Presseinformation Nr. 7/2021 des JKI vom 18.03.2021: Internationales Forschungsteam veröffentlicht Referenzgenomsequenz für Roggen

2021-03-19

(Quedlinburg/Groß Lüsewitz) Nicht weniger als 63 Autoren aus 13 Ländern haben zu einer Studie beigetragen, die am 18.3.2021 in der renommierten Fachzeitschrift Nature Genetics (DOI 10.1038/s41588-021-00807-0) veröffentlicht wurde. Sie beschreibt erstmals für den Roggen eine Referenzgenomsequenz mit fast sieben Milliarden Bausteinen. Unter der Federführung des Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung, IPK Gatersleben wurde die Existenz von mehr als 34.000 Genen auf den sieben Chromosomen des Roggens bioinformatisch vorhergesagt.

Bekannt ist nur die Spitze des Eisbergs, denn bislang kann nur einem Bruchteil dieser Gene eine biologische Funktion zugeordnet werden. „Das wird mit der veröffentlichten Referenzgenomsequenz nun leichter. Sie ist ein großer Schritt für die Züchtungsforschung und für die züchterische Verbesserung des Roggens“, sagt Prof. Dr. Frank Ordon. Der Präsident des Julius Kühn-Instituts betont, dass nach Gerste und Weizen nun die Sequenz der dritten, für die europäische Landwirtschaft bedeutenden Getreideart vorliegt. „Es ist bemerkenswert, dass sich so viele Forschungseinrichtungen für dieses global gesehen eher unbedeutende Getreide stark gemacht und quasi mittels Crowdfunding in kurzer Zeit das Ergebnis erzielt haben“, erklärt der JKI-Präsident.

Warum rückt ein Getreide mit regionaler Bedeutung im Roggengürtel Mittel- und Osteuropas nun in den Fokus internationaler Spitzenforschung? Eine Antwort liefert die einzigartige Blühbiologie des Fremdbefruchters Roggen. Denn sie führt beim genügsameren Bruder des Weizens zu hoher Anpassungsfähigkeit und ausgeprägter Toleranz gegenüber biotischem und abiotischem Stress. „Seine Ertragssicherheit macht Roggen zur verlässlichen Größe für die Produktion von Brot- und Futtergetreide im Zeichen des Klimawandels“, erklärt Dr. Bernd Hackauf vom Julius Kühn-Institut. Der Züchtungsforscher aus Groß Lüsewitz (Mecklenburg-Vorpommern) ist einer der Co-Autoren der nun veröffentlichten Studie. Er widmet sich seit mehr als 30 Jahren dem Roggen. „Mit dem uneingeschränkt zugänglichen Genkatalog hat Roggen nun zu Reis, Mais, Gerste und Weizen aufgeschlossen. Das Referenzgenom macht es möglich, Roggen von einer Nischenkultur zu einem leistungsstarken Getreide mit maßgeschneiderten Kornqualitäten zu entwickeln“, zeigt der JKI-Wissenschaftler die Perspektiven auf.

Hier gilt es zunächst, den Roggen von seiner hohen Anfälligkeit gegenüber dem gefährlichen Mutterkornpilz zu befreien. Wertvolle Genvarianten, die zu hohem Pollenausschüttungsvermögen führen, sind bereits gefunden. Weil die Pilzsporen mit den Pollen konkurrieren müssen, verfügen Sorten mit maximalem Pollenschüttungsvermögen über eine optimale Mutterkornabwehr. Nun sucht Hackauf in der Genomsequenz nach Genen, die unerwünschte, weil ertragsmindernde Nebeneffekte solcher so genannten Restorergene kompensieren.

