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Übersichtsarbeit

Export von Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen aus Deutschland: Sicherung des bestehenden Handels und Marktöffnungsverfahren

Export of Plants and Plant Products from Germany: Maintenance of Established Trade and Market Opening Procedures

Nadine Kirsch, Silke Krügener, Jan Eike Rudloff, Juliette Schwan, Anabel Ritter und Ann-Christin Brenken
Affiliation
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 72 (8). S. 380–388, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.08.07, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Nadine Kirsch, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: nadine.kirsch@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
19. Juni 2020
Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) zur Verfügung gestellt wird (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
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Zusammenfassung

Mit einem stetig wachsenden internationalen Handel, der die Ein- und Verschleppung von Schadorganismen begünstigt, werden auch die Anforderungen zur Minimierung des Verbreitungsrisikos von Schadorganismen immer wichtiger und es können Handelshemmnisse auftreten. Infolgedessen nehmen die phytosanitären Aspekte bei der Sicherung des bestehenden Handels mit Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen und bei der Erschließung neuer Märkte an Bedeutung zu. Der verbindliche Rahmen wird hierbei maßgeblich durch die phytosanitären Einfuhrvorschriften von Drittländern, aber auch durch internationale Standards gebildet. Hat das Importland bisher keine phytosanitären Einfuhrvorschriften für eine bestimmte Warenart festgelegt, können diese im Zuge eines Marktöffnungsverfahrens und der Durchführung einer entsprechenden Risikoanalyse verhandelt und etabliert und bestenfalls ein Marktzugang erreicht werden. Die einzelnen Schritte eines Marktöffnungsverfahrens werden beschrieben und anhand von drei für Deutschland bedeutende Warenklassen (Äpfel, Getreide und Kartoffeln) wird aufgezeigt, welche Schad­organismen für die Drittländer relevant sind und welche phytosanitären Maßnahmen zur Verhinderung einer Verschleppung dieser Schadorganismen ergriffen werden müssen.

Stichwörter: Handelshemmnis, Verschleppung von Schadorganismen, phytosanitäre Maßnahmen, Risikoanalyse, Einfuhrvorschriften, Äpfel, Getreide, Kartoffeln

Abstract

With the continually growing international trade, which facilitates the introduction and spread of pests, requirements to minimize the risk of spreading pests are becoming increasingly important and trade barriers may emerge. As a result, phytosanitary aspects are becoming increasingly important for maintaining existing trade with plants and plant products and for the opening of new markets. The mandatory framework is mainly formed by the phytosanitary import regulations of third countries, but also by international standards. If the importing country has not established phytosanitary import regulations for a specific commodity, these can be negotiated and established in the course of a market opening procedure and the conduction of an appropriate pest risk analysis. At the best, a market access can be achieved. The individual steps of a market opening procedure are described and, based on three classes of goods important for Germany (apples, cereals and potatoes), it is shown which pests are relevant for third countries and which phytosanitary measures must be taken to prevent the spread of these pests.

Key words: trade barrier, spread of pests, phytosanitary measures, pest risk analysis (PRA), import regulations, apples, cereals, potatoes

1 Einleitung

Im internationalen Vergleich ist Deutschland der drittgrößte Agrarexporteur. Rund ein Drittel der Gesamtproduktion der deutschen Landwirtschaft wird exportiert, wovon bisher aber nur etwa zehn Prozent der gesamten wertmäßigen Agrarexporte auf unverarbeitete Erzeugnisse wie frisches Obst oder Gemüse, Getreide und Kartoffeln entfallen (BMEL, 2018a). Um bestehende Drittlandsmärkte für deutsche Agrarerzeugnisse zu erhalten oder neu zu erschließen und hiermit die Wettbewerbs­fähigkeit von Erzeugungs- und Handelsbetrieben zu stärken, wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Exportförderprogramm aufgelegt (BLE, 2020), das von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) koordiniert wird. Diese Unterstützung des BMEL wird durch die Arbeit wissenschaftlicher Institute, wie dem Julius Kühn-Institut (JKI), die zum Ressortbereich des BMEL gehören, fachlich begleitet. Somit trägt auch das JKI zur Unterstützung der Exportbemühungen der deutschen Agrarwirtschaft bei.

Da das Interesse der deutschen Agrarwirtschaft an neuen Märkten wächst und gleichzeitig die Anforderungen im internationalen Handel steigen, kommt auch den phytosanitären Aspekten beim Export von Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen eine zunehmende Bedeutung zu. Allgemein wird die Ein- und Verschleppung von Schadorganismen durch den stetig wachsenden internationalen Handel begünstigt. Bei einem unkontrollierten Handel könnten Quarantäneschadorganismen mit großem wirtschaftlichen Schadpotential ungehindert in Import­länder eingeschleppt und verbreitet werden. Um sich vor der Einschleppung von Quarantäneschadorganismen zu schützen, haben viele Importländer berechtigterweise phytosanitäre Einfuhrvorschriften festgelegt, deren Anforderungen bei Exporten eingehalten werden müssen.

