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Übersichtsarbeit

PA-Kontaminationen in Arzneipflanzen: Vorkommen, Grenzwerte und Maßnahmen

PA contamination in medicinal plants: occurrence, limits and measures

Barbara Steinhoff
Affiliation
Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH), Bonn

Journal für Kulturpflanzen, 72 (4). S. 78–83, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.04.03, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Barbara Steinhoff, Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH), Ubierstraße 71–73, 53173 Bonn, E-Mail: steinhoff@bah-bonn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
03. November 2019
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Zusammenfassung

Seit mehreren Jahren wird eine mögliche Kontamination von Arzneipflanzen mit pyrrolizidinalkaloid-haltigen Beikräutern diskutiert. Die Erkenntnisse über ein solches Risiko hat die Anbauer und Lieferanten pflanzlicher Drogen und die Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln veranlasst, Ursachenforschung zu betreiben und Maßnahmen zur Reduktion und Vermeidung einer möglichen PA-Kontamination zu ergreifen, die u.a. zusammenfassend in einem Code of Practice beschrieben sind. Die Ergeb­nisse von Datensammlungen der Hersteller zeigen über die letzten Jahre eine deutliche Verminderung der PA-Belastung in pflanzlichen Drogen und Extrakten, die für die Herstellung pflanzlicher Arzneimittel eingesetzt werden. Es wird jedoch auch deutlich, dass das Problem einer PA-Kontamination in naher Zukunft nicht vollständig gelöst werden kann. Das Herbal Medicinal Products Committee der europäischen Zulassungsagentur EMA hat im Jahr 2016 für eine Geltungsdauer von 3 Jahren einen vorläufigen Grenzwert von 1,0 μg Pyrrolizidinalkaloiden pro Tag bezogen auf das Fer­tigarzneimittel empfohlen. Diese Frist ist im Januar 2019 um weitere zwei Jahre verlängert worden.

Stichwörter: Pyrrolizidinalkaloide, pflanzliche Arzneimittel, Kontamination, Grenzwerte

Abstract

Since 2013, a potential contamination of medicinal plants with pyrrolizidine alkaloid-containing weeds has been discussed. The knowledge about such a risk of contamination induced cultivators and suppliers of medicinal plants and manufacturers of herbal medicinal products to investigate the situation and to take action in order to reduce or avoid potential PA contamination as summarised e.g. in a Code of Practice. Over the past years, the results of data collections show a remark­able reduction of the PA burden in herbal drugs and herbal extracts used for the production of herbal medicinal products. However, it is obvious that the problem of contamination cannot be completely resolved in the near future. The Herbal Medicinal Products Committee at the European Medicines Agency recommended a transitional limit of 1.0 μg pyrrolizidine alkaloids per day related to the final product for three years which has recently been prolonged by further two years.

Key words: pyrrolizidine alkaloids; herbal medicinal products; contamination; limits

Einleitung

Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind natürliche Bestandteile von vielen Pflanzen, die zum Teil auch arzneilich verwendet werden, wie Symphytum, Petasites, Tussilago oder Eupa­torium. In einem Stufenplanverfahren legte das deutsche Bundesgesundheitsamt (BGA) im Jahr 1992 fest, dass die maximale täg­liche Aufnahmemenge 0,1 μg für die innerliche Anwendung und 10 μg für die äußerliche Anwendung nicht überschritten werden darf. Bei Begrenzung der Anwendung auf 6 Wochen im Jahr betrug die maximale tägliche Aufnahmemenge 1 μg für die innerliche Anwendung und 100 μg für die äußerliche Anwendung Ungeachtet der derzeitigen Diskussionen durch Kontaminationen mit PA-Pflanzen gelten diese Maßnahmen weiterhin für pflanzliche Arzneimittel, die genuin PA enthalten und die im Stufenplan­bescheid von 1992 gelistet sind (Bundesgesundheitsamt, 1992).

Im Zusammenhang mit der Erarbeitung einer Monographie zu Symphytum publizierte das Herbal Medicinal Products Committee (HMPC) der European Medicines Agency (EMA) eine Stellungnahme vom 24. November 2014 zur Anwendung pflanzlicher Arzneimittel, die toxische ungesättigte PA enthalten (HMPC, 2014). Dieses sah bei einer Begrenzung der Anwendungsdauer auf 14 Tage eine maximale Tagesdosis von 0,35 μg vor. Diese Grenze liegt innerhalb der Größenordnung die von der European Food Safety Authority (EFSA) als gefahrlos eingestuften lebenslangen Aufnahmemenge von 0,42 μg PA pro Tag (EFSA, 2005, 2011). Ursprünglich war die HMPC-Stellungnahme für die Beurteilung von Arzneimitteln aus genuin PA-haltigen Arzneipflanzen intendiert, jedoch wurden Produkte, die PA aus anderen Quellen enthalten, nicht ausgeschlossen.