Ein weiterer Fokus liegt auf dem Kurzstroh-Gen Ddw1, dessen Einfluss auf die Standfestigkeit, den Ertrag und den CO2-Fußabdruck als sogenannte Halbzwerge in diesem Jahr erstmals umfassend unter Praxisbedingungen geprüft werden. Ein besseres Verständnis von Genstruktur und -funktion ist aber nicht nur Grundlage einer modernen Roggenzüchtung, sondern wirkt auch als Ideengeber für die genetische Verbesserung anderer Getreidearten. So bringt die Referenzgensequenz des Roggens beispielsweise auch Schwung in das Leuchtturmprojekt TERTIUS des Bundeslandwirtschaftsministeriums, in dem Erbinformationen des Roggens zur verbesserten Wurzelausbildung in Weizen genutzt werden, um diesen fit für den Klimawandel zu machen.

Fotomotive stehen auf der Webseite des JKI zum Download bereit: https://www.julius-kuehn.de/presse/pressemeldung/news/pi2021-07-roggen/

Wissenschaftlicher Ansprechpartner

Dr. Bernd Hackauf

Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen

Fachinstitut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen

Rudolf-Schick-Platz 3a, 18190 Sanitz OT Groß Lüsewitz

Tel.: 038209 45 207

E-Mail: bernd.hackauf@julius-kuehn.de

 

Originalpublikation: Rabanus-Wallace MT, Hackauf B, Mascher M, Lux T, Wicker T, Gundlach H, Báez M, Houben A, Mayer KFX, Guo L, Poland J, Pozniak CJ, Walkowiak S, Melonek J, Praz C, Schreiber M, Budak H, Heuberger M, Steuernagel B, Wulff B, Börner A, Byrns B, Čížková J, Fowler DB, Fritz A, Himmelbach A, Kaithakottil G, Keilwagen J, Keller B, Konkin D, Larsen J, Li Q, Myśków B, Padmarasu S, Rawat N, Sesiz U, Sezgi B, Sharpe A, Šimková H, Small I, Swarbreck D, Toegelová H, Tsvetkova N, Voylokov AV, Vrána J, Bauer E, Bolibok-Bragoszewska H, Doležel J, Hall A, Jia J, Korzun V, Laroche A, Ma X-F, Ordon F, Özkan H, Rakoczy-Trojanowska M, Scholz U, Schulman AH, Siekmann D, Stojałowski S, Tiwari V, Spannagl M, Stein N (2021) Chromosome-scale genome assembly provides insights into rye biology, evolution, and agronomic potential. Nat. Genet. DOI: 10.1038/s41588-021-00807-0 https://www.nature.com/articles/s41588-021-00807-0

Hintergrundinformation zu Genomsequenzierungen von Getreidearten

Die erste Nutzpflanzengenomsequenz wurde 2005 für den Reis veröffentlicht. Sie ebnete den Weg für die Sequenzierung weiterer und komplizierterer Getreidegenome. Das erste heimische Getreide, das vollständig sequenziert wurde, war 2017 die Gerste (Mascher et al. 2017). Nach zehn Jahren und unter Beteiligung von Forschenden aus zehn Nationen stellte sie das mit 5,2 Milliarden Basenpaaren bis dato größte sequenzierte Genom dar. Ein erster Etappenerfolg bei der Sequenzierung des Roggens wurde ebenfalls 2017 vermeldet, zu dem Zeitpunkt war etwa ein Drittel des Roggengenoms sequenziert. Der Weizen mit seinen 21 Chromosomen folgte ein Jahr später 2018 (IWGSC 2018) nach insgesamt 13 Jahren intensiver Forschungsarbeit. Die restlichen zwei Drittel des Roggens benötigten eine konzertierte Anstrengung von 13 Ländern, um schließlich in drei weiteren Jahren auch für den Roggen den Erfolg zu vermelden. Das geschah in dem Wissen, dass der Roggen, der derzeit nur eine Nischenart ist, auch bei der Verbesserung anderer, wirtschaftlich bedeutsamer Pflanzen nützlich sein könnte.

Mit freundlichen Grüßen aus der JKI-Pressestelle

 

Stefanie Hahn

 

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