Hat das Importland bisher keine phytosanitären Einfuhrvorschriften für eine bestimmte Warenart und/oder ein bestimmtes Herkunftsland festgelegt, geht dies häufig mit einem Einfuhrverbot einher, weil das phytosani­täre Risiko für diesen Handel noch nicht bestimmt und entsprechende Maßnahmen zur Minimierung des Risikos noch nicht festgelegt wurden. Im Zuge eines Marktöffnungsverfahrens ist es jedoch möglich, dass Importe zukünftig, meist unter Erfüllung bestimmter Auflagen, erlaubt werden. Dafür wird von dem Drittland eine umfas­sende Risikoanalyse für die jeweilige Warenart durchgeführt. Ein solches Verfahren zur Erlan­gung eines Marktzugangs ist sehr arbeitsintensiv und dauert in der Regel mehrere Jahre.

Die Anforderungen von Einfuhrvorschriften sollen sich an internationalen Standards und Normen ausrichten. Bei der Verhandlung über diese Anforderungen im Zuge von Marktöffnungsverfahren kommt es darauf an, sich auf Anforderungen zu einigen, die einerseits vom Exportland erfüllt werden können und andererseits dem angestrebten Schutzniveau des importierenden Landes entsprechen, um die Einschleppung von Schadorganismen zu verhindern.

2 Verbindlicher Rahmen bei Exporten

Der maßgebliche rechtliche Rahmen für Exporte von Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen wird durch die phytosanitären Einfuhrvorschriften des jeweiligen Drittlandes bestimmt. Soweit die Einfuhrvorschriften von Drittländern vorliegen, werden die für Deutschland relevanten Teile übersetzt und der Öffentlichkeit auf der Inter­netseite des Instituts für nationale und internatio­nale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit des JKI zur Verfügung gestellt und regelmäßig aktualisiert (JKI, 2019). Diese Tätigkeit ist einer der Beiträge des JKI zur Sicherung bereits bestehender Exporte. Ist der Export erlaubt, wird häufig die Ausstellung eines Pflanzengesundheitszeugnisses (PGZ) notwendig. Hierfür sind die amt­lichen Pflanzenschutzdienste der Bundesländer zuständig, die mit der Ausstellung des PGZ bescheinigen, dass die Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnisse frei von Quarantäneschadorganismen des jeweiligen Drittlandes sind und dass die phytosanitären Einfuhrvorschriften eingehalten wurden. Sind Fragen zu Einfuhrvorschriften nicht durch Anfragen der Wirtschaftsbeteiligten an die Kontaktstellen des Drittlandes oder an die Handelspartner im Drittland zu klären, erteilen die Pflanzenschutzdienste Auskünfte, soweit ihnen entsprechende Informationen vorliegen. Das JKI berät die Pflanzenschutzdienste bei Unklarheiten bezüglich der Einfuhrvorschriften von Drittländern und leistet auch hiermit, gemeinsam mit den Pflanzenschutzdiensten, einen Beitrag zur Sicherung bestehender Exporte.

Werden neue Einfuhrvorschriften erlassen oder kommt es zu Änderungen von Einfuhrvorschriften, sind die 164 Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) (WTO, 2016), der die meisten wichtigen Handelspartner Deutschlands angehören, dazu angehalten, die geplanten Neuerungen oder Änderungen in Form von SPS-Notifizierungen über die WTO bekanntzugeben. Dies ist unter anderem im „Übereinkommen über die Anwendung von gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen“ (SPS-Übereinkommen) der WTO (EU, 1994), welches die Regeln beim Erlassen von Vorschriften für die WTO-Mitglieder vorgibt, geregelt. Diese Vorgehensweise dient dazu, den Handelspartnern die Möglichkeit zu geben, geplante Maßnahmen unter fachlichen Gesichtspunkten zu bewerten, eventuelle Handelshemmnisse zu erkennen und die betroffenen Behör­den und die Wirtschaft entsprechend zu informieren. So müssen die Maßnahmen in den Vorschriften beispielsweise wissenschaftlich begründet und auf international anerkannte Standards gestützt sein. Nach den Prinzipien der WTO sollen die Maßnahmen einerseits dem berechtigten Sicherheitsinteresse des Drittlandes genügen und gleichzeitig den Handel nicht unverhältnismäßig stark beschränken. Neuerungen oder Änderungen der Einfuhrvorschriften von Drittländern, die für Exporte von Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen aus Deutschland relevant sein könnten, werden vom JKI im Auftrag des BMEL fachlich bewertet und die Pflanzenschutzdienste der Bundesländer werden über die Neuerungen und Änderungen vom JKI informiert. Sind Neuerungen oder Änderungen der Einfuhrvorschriften von Drittländern zu kommentieren, weil es sich um fachlich ungerechtfertigte Anforderungen handelt, leitet das BMEL die Stellungnahmen des JKI an die Europäische Kommission zur Übermittlung an die WTO weiter. Hierdurch sollen mit dem Ziel der Sicherung bereits bestehender Exporte ungerechtfertigte Handelshemmnisse erkannt und Probleme beim Export von Pflanzen und pflanzlichen Erzeugnissen verhindert werden.