Das Problem der Kontaminationen

Durch die BfR-Veröffentlichung von Analysenergebnissen zum Vorkommen von PA in 221 Proben von Lebensmitteltees und zum Teil Arzneitees im Juli 2013 (BfR, 2013) wurde deutlich, dass PA auch als durch Beikräuter wie z.B. Senecio verursachte Verunreinigung in Arzneitees auftreten können. Die Publikation der BfR-Daten hat die Lieferanten von Arzneidrogen und die Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln, insbesondere zunächst von Arzneitees veranlasst, Maßnahmen zur Überprüfung einer möglichen Belastung und zur Reduktion eines möglichen Kontaminationsrisikos zu ergreifen.

Um das Problem der Kontamination mit PA von behörd­licher Seite zu adressieren und die Hersteller zu verpflichten, Maßnahmen im Sinne einer Chargenprüfung durchzuführen, erschien am 31. Mai 2016 ein weiteres Public Statement des HMPC im Hinblick auf PA (HMPC, 2016). Dieses legt für Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs eine tägliche Aufnahmemenge von 1,0 μg PA pro Tag bezogen auf das Fertigarzneimittel fest, die für einen Übergangszeitraum von drei Jahren gilt. Danach soll nach den Ausführungen dieses Dokumentes wieder der ursprünglich empfohlene Wert von 0,35 μg PA pro Tag angewendet werden (HMPC, 2014). Vorausgegangen war der Publikation des HMPC vom 31. Mai 2016 eine ähnliche Bekanntmachung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 1. März 2016 zur Prüfung auf PA (BfArM, 2016), die der Erkenntnis Rechnung trägt, dass PA auch als durch Beikräuter verursachte Kontamination in pflanzlichen Materialien auftreten können. Sie verpflichtet die Arzneimittel-Hersteller, den Prüfumfang in Form von drei Katego­rien zu definieren, so dass in Abhängigkeit von den vorliegenden Daten entweder eine Stichprobenprüfung („Skip Testing“) oder eine Routineprüfung durchgeführt wird (Abb. 1).

Abb. 1. Kategorien zur Festle­gung des Prüfumfangs (BfArM, 2016, HMPC, 2016)

Abb. 1. Kategorien zur Festle­gung des Prüfumfangs (BfArM, 2016, HMPC, 2016)

Es ist dabei die Aufgabe des Arzneimittel-Herstellers, die Anforderungen an die einzusetzenden Ausgangsstoffe anhand der Tagesdosis des Endproduktes zu berechnen. Bei Mischungen, in denen mehrere Ausgangsstoffe zum Einsatz kommen, gestaltet sich diese Berechnung entsprechend komplizierter. Nicht einfach ist die Situation auch für die Lieferanten der Ausgangsstoffe, da gegebenenfalls für die gleiche Droge verschiedene Spezifikationen vorliegen können. Eine errechnete Überschreitung des Grenzwertes von 1,0 μg pro Tag im Fertigarzneimittel bedeutet in jedem Fall, dass die betreffende Droge für das Produkt nicht mehr eingesetzt werden darf.

Für die Kenntnis der Belastungswahrscheinlichkeit einer Droge und damit auch für die Entscheidung über den Prüfumfang bzw. die Möglichkeit, lediglich eine Stichprobenprüfung durchzuführen, ist die Schaffung einer ausreichenden Datenbasis essentiell. Weist für eine Droge eine große Anzahl von negativen Befunden auf eine sehr geringe Belastungswahrscheinlichkeit hin und kann zusätzlich in der produktspezifischen Betrachtung auch die Kenntnis des Gewinnungsprozesses (z.B. Erntetechnik) Aufschluss über ein geringes Kontaminationsrisiko geben, so kann eine solche Droge auch unter Berücksichtigung der Dosierung des Fertigarzneimittels ein „Kandidat“ für ein weitmaschigeres „Skip Testing“ sein. Gegenüber den Behörden ist von den Unternehmen in jedem Fall eine entsprechende Dokumentation mit z.B. Spezifika­tionen, Validierungsdaten und der Dokumentation von Referenzsubstanzen vorzulegen.

