unter https://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/06_Fachmeldungen/2018/2018_02_16_Fa_Laubwandfl%C3%A4che_CZSC.html;jsessionid=440CB25B7FC63EB809FDE6F63BBECDF3.1_cid322, zuletzt abgerufen am 15.08.2019.

CIRCABC, 2017: Bullet Points: Transition phase for adopting leaf wall area (LWA). Online verfügbar unter https://circabc.europa.eu/faces/jsp/extension/wai/navigation/container.jsp, zuletzt abgerufen am 15.08.2019.

EPPO, 2012: PP1/239(2) - Dose expression for plant protection products. OEPP/EPPO Bulletin 42 (3), 409-415, DOI: 10.1111/epp.12000.

EPPO, 2016: Conclusions and Recommendations Plenary Session: Workshop on harmonized dose expression for the zonal evaluation of plant protection products in high growing crops, Vienna, 18.-20. Oktober 2016, 16/22204, 2 S.

Europäische Gemeinschaften, 1991: Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L230, 1-32.

Europäische Union, 2009: Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pf lanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates. Amtsblatt der Europäischen Union L309, 1-50.

Frießleben, R., H.-J. Roßlenbroich, A. Elbert, 2007: Dose expression in plant protection product field testing in high crops: need for harmonization. Pflanzenschutz-Nachrichten Bayer 60 (1), 85-96.

Ipach, R., 2018: eigene Abbildung.

Ipach, R., 2019: eigene Erhebung, unveröffentlicht.

Koch, H., 2007: How to achieve conformity with the dose expression and sprayer function in high crops. Pflanzenschutz-Nachrichten Bayer 60 (1), 71-84.

Koch, H., P. Weißer, 1995: Retention und Initialbelag bei der Applikation von Pflanzenschutzmitteln. Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, 102 (2), 203-210.

Meier, U., 2018: Entwicklungsstadien mono- und dikotyler Pflanzen: BBCH Monografie. Open Agrar Repositorium, DOI: 10.5073/20180906-075119.


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