Die internationalen Standards, auf die sich die Maßnahmen in den Vorschriften stützen sollen, sind im phytosanitären Bereich die Standards der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die im Namen der Internationalen Pflanzenschutzkonvention (IPPC) veröffentlicht werden (DE, 2004). Derzeit haben 184 Staaten die IPPC unterzeichnet (IPPC, 2020), die eine verbindliche Grundlage bei der Gesetzgebung im Bereich der Pflanzengesundheit darstellt. Die im Rahmen der IPPC erarbeiteten verbindlichen „Internationalen Standards für phytosanitäre Maßnahmen“ (ISPMs) werden von der WTO als internationale Referenzstandards anerkannt und sollen die Unterzeichnerstaaten bei der Anwendung der Konvention unter­stützen. Insgesamt gibt es derzeit 42 angenommene ISPMs (IPPC, 2019), die unter anderem die Anforde­rungen an die Durchführung von Risikoanalysen, an bestimmte phytosanitäre Maßnahmen, an den interna­tionalen Handel mit bestimmten Warenarten, an die Diagnose von Schadorganismen und an die Ausstellung von PGZs thematisieren. Das BMEL wird in seiner Mitwirkung bei der Erarbeitung von ISPMs und deren Beurteilung fachlich durch das JKI unterstützt.

3 Marktöffnungsverfahren

Viele Drittländer fordern im Zuge eines Marktöffnungsverfahrens die Durchführung einer Risikoanalyse, um das phytosanitäre Risiko der jeweiligen Warenart in Verbindung mit der Herkunft abzuschätzen und dementsprechend spezifische Einfuhrvorschriften festlegen zu können. Als Grundlage für die Durchführung einer Risikoanalyse durch das Drittland erstellt das JKI ein sogenanntes Export-Dossier und stellt damit die für die Risikoanalyse erforderlichen Informationen bereit. Das Export-Dossier enthält sowohl Informationen zur Produktion der jeweiligen Pflanzen oder pflanzlichen Erzeugnisse als auch zu den Schadorganismen, die mit den jeweiligen Pflanzen oder pflanzlichen Erzeugnissen assoziiert sein können. Auch die an einem Export interessierte Wirtschaft wird bei der Erarbeitung der Informationen für das Export-Dossier eingebunden – insbesondere bei der Beschrei­bung der Produktion. Die Mitwirkung der Pflanzenschutzdienste bei der Erstellung von Export-Dossiers wird häufig bei der Bereitstellung von Informationen zum Vorkommen relevanter Schadorganismen und deren Bekämpfung und Kontrolle benötigt. Darüber hinaus können von den Drittländern beispielsweise auch Infor­mationen zum Klima in den jeweiligen Produktionsgebieten, zum Vorgehen bei Verpackung und Versand, zur Rückverfolgbarkeit und zur Organisation des Pflan­zengesundheitssystems in Deutschland gefordert werden.

Im Vorfeld eines Marktöffnungsverfahrens muss die exportinteressierte Wirtschaft eine Interessensbekundung mit relevanten Informationen zum jeweiligen Export­vorhaben beim BMEL einreichen. Nach einer Beur­teilung dieser Informationen kann das JKI mit der Erarbeitung eines Export-Dossiers durch das BMEL beauf­tragt werden. Ob und in welcher Reihenfolge die Export-Dossiers am JKI erarbeitet und somit Marktöffnungsverfahren eingeleitet werden, wird bei einem regel­mäßig stattfindenden „Runden Tisch zur Identifizierung phytosanitärer und saatgutrechtlicher Handelshemmnisse“ des BMEL mit Vertreterinnen und Vertretern von Wirtschaftsverbänden verschiedener Branchen, der Länder, der Pflanzenschutzdienste und des JKI diskutiert. In diesem Rahmen informieren BMEL und JKI zudem über den aktuellen Sachstand der laufenden Marktöffnungsverfahren.

Je nach Drittland und phytosanitärem Risiko der zu expor­tierenden Pflanzen oder pflanzlichen Erzeugnisse, enthält das Marktöffnungsverfahren nach dem Abschluss der Risikoanalyse noch weitere Schritte. Häufig wollen die Experten der Behörden des jeweiligen Drittlandes während einer Bereisung sich selbst ein Bild der Produktion, der Exportbetriebe, der Schadorganismensituation und des Pflanzengesundheitssystems einschließlich der behördlichen Überwachungstätigkeit in Deutschland machen. Bevor die vom Drittland vorgelegten spezifischen Einfuhrvorschriften in Kraft treten können, werden diese zudem häufig bilateral verhandelt und die Einhaltung der enthaltenen Anforderungen während der Bereisung durch die Behördenvertreter aus dem jeweiligen Drittland überprüft. Nach dem Inkrafttreten der jeweiligen Einfuhrvorschriften sind diese uneingeschränkt zu erfüllen, um eine Einschleppung relevanter Schadorganismen zu verhindern. Die Anforderungen können sich auf Maßnahmen während der Produktion, während der Verarbeitung oder kurz vor den geplanten Exporten beziehen. Werden die Anforderungen nicht eingehalten, müssen die Sendungen vom Export ausgeschlossen oder, wenn möglich, nachbehandelt werden. Erst wenn die Anfor­derungen erfüllt sind, stellt der zuständige Pflanzenschutzdienst ein PGZ aus. Sollte es trotz aller Kon­trollvorgänge zu einer Beanstandung durch das Drittland kommen, muss zunächst die Ursache für die Nichteinhaltung der Anforderungen geklärt werden, bevor die Exporte erneut aufgenommen werden können.