Aktivitäten von Anbauern und Herstellern

Vor dem Hintergrund, dass eine vollständige Vermeidung von PA-Kontaminationen nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht möglich ist und deshalb Präventivmaßnahmen von essentieller Bedeutung sind, wurde gemeinsam von verarbeitender Industrie und Anbauern ein Code of Practice erarbeitet (Dittrich et al., 2016). Dieses Dokument trägt der Notwendigkeit einer Einbeziehung aller Prozessbeteiligten aus den Bereichen Anbau, Nacherntebehandlung, Drogenverarbeitung sowie Herstellung von Extrakten bzw. Fertigarzneimitteln Rechnung und beschreibt mögliche Beschreibung der Risiken und Einflussmöglichkeiten entlang der gesamten Prozesskette. Für alle diese Schritte werden die möglichen Risiken einer PA-Kontamination und ihre Wahrscheinlichkeit beschrie­ben und Vorschläge für Maßnahmen zusammen mit einer Bewertung dieser Maßnahmen aufgeführt. Für den Prozessschritt der Ernte des Pflanzenmaterials beispielsweise besteht das Risiko, dass PA-haltige Beikräuter gemeinsam mit der betreffenden Kulturpflanze geerntet werden. Die Wahrscheinlichkeit kann in Abhängigkeit von der Spezies der Kulturpflanze und der Erntetechnologie hoch sein. Mögliche Maßnahmen können in einer Optimierung der Erntetechnologie, z.B. der Schnitthöhe, und des Erntezeitpunktes bestehen. Die Relevanz solcher Maßnahmen ist als hoch einzuschätzen, hängt jedoch von verschiedenen individuellen Faktoren ab, so dass ihre Eignung begrenzt sein kann.

Der Code of Practice gibt damit einen Rahmen für ein individuelles Vorgehen bei der Herstellung pflanzlicher Arzneimittel auf allen Prozessstufen vor, das die Identifizierung der Art und des Umfangs des jeweiligen Problems durch eine Risikoanalyse und das Einleiten entsprechender Maßnahmen umfasst. Auf dieser Basis kann in den Unternehmen ein produkt-spezifischer Maßnahmenplan erstellt werden.

Einrichtung einer Hersteller-Datenbank

Die Arzneimittel-Hersteller hatten bereits im Jahr 2013 verbändeübergreifend mit dem Aufbau einer Datenbank zur Erfassung von Untersuchungsbefunden an Drogen, Extrakten und homöopathischen Urtinkturen begonnen, an der momentan fast 50 Hersteller teilnehmen. Zusammenfassende Auswertungen werden regelmäßig dem BfArM, dem HMPC und anderen Behörden auf Nachfrage vorgelegt. Die Auswertung erfolgen jährlich für einen Prüfzeitraum vom 1. Mai eines Jahres bis zum 30. April des Folgejahres.

In die Auswertung der Jahre 2017/2018 wurden insgesamt 7251 Proben von 264 Drogen und 820 Proben von Extrakten aus 117 Drogen und 86 Extraktionsmitteln einbezogen. Die analytischen Daten wurden während der Qualitätskontrolle der Hersteller erhoben, wobei die Bestimmung der PA mit validierten Methoden durch­geführt wurde. Für 27 Drogen (4446 Proben) und 22 Extrakte (425 Proben) mit der größten Marktbedeutung (und damit auch der höchsten Anzahl an Proben) wurde der prozentuale Anteil der Befunde mit der Zuordnung zu den drei Kategorien A (≤ 0,1 μg), B (≤ 0,35 μg) und C (≤ 1,0 μg) errechnet. Um einen Bezug zwischen diesen Grenzwerten und den PA-Gehalten der Drogen bzw. Extrakte herzustellen, wurde die maximale Tagesdosis der jeweiligen HMPC-Monographie zur Berechnung verwendet, wodurch für alle Produkte ein Worst case-Sze­nario angenommen wurde, obwohl die tatsächlichen Aufnahmemengen der Produkte deutlich darunterliegen.

Von den 27 marktbedeutendsten Drogen konnten 37% den Grenzwert von 0,35 μg PA berechnet auf die Tagesdosis einhalten und 63% den Grenzwert vom 1,0 μg PA.

Von den 22 ausgewählten wichtigsten Extrakten konnten 68% den Grenzwert von 0,35 μg PA berechnet auf die Tagesdosis einhalten und 82% den Grenzwert von 1,0 μg PA. Die Prozentwerte sind jeweils kumulierte Werte aus den Kategorien A + B bzw. A + B+C (Steinhoff, 2019).

