Mitteilungen und Nachrichten
Neues aus der Deutschen Genbank Obst (DGO):
Obst Manufaktur in der Kommune Niederkaufungen
Journal für Kulturpflanzen, 72 (9). S. 483–484, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.09.05, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
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Die Obstmanufaktur ist ein seit 15 Jahren bestehender kollektiv organisierter Betrieb, mit dem Schwerpunkt der Erhaltung alter Obstsorten. Sie ist ein Zweckbetrieb innerhalb eines kleinen gemeinnützigen Vereines, dem Verein für Ökologie, Gesundheit und Bildung e.V.
Ursprünglich ging es in erster Linie um die Eigenversorgung mit Obst. Zu diesem Zweck wurde vor 20 Jahren die erste Streuobstwiese mit 70 alten Bäumen gepachtet. Durch weitere Zupachtungen, Kauf und Neuanlage von Flächen ist der Bestand auf ca. 750 meist hochstämmige Bäume angewachsen. Ein geringer Teil steht auch auf schwächer wachsenden Unterlagen, um die Sorten schneller auf Echtheit kontrollieren zu können. Ist diese gewährleistet, werden im eigenen Baumschulquartier Bäume auf starkwachsenden Unterlagen nachgezogen und wieder auf Streuobstwiesen gepflanzt (Abb. 1).
Der Unterhalt und die Bewirtschaftung der Obstwiesen geschieht, finanziell betrachtet, durch Dienstleistungen rund um das Obst für externe Kunden. Ein Schwerpunkt hierbei sind bundesweite Sortenbestimmung für Apfel und Birne, diverse Fortbildungen in Obstgehölzpflege und Pomologie, sowie Aufträge in Obstbaumschnitt, meist für öffentliche Auftraggeber. Da es keine weitere finanzielle Unterstützung für die Sortensammlung gibt, ist diese Struktur nötig, um das Projekt zu unterhalten.
Das anfallende Obst der eigenen Flächen und die weiter verarbeiteten Produkte dienen nach wie vor der Selbstverpflegung der Arbeits- und Lebensgemeinschaft mit 80 Menschen, in die der Betrieb eingebettet ist. Ein Teil der Ernte wird in großen Sortenausstellungen präsentiert und auch für Unterrichtszwecke bei Sortenbestimmungsseminaren genutzt.
Die eigentliche Sortensammlung umfasst heute ca. 1.200 verschiedene alte Obstsorten. Die Bäume verteilen sich auf acht verschiedene Flächen im Umkreis der Gemeinde Kaufungen/Nordhessen. Darunter ca. 600 Birnensorten, ca. 400 Apfelsorten und weitere Steinobst- und Beerensorten. Jährlich kommen weitere Sorten hinzu. Wobei die Sortenechtheitskontrolle bei Pflanzen, die noch nicht gefruchtet haben, noch aussteht.
Seit 2010 ist unsere Pflanzung Teil des „Erhalternetzwerk Obstsortenvielfalt“ des Pomologen-Verein e.V., das wir maßgeblich mit aufgebaut haben und mit koordinieren. Seit 2017 ist die Obstmanufaktur als unterstützender Partner in der Deutschen Genbank Birne vertreten.
Die Erhaltung der genetischen Vielfalt steht bei der eigenen Sammlung im Vordergrund und damit auch die Kontrolle der jeweiligen Sorten auf Anbauwert unter den heutigen klimatischen Verhältnissen. Um dies beurteilen zu können, wird auf jeglichen chemischen und biologischen Pflanzschutz verzichtet. Die Erhaltung der Gesundheit und Vitalität der Bäume wird nur durch kulturtechnische Maßnahmen unterstützt. Speziell bei den Birnensorten wird jährlich der Gesundheitszustand der Bäume und Früchte bonitiert. Hierbei hat sich schon nach kurzer Zeit gezeigt, dass viele der heute in Baumschulen gehandelten Standard-Tafelbirnensorten der Klimaveränderung nicht mehr gewachsen sind. Andere, bisher wenig verbreitete alte Birnensorten, dem Druck von Schorfpilzen, Fruchtmonilia, Birnengitterrost, Sonnenbrand, etc. jedoch bisher standhalten.
Eine Besonderheit der Obstsortensammlung besteht darin, dass wir uns auch bemühen, pomologisch zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestimmbare Sorten zu erhalten. Dies sind im Augenblick ca. 100 Sorten, die bei den verschiedenen Obstsortenkartierungen im Bundesgebiet aufgefunden und/oder bei öffentlichen Sortenbestimmungen vorgelegt wurden (Abb. 2). Es ist gesichert, dass dies keine Zufallssämlinge sind, da alle Sorten an mehreren, zum Teil weit auseinanderliegenden Standorten vorkamen. Die Erhaltung dieser Sorten ist uns ein besonderes Anliegen, weil sie ausnahmslos von so alten Bäumen stammen, dass es nur noch eine Frage von ein paar Jahren ist, bis diese Sorten aussterben werden. Aufgrund der vorhandenen Sortenkenntnis und auch dem Abgleich mit anderen pomologisch tätigen Personen, kann ausgeschlossen werden, dass diese Sorten heute noch in Baumschulen gehandelt werden. Daher gibt es die Sorten nur noch in den überalterten Baumbeständen. Leider reichen die finanziellen Möglichkeiten und damit auch Arbeitskapazitäten nicht aus, um alle jährlich neu entdeckten Sorten neu aufzupflanzen und damit für die nächsten Generationen zu sichern.