Da das Verfahren der Öffnung eines neuen Marktes die Zusammenarbeit der verschiedenen beteiligten Institu­tionen erfordert, hat das BMEL gemeinsam mit den Ländern ein Bund-Länder-Programm „Gesunde Pflanzen expor­tieren“ entwickelt, das der Stärkung und Optimierung der Zusammenarbeit mit den Bundesländern dient (BMEL, 2018b). Im Zuge der Entwicklung dieses Bund-Länder-Programms wurde durch das JKI zudem der „Leitfaden für das Verfahren zu pflanzengesundheit­lichen Aspekten des Exports von Pflanzen und Pflanzen­erzeugnissen einschließlich der Erschließung neuer Drittländer außerhalb der Europäischen Union“ (kurz: „Export-Leitfaden“) angefertigt (JKI, 2017). Dieser Leitfaden erläutert die einzelnen Verfahrensschritte, Zuständigkeiten und Kommunikationswege im Vorfeld und während eines Marktöffnungsverfahrens. Hierdurch wird die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden opti­miert und die Verantwortlichkeiten der beteiligten Wirtschaftsverbände oder Wirtschaftsakteure festgelegt.

Derzeit werden im BMEL mit der fachlichen Unterstützung des JKI über 40 Marktöffnungsverfahren verfolgt, um für bestimmte Pflanzen und pflanzliche Erzeugnisse einen Marktzugang in verschiedenen Drittländern zu erwir­ken. Hierunter sind vor allem Marktöffnungsverfahren für Äpfel, Getreide wie Weizen und Gerste und Pflanz- und Wirtschaftskartoffeln zu finden.

3.1 Marktöffnungsverfahren für Äpfel

Äpfel gehören zu den bedeutendsten Obstarten in Deutschland und waren 2019 das meistgekaufte Obst der Deutschen. Die Erntemenge betrug in den Jahren 2017–2019 im Schnitt rund 930.000 Tonnen und machte damit fast 75 % der Gesamtobsternte in Deutschland aus. Hiervon wurden jährlich durchschnittlich fast 70.000 Tonnen exportiert (Behr, 2020). Der größte Teil dieser Exporte erfolgte in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), da ein Export von Äpfeln in die meisten Drittländer erst nach einem erfolgreichen Marktöffnungsverfahren möglich ist.

Im Bereich der Marktöffnungsverfahren für Äpfel aus Deutschland befürchten die Drittländer vor allem die Einschleppung des Apfelwicklers Cydia pomonella und der Mittelmeerfruchtfliege Ceratitis capitata, weswegen dort bisher häufig ein Einfuhrverbot besteht.

C. pomonella ist weltweit der bedeutendste tierische Schadorganismus im Apfelanbau und kommt deutschlandweit in Apfelanlagen vor (Abb. 1). Die Überwinterung findet als Larve in einem Kokon zwischen Borkenschuppen statt (Börner, 2009). Ab Ende März beginnen die Larven in Deutschland sich zu verpuppen und ab Mitte Mai schlüpfen die ersten Falter (Van Frankenhuyzen & Stigter, 2002). Je nach klimatischen Bedingungen ist in Deutschland mit der Ausbildung von ein bis zwei Generationen pro Jahr zu rechnen (Börner, 2009). Die Weibchen der ersten Generation legen ihre Eier vorwiegend auf Blättern ab; die zweite Generation auf reifenden Früchten (Sutton et al., 2014). Die geschlüpften Larven bohren sich in die Frucht und fressen das Fruchtfleisch sowie die Samenanlagen (Börner, 2009). Die Larven der zweiten Generation können sich zum Zeitpunkt der Reife in der Frucht befinden, wodurch es zu Verschleppungen mit den geernteten Früchten kommen kann (CABI, 2020b). Aus diesem Grund werden von bestimmten Drittländern Maßnahmen gegen C. pomonella als Voraussetzung für einen Import von Äpfeln aus Deutschland verlangt.

Abb. 1. Apfel mit Symptomen verursacht durch den Apfel­wickler (Cydia pomonella). 
Foto: Dr. Christian Scheer, Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee.

Abb. 1. Apfel mit Symptomen verursacht durch den Apfel­wickler (Cydia pomonella). Foto: Dr. Christian Scheer, Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee.