Die Datenauswertungen bestätigen, dass über die letzten Jahre eine deutliche und kontinuierliche Verbesserung erfolgt ist. Die Auswertungen erlauben darüber hinaus für die Hersteller eine Identifizierung kritischer Drogen und Extrakte und dienen der Überprüfung der Effizienz der durchgeführten Maßnahmen, wie sie im oben beschriebenen Code of Practice (Dittrich et al., 2016) niedergelegt sind. Die Datenauswertungen zeigen aber auch, dass in vielen Fällen die Einhaltung eines Grenz­wertes von 1,0 μg PA/Tag und die gene­relle Reduktion auf 0,35 μg PA/Tag in naher Zukunft nicht möglich sind.

Analytische Fragestellungen

Die Bekanntmachung des BfArM vom 1. März 2016 (BfArM, 2016) nimmt hinsichtlich der analytischen Prüfungen in Bezug auf den Anhang des Stufenplanbescheides (Bundesgesundheitsamt, 1992) und die Methode des BfR (BfR, 2014). Bei dieser handelt es sich um eine LC-MS/MS-Methode, die aufgrund der Komplexität der analytischen Fragestellungen und der erforderlichen Vergleichbarkeit der Ergebnisse als Stand der Technik anzusehen sind. Neben der vom BfR vorgeschlagenen Methode sind in der Praxis für die Erfassung von PA-Kontamina­tionen auch andere, validierte LC-MS/MS-Methoden geeig­net, die gewährleisten, dass die Alkaloide eindeutig identifiziert und hinreichend empfindlich quantifiziert werden.

Da von den Unternehmen in Bezug auf PA-Kontami­nationen jeweils individuelle Dokumentationen ihrer Untersuchungen einschließlich Spezifikationen, Validierungsdaten und Referenzsubstanzen vorzulegen sind, erschien die Erarbeitung eines einheitlichen Standards in Form einer Monographie des Europäischen Arzneibuchs sinnvoll. Eine solche Rahmenmonographie, die generelle Anforderungen an entsprechende Methoden enthält und exemplarisch die BfR-Methode (BfR, 2014) sowie einen Prüfumfang von 28 Substanzen beschreibt, ist zur Kommentierung vorpubliziert worden (Pharmeuropa, 2019).

Forschungsprojekte

Zur weiteren Aufklärung der äußerst komplexen Fragestellungen im Zusammenhang mit PA-Kontaminationen spielen neben allen Aktivitäten innerhalb der gesamten Prozesskette vom Anbau der Pflanzen bis zur Freigabe des Fertigproduktes verschiedene Forschungsprojekte eine wichtige Rolle. Hierzu gehören beispielsweise:

• Sammlung von Daten zum Vorkommen von Beikräutern, insbesondere von PA-haltigen Beikräutern in Arzneipflanzenbeständen sowie Aubau einer entsprechenden Datenbank (öffentlich gefördert mit Beteiligung der FAH, Forschungsvereinigung der Arzneimittel-Hersteller e.V., 2019a, 2019b). Einbezogen sind auch Untersuchungen zur Aufnahme von PA durch Pflanzen aus dem Boden (FAH, 2019a).

• Erstellung sogenannter „Unkrautsteckbriefe“ für die Spezies Crotalaria, Echium, Heliotropium, Myosotis und Senecio zur Anwendung beim Anbau und bei der Sammlung von Arzneipflanzen) (FAH, 2019b). Es handelt sich um ein konsortiales Projekt, an dem 19 Hersteller beteiligt sind.

• In vitro-Untersuchungen zur Hepatotoxizität und Genotoxizität ausgewählter Alkaloide unterschiedlicher Struktur (Lasiocarpin, Riddelliin, Retrorsin, Senecionin, Seneciphyllin, Heliotropin, Echimidin, Lycopsamin, Europin, Indicin) zum Beleg der Hypothese, dass verschiedene PA sich signifikant in ihren toxikologischen Potenzialen unterscheiden (Merz und Schrenk, 2016).

Weitere Forschungsarbeiten untersuchen u.a. Möglichkeiten der Beikrautregulierung im konventionellen und ökologischen Anbau, beispielsweise durch Auswahl geeigneter Herbizide bzw. durch nicht-chemische Methoden. Auch die Entwicklung von Methoden zur Identifizierung und Abtrennung fremder Bestandteile z.B. Beikrautuntermischungen im Erntegut scheinen für die ersten Prozessschritte der Drogengewinnung vielversprechende Ansätze zu bieten.

