In-situ-Erhaltung verwandter Wildarten unserer Kulturpflanzen im nationalen und internationalen Kontext

Autor/innen

  • Imke Thormann Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Bonn

DOI:

https://doi.org/10.5073/jka.2020.466.001

Schlagworte:

In-situ-Erhaltung, Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft, WEL, genetische Diversität, genetische Ressource, genetische Erhaltungsgebiete, GenEG

Abstract

Wildpflanzenarten, die mit unseren Kulturpflanzen verwandt sind, sind eine unverzichtbare genetische Ressource für die Pflanzenzüchtung. Zugleich sind sie wichtig für die Funktion von Ökosystemen und ökosystemaren Dienstleistungen. Als Teil der biologischen Vielfalt sind sie wie viele andere Arten zunehmend bedroht. Der Erhalt ihrer Vielfalt als genetische Ressource ist ein gemeinsamer Auftrag und ein gemeinsames Anliegen von Naturschutz und Landwirtschaft.

Die genetische Vielfalt der Wildpflanzen kann nur in begrenztem Umfang langfristig ex situ erhalten werden. Zudem ist eine evolutive Weiterentwicklung und genetische Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen nur möglich, wenn neue genetische Vielfalt im Verlauf der natürlichen Reproduktions- und Ausbreitungsprozesse entsteht. Deswegen ist es notwendig, verwandte Wildarten primär in situ, das heißt die natürlichen Lebensräume der Arten und lebensfähige Population zu erhalten, um so ihr Anpassungspotential zu bewahren. Komplementär dazu sollten Muster in Genbanken, die besonders für gefährdete Populationen ein Sicherheitsduplikat darstellen, erhalten werden. Diese Ressourcen werden so für Charakterisierung, Evaluierung und Nutzung in Forschung und Züchtung leichter zugänglich.

Die Notwendigkeit der Erhaltung der genetischen Diversität der Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (WEL) ist explizit in globalen Übereinkommen und Aktionsplänen wie der Konvention zur Biologischen Vielfalt, den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, dem Internationalen Vertrag über Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (PGREL) und dem Globalen Aktionsplan für PGREL der Welternährungsorganisation festgeschrieben. Mitgliedsländer wie Deutschland verpflichten sich, Erhaltungsstrategien für Wild- und Kulturpflanzenarten, die die Vorzüge der Erhaltung in situ im natürlichen Lebensraum mit den Vorteilen der Konservierung ex situ in Genbanken verbinden, zu entwickeln. Das Fachprogramm für pflanzengenetische Ressourcen des BMEL sieht als Handlungsbedarf besonders die Etablierung von genetischen Erhaltungsgebieten (GenEG) vor, um die Erhaltungssituation von in Deutschland als besonders wichtig angesehenen Arten und Artengruppen zu verbessern.

Mit der Einrichtung des nationalen „Netzwerk Genetische Erhaltungsgebiete Deutschland“ wird eine Rahmenstruktur geschaffen, in der sich bestehende und zukünftige WEL-Erhaltungsmaßnahmen eingliedern und koordiniert werden können. Das Netzwerk besteht aus Teilnetzwerken für prioritäre Wildarten, die von Fachstellen koordiniert werden. Teilnetzwerke bestehen aus GenEG für Populationen, die basierend auf wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt werden. Das Gesamtnetzwerk wird vom Informations- und Koordinationszentrum für Biologische Vielfalt der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung koordiniert.

Je nach Biologie der genetischen Ressourcen gestalten sich die Identifizierung von Populationen und die Ausweisung von GenEG unterschiedlich. Vorgehensweisen wurden in vier durch das BMEL geförderten Modellund Demonstrationsvorhaben entwickelt. Diese betreffen die letzte überlebende Population der Wildrebe, Wildselleriearten, historische Grünlandflächen und Wildobstarten. Entsprechende Teilnetzwerke befinden sich in unterschiedlichen Phasen des Aufbaus. Der Aufbau, die Ausweisung und das langfristige Management von GenEG erfordert eine ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz.

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Veröffentlicht

2020-12-09