Teilweise werden die während der Vegetationsperiode geforderten Maßnahmen ohnehin bereits in den deutschen Anbaugebieten zum Schutz der Äpfel durchgeführt, wozu auch der Einsatz von Insektiziden gehört. Der optimale Zeitpunkt zur Ausbringung von Insektiziden gegen den Apfelwickler wird zumeist mit Prognosemodellen ermittelt. Hier fließen Falterflugkontrollen durch Pheromonfallen sowie die Ermittlung der Eiablage und die Beobachtung der ersten Frucht-Einbohrungen ein (LTZ, 2018). Der regionale Warndienst gibt entsprechende Bekämpfungsempfehlungen heraus, die für ein optimales Ergebnis eingehalten werden sollten. Neben den von den Drittländern geforderten Maßnahmen im Feld müssen im Anschluss sehr genaue visuelle Kontrollen der Früchte erfolgen. Da die Symptome, die durch C. pomonella verursacht werden, mit bloßem Auge gut zu erkennen sind (CABI, 2020b), können visuelle Kontrollen als fachlich sinnvoll erachtet werden. Diese beinhalten oftmals bereits eine erste Kontrolle der Äpfel bei der Anlieferung im Packhaus. Insbesondere während des Sortierungsprozesses und der Verpackung der Äpfel sind visuelle Kontrollen der Äpfel durch geschultes Personal auf einen Befall mit C. pomonella durchzuführen. Hierbei ist oftmals durch die Vorgaben der Drittländer auch das Aufschneiden einiger Äpfel erforderlich. Bei der Exportkontrolle durch den Pflanzenschutzdienst werden die Äpfel erneut auf einen Befall mit C. pomonella und anderen relevanten Schadorganismen untersucht. Nur wenn bei dieser Kontrolle keine Schadorganismen festgestellt werden, dürfen die Äpfel exportiert und ein PGZ ausgestellt werden.

Die Mittelmeerfruchtfliege C. capitata ist mit einem Wirtspflanzenkreis von mehr als 250 Pflanzenarten hoch polyphag und hat in Gebieten, in denen sie vorkommt, eine sehr hohe wirtschaftliche Bedeutung (Sutton et al., 2014; CABI, 2020a). In Deutschland ist C. capitata nicht heimisch, wird aber wahrscheinlich durch Fruchtimporte immer wieder eingeschleppt (Abb. 2). Ein Populationsaufbau ist anschließend bei günstigen Klimabedingungen möglich, jedoch findet bisher keine erfolgreiche Überwinterung in Deutschland statt (EPPO, 2020a). Der offizielle Status von C. capitata in Deutschland ist derzeit „transient, non actionable“. Die Mittelmeerfruchtfliege legt ihre Eier unterhalb der Haut von nahezu reifen Früchten ab. Es werden mehrere Eier innerhalb einer Frucht abgelegt. Die Larven fressen das Fruchtfleisch und erleichtern ihre Invasion durch die Förderung von Mikro­organismen. Die Anzahl der Generationen hängt stark von der Temperatur und der Wirtspflanzenverfügbarkeit ab (Sutton et al., 2014). Eine eventuelle Verschleppung erfolgt durch befallene Früchte (CABI, 2020a) und ein Larvenbefall kann auch in deutschen Äpfeln während der Erntezeit nicht ausgeschlossen werden.

Abb. 2. Männliche Mittelmeer­fruchtfliege (Ceratitis capitata). 
Foto: Scott Bauer, USDA Agricul­tural Research Service, Bugwood.org, gemein­frei.

Abb. 2. Männliche Mittelmeer­fruchtfliege (Ceratitis capitata). Foto: Scott Bauer, USDA Agricul­tural Research Service, Bugwood.org, gemein­frei.

Folglich verlangen viele Drittländer auch gegen C. capitata entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung mit Apfelimporten aus Deutschland. Entgegen der Symptome beim Apfelwickler, sind die Einbohrlöcher von C. capitata sehr klein (Sutton et al., 2014) und eine visuelle Kontrolle allein zur Sicherstellung der Befallsfreiheit ist für viele Drittländer nicht ausreichend. Stattdessen verlangen die Drittländer eine Einrichtung von befallsfreien Gebieten oder eine Kältebehandlung der Äpfel zur Abtötung eventuell vorhandener Mittelmeerfruchtfliegen. Die erfolgreiche Einrichtung eines befallsfreien Gebietes hat bisher in Niedersachsen im Alten Land stattgefunden. Für die südlicheren Apfel­anbaugebiete in Deutschland ist die Einrichtung von befalls­freien Gebieten aufgrund der dort herrschenden höheren Temperaturen nicht sinnvoll, da sich nach eventuellen Einschleppungen eine Generation aufbauen und es zu Funden kommen kann, womit die Aufrechterhaltung eines befallsfreien Gebietes nicht länger möglich wäre. In diesen Fällen wird statt der Einrichtung eines befallsfreien Gebietes eine Kältebehandlung der Äpfel verlangt. Diese sieht je nach Kerntemperatur im Apfel (höchstens 0°C, 0,55°C oder 1,1°C) eine entsprechende Mindestdauer der Behandlung (13, 14 bzw. 18 Tage) vor (USDA, 2016). Die Kältebehandlung ist je nach Drittland vor oder während der Verschiffung durchzuführen und ist eine im Exportbereich bewährte Bekämpfungsmethode zur Verhinderung der Verschleppung von C. capitata.