Regulatorische Entwicklungen

Im Juni 2017 publizierte das EFSA Panel on Conta­minants in the Food Chain (CONTAM) eine neue Bewertung des kanzerogenen Risikos von PA einschließlich neuer Daten zum Vorkommen von PA in Honig, Tee, Kräutertees und Nahrungsergänzungsmitteln (EFSA, 2017). Dabei wurde eine neue Referenzdosis von 237 μg/kg Körpergewicht pro Tag festgelegt, die sich um den Faktor 3 von der bisherigen Empfehlung unterschied. Bei Zugrundelegung dieses Faktors auch bei der Diskussion um den HMPC-Grenzwert würde mit 3 × 0.35 μg PA pro Tag ein Grenzwert in der Größenordnung von etwa 1,0 μg PA pro Tag resultieren.

Vom 14. bis 16. Januar 2019 fand eine Sitzung des HMPC statt, bei welcher das Thema „PA“ erneut intensiv diskutiert wurde. Wie aus dem Bericht (HMPC, 2019) (s. auch Abb. 2) hervorgeht, wurde unter Bezugnahme auf die neue Risikobewertung der EFSA (EFSA, 2017) und die Arbeiten des Europäischen Arzneibuchs an einer Bestimmungsmethode die Übergangsfrist, in der der Grenzwert für die tägliche Aufnahmemenge an PA von 1,0 μg anstelle von 0,35 μg gilt, um weitere zwei Jahre verlängert. Gleich­zeitig wurden die Fachkreise aufgerufen, neue Daten und weitere Materialien einzureichen, auf deren Grundlage die bisherigen Public Statements des HMPC (HMPC, 2014, 2016) aktualisiert werden sollten.

Abb. 2. Auszug aus dem Bericht über die HMPC-Sitzung vom 14.–16. Januar 2019 (HMPC, 2019)

Abb. 2. Auszug aus dem Bericht über die HMPC-Sitzung vom 14.–16. Januar 2019 (HMPC, 2019)

Für den Lebensmittelbereich leitete Mitte Januar 2019 die EU-Kommission einen Konsultationsprozess zur Festsetzung von Höchstgehalten u.a. für PA ein und schlug hierzu Grenzwerte für verschiedene Produkte u.a. für Kräutertees, Kräuter und pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel vor. Die Vorschläge sollen in eine Überarbeitung der Richtlinie 1881/2006 (Verordnung (EG), 2005) einfließen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die Kontamination von Arzneipflanzen mit PA stellt eine große Herausforderung für Arzneipflanzenanbauer, Lieferanten und Hersteller pflanzlicher Arzneimittel in Bezug auf die Identifizierung und Quantifizierung der Kontaminationen und ihre Vermeidung bzw. Reduktion dar. Wie aus den Auswertungen der Datensammlungen ersichtlich ist, ist eine vollständige Eliminierung von PA-Kontaminationen auf den verschiedenen Herstellungsstufen nicht möglich. Die Hersteller pflanzlicher Arzneimittel haben durch die Anwendung ihres Code of Practice, durch Datensammlungen und Eliminierung von Belastungsspitzen sowie darüber hinaus durch Beteiligung an Forschungsprojekten viele Maßnahmen ergriffen, die schließlich zu einer andauernden und nachhaltigen Reduktion von PA-Kontaminationen geführt haben. Dadurch wird die weitere Verfügbarkeit sicherer und qualitativ hochwertiger Produkte gewährleistet.

Die Ergebnisse der Datensammlungen zeigen eine deutliche Verminderung der PA-Belastung in pflanzlichen Drogen und Extrakten, die für die Herstellung pflanzlicher Arzneimittel eingesetzt werden. Es wird jedoch auch deutlich, dass das Problem einer PA-Kontamination in naher Zukunft nicht vollständig gelöst werden kann. Die Hersteller können den Grenzwert von 1,0 μg PA pro Tag für die meisten Produkte einhalten, jedoch ist eine wei­tere Reduktion auf 0,35 μg pro Tag nicht realistisch.

Unter Berücksichtigung der Risikobewertung der EFSA und der laufenden Aktivitäten des Europäischen Arzneibuchs sowie der Tatsache, dass die Hersteller umfassende Maßnahmen durchgeführt haben, hat das HMPC die Übergangsfrist für die Geltung des Grenzwertes von 1,0 μg PA pro Tag bis zum 31. Mai 2021 verlängert. Für weitere Diskussionen über einen möglichen permanenten Grenzwert sollten toxikologische Bewertungen und die Ergebnisse laufender Forschungsarbeiten mit einbezogen werden.

Interessenskonflikte

Die Autorin erklärt, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

Literatur

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