3.2 Marktöffnungsverfahren für Getreide

Gerste und insbesondere Winterweizen sind sowohl im Anbau als auch im Handel sehr bedeutende Kulturpflanzen in Deutschland, sodass die Verfügbarkeit verlässlicher Absatzmärkte für diese zwei Kulturen eine besonders hohe Relevanz hat. Mit einer Winterweizenanbau­fläche von 3,05 Mio. Hektar und einer Gerstenanbau­fläche (Sommer- und Wintergerste) von 1,71 Mio. Hektar wurden 2019 40,6 % des Ackerlands in Deutschland (11,71 Mio. Hektar) mit Winterweizen und Gerste bestellt (Kemper et al., 2020). In den Jahren 2017–2019 wurden in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 22,14 Mio. Tonnen Winterweizen und 10,68 Mio. Tonnen Gerste produziert. In dem gleichen Zeitraum wurden pro Jahr durchschnittlich 6,24 Mio. Tonnen Weizen und 1,96 Mio. Tonnen Gerste exportiert (Kemper et al., 2020; Statistisches Bundesamt (Destatis), 2020).

Für Gerste haben die jeweiligen Drittländer ihre Risikoanalyse noch nicht abgeschlossen. Bei den für Weizen angestrebten Marktöffnungen haben sich insbesondere die in Deutschland vorkommenden Brandpilz-Arten Tilletia controversa (Zwergsteinbrand; Status: Present, restricted distribution) und Tilletia caries (Weizensteinbrand; Status: Present, few occurences) (EPPO, 2020b; EPPO, 2020c) als für die jeweiligen Drittländer rele­vanten Weizen-Schadorganismen herausgestellt. Häufig beste­hen für Länder mit einem Vorkommen dieser Brandpilze Einfuhrbeschränkungen in den Drittländern, in denen diese bisher nicht vorkommen und als Quarantäneschadorganismus gelistet sind.

Die zu den Brandpilzen (Ustilaginomycotina) gehörenden nahverwandten Pilze T. controversa (Abb. 3) und T. caries sind Schadorganismen, die vor allem an den Wintervarianten von Weichweizen (Triticum aestivum), Hartweizen (T. durum) und Dinkel (T. spelta) vorkommen. Aber auch Winterroggen (Secale cereale), Wintergerste (Hordeum vulgare) und einige Wildgräser wurden als mögliche Wirtspflanzen für Tilletia-Arten beschrieben (Vánky, 2012; EPPO, 2020b; EPPO, 2020c). Die Sommervarianten können in geringem Maße von T. caries betroffen sein. Die Pilze dringen über die Koleoptile in den Weizenkeimling ein und die betroffenen Pflanzen werden systemisch infiziert. Anstelle von Körnern werden bei infi­zierten Pflanzen mit Sporen gefüllte Brandbutten gebil­det (Carris, 2010). Bei der Ernte brechen die Brandbutten auf und die Sporen werden auf Erntegut und Boden verteilt. Zusätzlich trägt der Wind zur stärkeren Verbreitung der Sporen bei. Im Boden können die Sporen der Tilletia-Arten bis zu zehn Jahre überdauern (Carris, 2010). Unterschiede zwischen T. controversa und T. caries finden sich in der Ausprägung der Symptome. Pflanzen, die mit T. controversa infiziert sind, zeigen in der Regel einen verkürzten Wuchs und sind stärker bestockt. Auch in den Anforderungen an die klimatischen Bedingungen gibt es Unterschiede. Während T. caries bei Temperaturen von 5 bis 15°C keimt (Carris, 2010), hat T. controversa ein tieferes Temperaturfenster von -2 bis 12°C (Jia et al., 2013). Durch die im konventionellen Anbau übliche Saatgutbeizung und die Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes werden die Tilletia-Arten soweit bekämpft, dass in Bezug auf den Ernteertrag kein wirtschaftlich rele­vanter Schaden entsteht und die Sporenbelastung sehr gering gehalten wird. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass trotz der durchgeführten Maßnahmen geringe Sporenkonzentrationen an Konsumweizen auftreten können. Dadurch kann ein Verschleppungsrisiko beim Export nicht ausgeschlossen werden. Dies gilt insbesondere für T. caries.

Abb. 3. Sporen von Tilletia controversa. 
Foto: B. J. Goates, USDA Agricultural Research Service, Bug­wood.org, CC-BY-NC 3.0.

Abb. 3. Sporen von Tilletia controversa. Foto: B. J. Goates, USDA Agricultural Research Service, Bug­wood.org, CC-BY-NC 3.0.

Die Einfuhranforderungen von Drittländern sehen zur Verhinderung einer Einschleppung beispielsweise eine Vorausfuhruntersuchung und die Ausstellung eines PGZ mit einer zusätzlichen Erklärung vor, die bestätigt, dass die jeweilige Weizen-Sendung visuell untersucht und unter anderem als frei von T. caries und T. controversa befun­den wurde.

3.3 Marktöffnungsverfahren für Kartoffeln

Kartoffeln (Solanum tuberosum) sind weltweit eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel und dienen außerdem als Lieferant für nachwachsende Rohstoffe (FAO, 2008). Der Export frischer Kartoffeln aus Deutschland belief sich in den Saisons 2016/17 bis 2018/19 auf ca. 1,90 Mio. Tonnen pro Jahr und entsprach damit rund 18 % der 10,47 Mio. Tonnen Kartoffeln, die in Deutschland in diesem Zeitraum durchschnittlich pro Jahr geerntet wurden (Hambloch & Rampold, 2019).

Bei den Marktöffnungsverfahren zur Erschließung neuer Exportmärkte für Kartoffeln spielen verschiedene Schadorganismen eine Rolle. Drittländer befürchten jedoch insbesondere die Einschleppung der Nematoden Globodera pallida und Globodera rostochiensis sowie des Bakteriums Ralstonia solanacearum.

Der Weiße Kartoffelnematode G. pallida und der Gelbe Kartoffelnematode G. rostochiensis befallen die Pflanzenwurzel und werden aufgrund der Bildung von Zysten (Abb. 4) häufig unter der Bezeichnung Kartoffelzystennematoden zusammengefasst. Sie zählen zu den wichtigsten Schadorganismen im Kartoffelanbau und können Ernteverluste von bis zu 50 % verursachen (Radtke et al., 2000; Eberlein et al., 2016). Die aus Südamerika stammenden Nematoden sind inzwischen weltweit zu finden und kommen auch auf deutschen Kartoffelanbauflächen vor (BVL, 2019; EFSA et al., 2019b). Sind im Boden Zysten von G. pallida oder G. rostochiensis vorhanden, so werden die darin enthaltenen Larven durch die Wurzel­ausscheidungen von Nachtschattengewächsen zum Schlüp­fen und Verlassen der Zysten angeregt. Sie bewegen sich zu den Wurzeln und dringen in diese ein, um sich am Zentralzylinder anzusiedeln. Während ihrer Entwicklung zum adulten Tier schwellen die Weibchen an und durchbrechen das Wurzelgewebe nach außen. Befruch­tete Weibchen sterben zum Schutz der Eier nach deren Ausreifung ab und wandeln sich durch das Aushärten der Cuticula zu einer Dauerzyste um. Die Zysten fallen von der Wurzel ab und verbleiben im Boden. Pro Jahr wird eine Generation gebildet; die Zysten können jedoch mehr als zwölf Jahre im Boden überdauern und entsprechende Wirtspflanzen infizieren (Radtke et al., 2000). Da die Larven von G. pallida und G. rostochiensis im Boden maxi­mal einen Meter zurücklegen können, ist die natürliche Ausbreitung der Kartoffelzystennematoden sehr gering und beruht vorwiegend auf Wind- und Wassererosion. Vor allem die Verschleppung von Zysten mit der Anhang­erde von Pflanzkartoffeln sowie die Verbringung von Boden, beispielsweise durch landwirtschaftliche Maschi­nen, sind für die weite Verbreitung dieser Schadorganismen verantwortlich (Radtke et al., 2000; EFSA et al., 2019b).

Abb. 4. Aus einer Zyste schlüpfende Larve der Nemato­denart Globodera pallida. 
Foto: Claudia Aukamp-Timmreck, JKI.

Abb. 4. Aus einer Zyste schlüpfende Larve der Nemato­denart Globodera pallida. Foto: Claudia Aukamp-Timmreck, JKI.

Aufgrund ihres hohen Schadpotentials werden Kartoffelzystennematoden in vielen Ländern als Quarantäneschadorganismen eingestuft (Eberlein et al., 2016). Dementsprechend fordern viele Drittländer zum Schutz vor einer Einschleppung Maßnahmen gegen Kartoffelzystennematoden als Voraussetzung für einen Import von Kartoffeln aus Deutschland und anderen Ländern. Auch die EU hat G. pallida und G. rostochiensis als Unionsquarantäneschadorganismen benannt (EU, 2019) und Maßnahmen zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung der bisher in der EU begrenzt vorkommenden Schadorganismen festgelegt. Als Schutzmaßnahmen dienen u. a. ein EU-weites Monitoring, eine angepasste Fruchtfolge sowie die Verwendung resistenter Sorten (EU, 2007; EU, 2016). Auch die vorgeschriebene amtliche Untersuchung des Ackerbodens auf das Vorkommen der Kartoffelzystennematoden durch die zuständige Anerkennungsstelle des Bundeslandes vor dem Anbau von Pflanzkartoffeln soll eine weitere Ausbreitung verhindern (DE, 1986). Beim Export von Kartoffeln müssen zusätzlich die Einfuhranforderungen des jeweiligen Drittlandes erfüllt werden. Zu den Anforderungen zählt meist die Befallsfreiheit der jeweiligen Sendung, aber häufig auch ein nachweislich befallsfreier Ort der Erzeugung und eine amtliche Labor­untersuchung vor der Ausfuhr.

Neben den Kartoffelzystennematoden gehört auch das Bakterium Ralstonia solanacearum zu den exportrelevanten Unionsquarantäneschadorganismen (EU, 2019) mit einem hohen Schadpotential (EU, 2016). Das Bakterium verursacht die Schleimkrankheit der Kartoffel und kann im Kartoffelanbau für Verluste von bis zu 90 % sorgen (Elphinstone, 2005; Van der Gaag et al., 2019). Ausgehend von Südamerika hat eine weltweite Verbreitung von R. solanacearum stattgefunden, von der auch Kartoffelanbauflächen in Deutschland betroffen sind (BVL, 2019; EFSA et al., 2019a). R. solanacearum dringt vor allem über Wunden an den Wurzeln, aber auch über natür­liche Öffnungen wie Stomata in die Pflanze ein und besie­delt das Leitgewebe. Durch die massenhafte Vermehrung des Bakteriums im Xylem kann es zu Welke­erscheinungen bis hin zum Absterben der Pflanze kommen (Scherf et al., 2010; EFSA et al., 2019a). Kartoffel­knollen können im Fall einer fortgeschrittenen Infektion beim Aufschneiden einen braunen Ring aufweisen. Dies ist auch bei einer Infektion mit Clavibacter sepedonicus der Fall. Jedoch tritt nur bei einer Infektion mit R. solanacearum nach ein paar Minuten selbstständig ein milchiges Sekret aus dem Ring aus (EFSA et al., 2019a) (Abb. 5). Eine Infektion äußert sich jedoch nicht immer mit Symptomen; in vielen Fällen liegt ein latenter Befall mit R. solanacearum vor (Ozakman & Schaad, 2003).

Abb. 5. Aufgeschnittene Kartoffelknolle mit Ralstonia so­lanacearum-Befall.
 Foto: NVWA, Niederlande. Entnommen aus Van der Gaag et al., 2019.

Abb. 5. Aufgeschnittene Kartoffelknolle mit Ralstonia so­lanacearum-Befall. Foto: NVWA, Niederlande. Entnommen aus Van der Gaag et al., 2019.

Pflanzkartoffeln, insbesondere Exemplare mit einer laten­ten Infektion, gelten als einer der Hauptverbreitungswege der Schleimkrankheit. Außerdem soll die Nutzung kontaminierten Oberflächenwassers eine maßgebliche Rolle bei der weiten Verbreitung des Schadorganismus gespielt haben. Zu Kontaminationen kann es beispielweise durch unbehandeltes Abwasser aus der Kartoffelindustrie kommen. Die natürliche Ausbreitung ist bei R. solanacearum, ähnlich wie bei den Kartoffelzystennematoden, nicht relevant (EFSA et al., 2019a).

Aufgrund des hohen Schadpotentials von R. solanacearum, der möglichen Ausbreitung über Wasser und der großen Gefahr einer Verschleppung mit infizierten Kartoffelknollen, müssen sowohl auf Basis der EU-Gesetzgebung als auch entsprechender Anforderungen von Drittländern eine Reihe von Schutzmaßnahmen erfüllt werden. Dazu zählt die jährliche systematische amtliche Unter­suchung zum Vorkommen des Bakteriums in der EU. Neben der visuellen Kontrolle von Beständen und Kartoffelknollen spielen Laboruntersuchungen, insbesondere bei Pflanzkartoffeln, eine entscheidende Rolle zur Erkennung latenter Infektionen. Auch die Untersuchung von Oberflächengewässern ist ein wichtiger Bestand­teil der Schutzmaßnahmen, um eine weitere Ausbreitung zu vermeiden (EU, 1998; EU, 2016). Drittländer deutscher Kartoffelexporte fordern, insbesondere bei Pflanzkartoffeln, in der Regel, dass die Sendung frei von einer Infektion mit R. solanacearum ist. Außerdem wird häufig die Produktion an einem befallsfreien Ort der Erzeugung sowie eine Laboranalyse der Kartoffel­knollen vor dem Export gefordert. Um das Risiko der Verschleppung auch bei latenten Infektionen ausschließen zu können, ist eine Laboranalyse vor dem Export fachlich sinnvoll. Die Forderung nach einem befallsfreien Ort der Erzeugung ist ebenfalls fachlich gerechtfertigt, da der Schadorganismus unter anderem über Wunden an den Wurzeln in die Pflanze eindringen kann (EFSA et al., 2019a).

4 Begleitung von Exporten nach der Marktöffnung

Nachdem ein Marktöffnungsverfahren erfolgreich abgeschlossen ist und ein Marktzugang gewährt wurde, ist in manchen Fällen die fachliche Begleitung der Exporte durch die zuständigen Behörden weiterhin notwendig. Teilweise ist auch die Entwicklung eines Konzeptes zur Umsetzung der neuen Anforderungen der Drittländer erfor­derlich, wenn es bisher keine vergleichbaren Verfahren zur Umsetzung der Einfuhranforderungen gegeben hat. In vielen Fällen müssen die Pflanzenschutzdienste die Erfüllung der jeweiligen Anforderungen regelmäßig in den exportierenden Betrieben, auf deren Produktionsflächen und ggf. in deren Verpackungsanlagen überwachen und die Betriebe entsprechend registrieren. Ist eine regelmäßige Berichterstattung bezüglich der Einhaltung der Exportanforderungen an das jeweilige Drittland notwendig, koordiniert das JKI die Berichterstattung. Die Berichte, die von den Pflanzenschutzdiensten erstellt werden, werden an das BMEL übermittelt, das diese wiederum an das Drittland weiterleitet. Es kann auch vorkommen, dass Bereisungen durch Experten aus Drittländern regelmäßig vorgesehen sind, um den Handel aufrecht zu erhalten.

Erklärung zu Interessenskonflikten

Die Autoren erklären, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

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